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„Geschäft“ des Monats: Artothek, Schulberg 10, im Kunsthaus: Originale für Zuhause – und für kleines Geld

Von Anja Baumgart-Pietsch. Fotos Kai Pelka.

Abwechslung gefällig? Den Ausblick aus dem Wohnzimmerfenster kann man nicht ändern. Was über dem Sofa hängt, aber schon. Da muss man sich gar nicht auf Jahre hinaus festlegen, sondern kann, wenn man will, alle sechs Monate neue Kunst aufhängen. Und das für absolut kleines Geld: Gerade mal 26 Euro muss man anlegen, wenn man sich für ein halbes Jahr ein Original an die Wand hängen möchte.

Kunstbetrachtung ohne Schwellenängste

Möglich macht dies die Wiesbadener Artothek, seit einiger Zeit auf dem „Kunstberg“ zu finden, wie die Leiterin Nicole Ahland das Haus am Schulberg nennt. Im Kunsthaus, wie es offiziell heißt, sind das seit Anfang 2020 von Dominique Behr geleitete Kunstreferat des Kulturamts mit städtischer Kunsthalle und nach Abschluss der Sanierung auch wieder Künstlerateliers zu finden  – und eben die Artothek. Ahland freut sich, auch in Pandemie- und „Lockdown“-Zeiten mögliche, Besuche interessierter Menschen – und nimmt diesen auch Schwellenängste.

Kunst kann, gerade und besonders auch in Pandemiezeiten, eine heilende, stärkende Kraft haben. Und: Es ist eben ganz etwas anderes, sich ein Original ins Haus zu holen, als sich mal eben ein Poster an die Wand zu pinnen: Davon ist die Fachfrau überzeugt, die selbst Künstlerin ist und ihr Atelier in der Bertramstraße hat. Sie verfügt aber auch über handwerkliche Fähigkeiten, kann Bilder neu rahmen und restaurieren.

Alle Zeit der Welt zum Entdecken und Aussuchen

So ist sie genau die richtige Frau an diesem Platz, denn ihre Begeisterung für die von ihr alles andere als nur „verwalteten“ Kunstwerke ist ansteckend. Und mit diesem Virus lässt man sich gern infizieren: Nicole Ahland nimmt sich Zeit für alle, die sich hier erst mal umschauen möchten, aber auch für jene, die schon genau wissen, was sie wollen. Ob das Bild zur Einrichtung passen soll, ob eine bestimmte Künstlerin gewünscht wird, ein definierter Stil oder einfach „was Schönes“: Die städtische Kunstsammlung hat für jeden etwas parat.

Werke mit Wiesbaden-Bezug

Auch Skulpturen sind dabei, die meisten Werke sind jedoch Gemälde. Hier sind Formate vom kleinsten bis zum wandfüllenden Bild dabei. Fotografien oder Ölgemälde, abstrakt oder gegenständlich, Einzelstücke oder Serien: Es bleibt kaum ein Wunsch offen. Das Angebot konzentriert sich auf Künstler:innen, die in irgendeiner Form etwas mit Wiesbaden zu tun haben. Hier gelebt, hier gearbeitet, von einer hier ansässigen Galerie vertreten, hier mal ein Stipendium gehabt, aus einer Partnerstadt: Irgendwie muss der Bezug zu Wiesbaden hergestellt werden. Das ergibt eine überraschende Bandbreite mit dem Schwerpunkt auf Kunst des 20. Jahrhunderts und aktuellen Zeitgenossen.

Kunst allen zugänglich machen

Wer sich ein wenig in der örtlichen Kunstszene auskennt, trifft auf bekannte Namen: Otto Ritschl, Christa Moering, Lilo Fischer-Fornoff, Bernd Brach, Udo W. Gottfried. Aber auch Werke weniger bekannter Künstler:innen finden sich in den riesigen Auszügen, die Nicole Ahland gerne und geduldig, ausgerüstet mit weißen Handschuhen, einen nach dem anderen präsentiert. In der aktuellen Coronazeit muss man einen Termin vereinbaren, so ist die Beratungsmöglichkeit noch individueller und persönlicher. Es gibt auch eine kleine Kunstbibliothek, in der man sich über die Künstler:innen informieren kann. Dass die Stadt sich so für die Kunstförderung einsetzt, findet Nicole Ahland wunderbar, aber keineswegs selbstverständlich. „Es geht zum einen darum, Künstlerinnen und Künstler zu fördern, zum anderen aber auch, Kunst für alle zugänglich zu machen. Das ist praktizierte Teilhabe.“

Familien willkommen

Dass so jeder die Möglichkeit erhalte, Kunst in den Alltag zu integrieren, hautnah zu erleben und „die Energie der Kunst für kleines Geld für sich nutzbar zu machen“ findet die Artothek-Mitarbeiterin wichtig, bezeichnet das sogar als „resilienzfördernd“. Mit Kunst könne man sich auseinandersetzen, müsse längst nicht alles „verstehen“ – und besonders freue sie sich, wenn ganze Familien kämen, um gemeinsam ein neues Bild auszusuchen. Ermäßigt beträgt der Sechs-Monats-Tarif sogar nur zehn Euro. „Die Gruppen, die damit erreicht werden sollen, haben leider noch nicht so richtig zu uns gefunden“, bedauert Ahland. Dazu ermutigen möchte sie alle. Einzige Voraussetzung: Eine Haftpflicht- oder Hausratversicherung, die auch geliehene Objekte – deren Hin- und Her-Transport die Artothek-Kunden jeweils selbst organisieren müssen – einbezieht.