Von Samira Schwarz. Fotos Till Christmann.
Mit 13 erhielt Eva Jahnen die Diagnose Depression. Wie sie damit lebt, erzählt sie auch auf Instagram. Und nun auch in einem Buch. Das soll helfen, ohne Ratgeber zu sein.
Wie fühlt es sich an, wenn die Gedanken „Blei“ sind? Eva Jahnen erlebt es so, „dass man nichts mehr denken kann: Man versucht sich zu konzentrieren, aber alles ist wie eingefroren.“ Man schwebe in einem Vakuum: „Und obwohl nichts passiert, passiert total viel.“ Die 1991 geborene Wiesbadenerin ist Mitgründerin des Kreativbüros Creators Collective und im „Real Life“, wie sie sagt, Kommunikationsdesignerin.
Eva Jahnen zählt aber auch zu den 5,3 Millionen Deutschen, die jedes Jahr an einer behandlungsbedürftigen Depression erkranken. Seit drei Jahren gibt sie unter dem Alias „DepriDisco“ auf Instagram einen Einblick in diesen Teil ihres Lebens. Und jetzt hat sie ein Buch veröffentlicht, mit selbst kreierten Illustrationen und kleinen Texten.
Wo bleibt das Therapeuten-Tinder?
Bereits mit 13 erhielt sie die Diagnose und schlägt sich seitdem durch den Alltag mit all den „Komplizen“, die die Depression mit sich bringt. Ihr ist es wichtig, ihr Wissen mit anderen zu teilen und durch ihre Arbeit etwas mit Mehrwert zu kreieren. Als Betroffene fasst sie Gedanken in Worte, die man manchmal selbst nicht findet: „Warum gibt es eigentlich noch kein Therapeuten-Tinder? Und darf man eine Freundin um Hilfe bitten, einen Therapieplatz zu finden?“. DepriDisco ist ein Safe-Space für alle, deren Gedanken manchmal zu „Blei“ werden.
Im Umgang mit diesen Gedanken und der Depression ist Evas wichtigster Tipp Akzeptanz. „Ich wäre gern die produktive Eva, ich will arbeiten und Sachen machen. Aber es geht nicht. Und dagegen anzukämpfen, macht es nicht besser: Das Einzige, was hilft, ist es zu akzeptieren“, erklärt sie.
Von der Abwärts- in die Aufwärtsspirale
Dass sie nicht für ihre Erkrankung verantwortlich ist, lernte Eva in einer Psychoedukationsgruppe. Diese half ihr auch, grundlegend zu verstehen, was die eigene Depression ist, durch welche Symptome sie sich äußert und dass sie nicht machtlos ist, auch wenn sie sich wie gelähmt fühlt.
Zu lernen, wieder selbstwirksam zu sein, war für sie lehrreich. Durch das „Denken-Handeln-Fühlen-Dreieck“ erkannte Eva, wie sie indirekt Einfluss auf ihre Gefühle nehmen kann. Dieses in der Psychoedukation häufig verwendete Schema zeigt den Einfluss, den negative Gefühle auf das Denken und Handeln haben, die ihrerseits wieder zu weiteren negativen Gefühlen führen: Es entsteht eine Abwärtsspirale.
Kleine Schritte helfen
Das Gute: Diese Wechselbeziehung funktioniert auch in die andere Richtung. Der Versuch, einen positiven Gedanken zu denken, das Haus zu verlassen, jeder kleine Schritt kann die Gefühlswelt positiv beeinflussen. Auch wenn diese Methode nicht in jedem Zustand funktioniert – es kann ein erster Schritt in Richtung Aufwärtsspirale sein.
Durch die Psychoedukation stellte Eva etwas ganz Entscheidendes fest: Sie, wie auch viele andere, hatten und haben häufig diesen hilfreichen, nüchternen Blick auf die eigene Erkrankung nicht. Bereits seit ihrer Schulzeit schrieb sie alles eifrig mit und visualisierte Informationen. So dokumentierte sie auch all das Wissen aus der Psychoedukation. Entstanden ist ein kleines Büchlein – der ursprüngliche Anfang für „DepriDisco“ und nun ihr erstes Buch „Die Gedanken sind Blei“.
Sprechen gegen Stigmatisierung
Psychische Erkrankungen sind heutzutage immer noch stigmatisiert. Viele denken, erzählt Eva, man könnte selbst etwas dafür. Ihr ist es besonders wichtig, dass „Mentale Gesundheit“ die nötige Aufmerksamkeit in der Gesellschaft findet, die sie braucht. Ein Weg, um psychische Erkrankungen zu entstigmatisieren, sei es, immer wieder darüber zu sprechen: „Dadurch können Vorurteile abgebaut und Nichtbetroffene näher an die Thematik herangeführt werden.“ Jedoch hätten viele Betroffene Angst, sich öffentlich als depressiv zu „outen“.
Auch Eva begleiteten die Bedenken, mit Veröffentlichung anders wahrgenommen zu werden: „Natürlich habe ich Angst, dadurch Nachteile im Job zu haben, aber ich bin auch froh, die Erfahrung kreativ zu nutzen. Wenn nur eine Person mehr zur Therapie geht, ist mir das wichtiger.“ Sie hofft, einen Beitrag mit Ihrem Buch zu leisten: Einerseits für Betroffene, aber auch Angehörige, denen eine andere Perspektive aufgezeigt wird.
Dabei ist Eva Jahnens Buch explizit kein Ratgeber: „Häufig sind in einer depressiven Episode Ratgeber das Letzte, was man lesen kann.“ Hingegen geben die liebevoll gestalteten Illustrationen und kurzen Texte einen auch mal humorvollen Einblick in das Leben und den Alltag mit Depressionen, die zeigen: „Du bist nicht allein“.
Lesen und Informieren
„Die Gedanken sind Blei – Wie meine Depression die Dinge sieht“, Groh Verlag, Text und Illustrationen Eva Jahnen, 128 Seiten, 12 Euro, erhältlich im örtlichen Buchhandel.
Eva Jahnen als Depridisco bei Instagram: www.instagram.com/depridisco/
Informationen, Selbsttest und hilfreiche Adressen rund um das Thema Depression finden Betroffene und Angehörige unter www.deutsche-depressionshilfe.de
Danke dir Eva für deine Mut und jede Zeile die du schreibst!!!