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Grüner Townhall-Wahlkampf: Klimanotstand für Wiesbaden, 365-Euro-Ticket für Senioren

Die Bestuhlung reichte nicht aus, auch im Stehen verfolgten Interessierte die „Town Hall“-Wahlkampfveranstaltung der grünen OB-Kandidatin Christiane Hinninger gemeinsam mit Wirtschafts-, Verkehrs- und seit neuestem auch Bauminister Tarek Al-Wazir im bestens besuchten Studio ZR6. Das Besondere des Formats: Anstatt lange Wahlkampfreden zum Besten zu geben, stellen sich die Politiker*innen den Fragen des Publikums. Als Antworten gab es nicht nur Darstellungen tatsächlicher und vermeintlicher eigener Erfolge, sondern auch Ankündigungen mit echtem Newswert. Das beherrschende Thema: Klimaschutz, der nach Überzeugung Hinningers als Querschnittsthema künftig auch in der Stadtpolitik „immer und überall mitgedacht“ werden müsse.

„Wir werden in der nächsten Sitzung der Stadtverordnetenversammlung einen Antrag einbringen, in Wiesbaden den Klimanotstand auszurufen“, kündigte die OB-Kandidatin an. Nicht zuletzt im Zuge der „Fridays for Future“-Bewegung hat das Instrument des „Klimanotstands“ neue Zugkraft bekommen. Dahinter verbirgt sich die Idee, alle Maßnahmen unter Klimavorbehalt zu stellen. Anfang Mai 2019 rief Konstanz als erste deutsche Stadt auf Anregung der dortigen Fridays for Future-Bewegung den Klimanotstand aus, das Votum des dortigen Gemeinderates war einstimmig. Großbritannien als erstes europäisches Land und nun auch Irland haben den Klimanotstand ausgerufen. Eine aktuelle Petition hat zum Ziel, dass auch Deutschland den Klimanotstand ausruft. Klimanotstand-Vorhaben gibt es in Deutschland aktuell unter anderem in Osnabrück, Kleve, Mölln, Berlin, München – und nun auch in Wiesbaden.

365-Euro-Ticket für Senioren ab 1.1.2020

Während hier die Details und die Chancen auf eine Mehrheit noch offen sind – die nächste Sitzung der Stadtverordnetenversammlung ist am 23. Mai im Rathaus -, hatte Minister Tarek Al-Wazir eine handfeste News dabei: Das 365-Euro-ÖPNV-Ticket für Senioren in Hessen kommt. An diesem Montag wird es dazu eine Pressekonferenz gemeinsam mit dem RMV im Hessischen Landtag geben. Gültig sein soll das Ticket, das ÖPNV-Nutzung quasi für 1 Euro am Tag ermöglicht, ab 1.1.2020, der Verkauf soll am 1. November starten. Weihnachtsgeschenke für Oma und Opa seien so prädestiniert, witzelte der Minister. 1,3 Millionen potenzielle Kund*innen gebe es für dieses Ticket in Hessen, zusammen mit den bereits seit 2017 existierenden 365-Euro-Tickets für Schüler und Auszubildende stehe damit schon etwa der Hälfte der hessischen Bevölkerung ein 365-Euro-Ticket zur Verfügung, meinte Al-Wazir – und rechnete existierende Jobtickets für Mitarbeiter von Land und Kommunen noch gar nicht mit.

OB-Kandidatin Hinninger: Wohnungsfrage ist die soziale Frage dieses Jahrhunderts

Fragen zum angespannten Wohnungsmarkt – und nicht zuletzt auch hierzu auch Klimafragen – nahmen ebenfalls breiten Raum bei der Town Hall mit der OB-Kandidatin und dem Minister ein. Während sich Al-Wazir gegen Enteignungen aussprach, betonte er, wie wichtig für die Wohnungsfrage die gute ÖPNV-Anbindung von zum Beispiel Taunusstein und Bad Schwalbach oder auch neuer Wohngebiete an Wiesbaden sei. Würden diese verkehrstechnisch erschlossen, könne man auch den Wiesbadener Wohnungsmarkt entlasten. Hier spiele die CityBahn und in Verbindung damit die Reaktivierung der Aartalbahntrasse eine wichtige Rolle. Christine Hinninger ergänzte: „Die Wohnungsfrage ist die soziale Frage dieses Jahrhunderts. Mein Ziel ist es daher, eine Arbeitsgruppe „Wohnungsbau“ zu bilden, um für die dringende Fragen Lösungen und Konzepte zu erarbeiten.“ Die Arbeit der Dezernate müsse dafür enger verzahnt werden: Für eine wichtige Frage wie das Wohnen müssen die Dezernate für Liegenschaften, Wohnen und Verkehr zusammenarbeiten.“

„Wir müssen die Kompetenzen, die es in dieser Stadt gibt, nutzen. Für mich ist es daher auch wichtig, Frauen zu fördern“, betonte Christine Hinninger. „Auch ist schon viel damit getan, bestimmte Dinge anders zu denken. Dazu gehört für mich zum einen, dass es klare Ausschreibungen von Führungspositionen gibt und zum anderen, dass der Klimaschutz als Leitidee unseres gesamten Handelns gilt“, so die OB-Kandidatin weiter. „Global haben wir tatsächlich wenig erreicht“, gestand Al-Wazir auf die Frage nach dem Schutz vor Frustriertheit ein. Es könne aber nicht die Lösung sein, wie früher „mit dem No Future-Button herumzulaufen“. Auch wenige Menschen könnten viel erreichen: „Veränderung kommt von unten, Proteste wirken“, machte der Minister Mut, aktiv zu bleiben. Wenn etwa der Lufthansa-Chef auf der Jahreshauptversammlung „qualitatives anstatt quantitatives“ Wachstum anmahne, seien das Aussagen, die bis vor kurzem noch undenkbar erschienen.

Ob eine grüne Oberbürgermeisterin Christiane Hinninger in Wiesbaden denkbar ist? Tarek Al-Wazir hält den Ausgang der Wahl für völlig offen: „Wenn Christiane es in die Stichwahl schafft, ist anschließend alles möglich.“ (Text/Foto Dirk Fellinghauer)