Von Hendrik Jung. Fotos Arne Landwehr.
Ab heute bringt die 25. Ausgabe des Filmfestivals „exground“ wieder Kinofilme aus aller Welt nach Wiesbaden. 3.000 Produktionen aus 80 Ländern wurden dieses Jahr eingereicht. Der Schwerpunkt liegt aber auf einer Nation, die bislang nicht sonderlich im Fokus stand: Der Schweiz. Grund genug, nach Spuren Schweizer Lebens in Wiesbaden zu suchen.
Es ist kein Zufall, dass in diesem Jahr gleich zwei Wiesbadener Jubiläen mit Gästen aus der Schweiz gefeiert werden. „Oberbürgermeister Müller und der Schweizer Generalkonsul haben vereinbart die Schweiz in Wiesbaden präsenter zu machen“, erläutert die Leiterin des vor zehn Jahren ins Leben gerufenen Literaturhauses, Susanne Lewalter. Nach den Schweizer Literaten sind jetzt also zehn eidgenössische Langfilme sowie sieben Kurzfilme bei „exground“ zu sehen.
Gezeigt werden Arbeiten über das Leben der jungen Generation in allen drei Sprachräumen der Schweiz. Von einem Amoklauf über die Reise durch die Nacht eines frisch getrennten Paares bis zum Lebensalltag von Messies reicht das Spektrum. Aus einem ganz besonderen Grund wird der Spielfilm „Für Elise“ zu sehen sein: Hauptdarstellerin Jasna Fritzi Bauer, derzeit am Wiener Burgtheater, wurde 1989 in Wiesbaden geboren und hat ihre Karriere hier im Jungen Staatstheater begonnen. Erste Bühnenerfahrungen sammelte sie unter Regie von Sigrid Skoetz an der IGS Kastellstraße und im Walhalla Studio Theater. Die Wurzeln der Schauspielerin reichen aber auch in die Schweiz. Ihre Großeltern Hugo und Marianne Bauer (Foto) sind Eidgenossen, die seit 1960 in Wiesbaden leben.
„Fresspäckli“ aus der Schweiz
25 Jahre lang hat Hugo Bauer sich als Präsident des Schweizer Vereins in Wiesbaden engagiert. Gegründet wurde dieser 1922 als „Trutzbund gegen die französische Besatzungsmacht“, um sich gegen die Beschlagnahme von Geschäften und Wohnungen zu wehren. Die meisten Mitglieder hatte er nach dem Zweiten Weltkrieg, als es „Fresspäckli“ aus der Schweiz zu verteilen galt. „Da sind viele Leute aufgetaucht, von denen keiner wusste, dass sie Schweizer sind“, berichtet Hugo Bauer schmunzelnd. Heute trifft sich ein Teil der 45 Mitglieder monatlich zum Stammtisch. „Es ist ganz schön, wenn man seine eigene Sprache mal einen Abend lang sprechen kann“, berichtet die Künstlerin und Yoga-Lehrerin Christa Zehnder, die seit 22 Jahren in Wiesbaden lebt und arbeitet. Seit dem Zeitpunkt, an dem sie länger in Deutschland lebte, als in der Schweiz, verspürt sie das Bedürfnis nach einem solchen Austausch. Gemeinsam wird im Verein auch der Nationalfeiertag am 1. August begangen. Dann wird die Hymne gesungen und den Worten von Staatspräsident oder –präsidentin gelauscht. Denn es gibt jedes Jahr eine Rede, die auf CD aufgenommen und in alle Welt verschickt wird. Nicht exportierbar ist allerdings, was die 168 in Wiesbaden lebenden Schweizer offenbar am meisten vermissen: Ihre natürliche Umgebung.
Sehnsucht nach Seen
Entgegen den Erwartungen handelt es sich dabei nicht um die Berge, sondern die Seen. Christa Zehnder zum Beispiel ist am Züri-See aufgewachsen und muss nun notgedrungen mit Schwimmbädern vorlieb nehmen. Die in Taunusstein lebende Keramikerin Käthi Schmitz dagegen vermisst den Bielersee und die in Eltville lebende Inès Reitz den Genfer See. Sie ist eine von nur drei Vereinsmitgliedern, die aus der französischen Schweiz stammen. Außerdem schmerzlich vermisst: Die Geschmäcker aus der Kindheit. „Lebensmittel aus der Schweiz gibt es hier zwar unter demselben Namen, aber sie schmecken ganz anders“, bedauert Käthi Schmitz. Deshalb werden Ovomaltine, Toblerone oder Thomy-Mayonnaise eigenständig importiert. Original Schweizer Produkte wie Dole-Wein und Chäslis gibt es aber bei Butter Dauer in der Mauergasse. Hier wird auch eine Käsefondue-Mischung aus Appenzeller, Gruyère und Vacherin angeboten. „Sobald es kalt wird, wird sie von unseren Schweizer Kunden verlangt. Deutsche kommen eher zu Feiertagen wie Weihnachten und Silvester“, berichtet Manfred Schwarz. Grund zu feiern wird es auch im kommenden Jahr geben. Dann besteht die Städtepartnerschaft zwischen Wiesbaden und Montreux seit 50 Jahren. Gut möglich, dass dann noch einmal eine Reihe mit Lesungen von Autoren aus der französischen Schweiz ins Wiesbadener Literaturhaus kommt.
Nicht nur Schweizer Beiträge, sondern das volle exground-Programm unter
Unser 2x5-Interview mit exground-Festivalleiterin Andrea Wink findet Ihr hier.