Wenn er sich zu Wort meldete, hörten alle zu, ob sie seiner Meinung waren oder nicht. Nun ist eine so streitbare wie originelle und eigensinnige Stimme der Wiesbadener Kommunalpolitik verstummt. Dr. Michael von Poser, Gründer und Fraktionsvorsitzender der Bürgerliste Wiesbaden und Schriftsteller, ist gestern nach kurzer schwerer Krankheit im Alter von 73 Jahren verstorben. Dies gab die Bürgerliste-Fraktion heute bekannt.
Dr. Michael von Poser und Groß-Naedlitz, so sein vollständiger Name, war als Politiker nicht nur Quereinsteiger, sondern auch Querdenker. Als Flaneur alter Schule nahm er die Stadt, in der er 1941 geboren wurde und in die er 1979 nach Aufenthalten als Dozent zum Beispiel an der Universität London, dem deutschen Campus der Universität Stanford und an der Universität Edinburgh zurückkehrte, ganz besonders intensiv wahr. Und er konnte sich herrlich echauffieren, über das, was ihm missfiel, vor allem in Fragen der Stadtgestaltung und Architektur. Er beließ es nicht beim messerscharf formulierten Reden, sondern engagierte sich auch an vorderster Front in diversen Bürgerinitiativen. 1994 organisierte er einen Bürgerentscheid zum Dern´schen Gelände, auch in den Diskussionen um das Stadtmuseum und um die Windkraft auf dem Taunuskamm meldete er sich intensiv zu Wort.
2006 gründete Dr. von Poser die Bürgerliste Wiesbaden, deren Fraktionsvorsitzender er seither war. Seine pointierten, so geistreichen wie unterhaltsamen und floskelfrei formulierten Beiträge bereicherten manche Sitzung des Stadtparlaments und seiner Ausschüsse. Ob beim aufmerksamen Flanieren durch die Stadt und speziell „ihr“ Viertel, das Westend, oder bei öffentlichen Auftritten, war seine Frau, die „Stoffexpertin & Künstlerin“ Inge von Poser, stets eng an seiner Seite. Zusammen erschien das Paar in seiner an die Grenze zur Exaltiertheit zelebrierten Kultiviertheit manchmal ein wenig wie aus der Zeit gefallen und genau deswegen so wichtig und wohltuend für die heutige Zeit, in der all zu oft Mittelmaß und Angepasstheit regieren.
Mit Michael von Poser verliert Wiesbaden einen selten gewordenen Politikertypus, einen echten und ehrlichen „Typ“ mit Charakter, kompromissloser Orientierung an der Sache und Mut zu klarer Kante jenseits von parteitaktischen Spielereien oder persönlichen Animositäten.
Betroffenheit im Rathaus
Mit großer Betroffenheit und Trauer ist im Rathaus die Nachricht vom Tod des Stadtverordneten aufgenommen worden. „Dr. von Poser war ein echter ‚Schöngeist‘, der sich um die Stadtentwicklung und die Kultur in unserer Stadt außerordentlich verdient gemacht und der mit seiner brillanten Rhetorik auch in der Stadtverordnetenversammlung beeindruckt hat. Wir verlieren einen gebürtigen Wiesbadener, dem ‚seine‘ Stadt, deren natürliche Lebensqualität und deren reichhaltige bauliche Schönheit ganz besonders am Herzen lag und der sich vorbildlich in das Stadtgeschehen eingebracht hat“, würdigen Stadtverordnetenvorsteher Wolfgang Nickel und Oberbürgermeister Sven Gerich den Verstorbenen. „Unser tiefes Mitgefühl gilt seiner Ehefrau und seiner Familie. Wir wünschen den Angehörigen viel Kraft in dieser schweren Zeit. Wir werden sein Andenken in Ehren halten und niemals vergessen, was Dr. Michael von Poser für seine Heimatstadt Wiesbaden getan hat“, so der Stadtverordnetenvorsteher und der Oberbürgermeister.
(Dirk Fellinghauer / Foto Bürgerliste Wiesbaden)