Von Anja Baumgart-Pietsch. Fotos Kai Pelka.
Kunst kann befreien, verbinden, entlasten, guttun. Nicht nur, wenn man sie anschaut, sondern auch, wenn man selbst tätig wird. Das geht prima in der zauberhaften „Villa Farbenfroh“. Hier hat Britta Grunwald in einem wunderschönen Haus seitlich der Biebricher Allee ihre kleine Malschule vor nun schon fünfzehn Jahren eröffnet.
Wirklich alles ist bunt, von den Stühlen über die Kaffeetassen bis zu den Wänden. Eine inspirierende Umgebung für Große und Kleine, Kreativität liegt in der Luft. Britta Grunwald hat sich schon als Schülerin für Kunst interessiert, aus rationalen Erwägungen schlug sie statt einem Kunststudium den Weg ins Marketing ein. Nach einigen Jahren merkte sie, dass ihr etwas fehlte, und sie stieg um: Weiterbildungen an der Frankfurter Malakademie, bei Arno Stern, der das Konzept der „Malorte“ entwickelte, beim Institut „Farbensatt“ in Wiesbaden und weiteren Orten ließen sie schließlich ein breites Angebot im Kellergeschoss ihrer Villa entwickeln.
Komplett aufs Tun konzentrieren
Dabei ist der „Keller“ keineswegs düster, sondern tatsächlich lichtdurchflutet, denn vor dem Fenster wurde großzügig ausgeschachtet. Der „Malort“ nach Arno Stern allerdings ist ein geschlossener Raum, denn hier soll man sich komplett auf sein Tun konzentrieren, erklärt Britta Grunwald. Hier steht eine Regenbogenfarben-Palette mit genau angeordneten Gefäßen und Pinseln in der Mitte des Raumes, die Wände sind mit buntem Packpapier bedeckt – auch das Fenster.
In diesem Ambiente sollen sich alle ganz spontan mit Pinsel und Farbe „ausleben“ können, und das auch nur für den Moment: Denn die Bilder bleiben dort, niemand bekommt sie zu sehen: Der Weg ist das Ziel. Es gibt kein „Produkt“, das in irgendeiner Form bewertet wird, erklärt Britta Grunwald. Erwachsenen fiele das anfangs schwer, Kinder könnten das besser. Aber auch bei erwachsenen Malort-Besuchern und Besucherinnen sei immer wieder eine Entwicklung feststellbar.
Malen ohne Absicht
Es tut einfach gut, sich so ganz absichtslos mit den – übrigens wunderbar nach Marzipan duftenden! – Farben von Arno Stern beschäftigen zu können. Die Gruppen sind altersgemischt, das wiederum ganz mit Absicht, erklärt Britta Grunwald, und zeigt Fotos eines kleinen Mädchens, das immer mehr Schnörkel auf immer mehr Blätter malte, bis die ganze Wand damit bedeckt war. „Sie kam einfach ins Schwingen.“ Das inspiriere dann auch die Älteren.
Es gibt aber auch anders konzipierte Kunstkurse, an jedem Tag und an vielen Abenden findet hier etwas statt. Ob Einzelstunden oder offenes Atelier, der monatliche „farbenfrohe Feierabend“, die Druckwerkstatt, Zeichnen, Collagieren und noch weitere Angebote: Hier gibt es für jeden Geschmack etwas. Und der Andrang ist groß, denn Britta Grunwald und ihre mittlerweile vier Dozentinnen und Dozenten arbeiten nur in Kleingruppen mit bis zu zehn Teilnehmenden. Deswegen werden Wartelisten geführt. Gebucht wird entweder mit monatlichem Abo oder Fünferticket.
Es gibt Ferienprogramme, Kita- und Schulbesuche, auch individuelle Termine arrangiert Grunwald, deren Alltag komplett im Zeichen der Farbe steht – natürlich malt sie auch selbst. Sie vermisse ihr „altes Leben“ im Marketing kein bisschen, sagt sie mit großer Überzeugung. Corona habe keine allzu große Lücke gerissen: „Wir galten als Schule und durften mit den entsprechenden Beschränkungen bald wieder öffnen.“ Die Kursteilnehmer hatten ihre Malstunden sehr vermisst und kamen sofort wieder.
Kinder stellen eigene Bücher her
Ein besonderes Angebot ist die „Buchkinder“-Gruppe: Hier können Kinder ab sechs Jahren ihr eigenes Buch herstellen, sowohl schreiben als auch illustrieren, drucken, binden. Die „Villa Farbenfroh“-Macherin zeigt einige Exemplare, die wunderschön gelungen sind, teils in Linolschnitt-Technik illustriert: Tiergeschichten und Fantasy-Stories, die sich die Kleinen selbst ausgedacht haben. Auch hier ist ihr wichtig, dass nichts bewertet oder korrigiert wird: Das Kind soll sich über sein eigenes Produkt einfach freuen dürfen. Es scheint ein großes Bedürfnis zu sein, den „Flow“ beim künstlerischen Tun zu finden. Und auch das ist ja eine Art Kunst, ganz unakademisch und ohne kommerzielle Ziele: Einfach mal den Geist befreien und im Moment sein.