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Innige Beziehung – mit Konsequenzen: WVV-Boss Schüler freigestellt – Was wird aus CDU-Fraktionschef Lorenz?

„Die größten Ereignisse, das sind nicht unsere lautesten, sondern unsere stillsten Stunden“. Dieses Friedrich Nietzsche-Zitat stellt das WVV Wiesbaden Holding-Geschäftsführer-Duo Ralph Schüler und Rainer Emmel seinem diesjährigen Weihnachtsgruß voran. Einem der Herren dürften nun unverhofft stille Stunden bevorstehen. „Um weiteren Schaden für alle Beteiligten zu vermeiden, wird Ralph Schüler mit sofortiger Wirkung als Geschäftsführer der WVV, der GWI und der WJW freigestellt.“ Diesen Beschluss hat der Magistrat der Landeshauptstadt Wiesbaden heute mittag gefasst – als Konsequenz aus der augenscheinlichen Verquickung der parallelen Tätigkeiten als Geschäftsführer stadteigener Gesellschaften und eigener Unternehmen sowie der offenbar innigen geschäftlichen Beziehungen mit CDU-Fraktionschef Bernhard Lorenz. Dieser wurde mit seiner Anwaltskanzlei von Schülers Unternehmen beauftragt, während er Schüler gleichzeitig als Aufsichtsrat städtischer Gesellschaften kontrollieren sollte. 

Der Magistrat hat in seiner heutigen Sitzung über die gegen den WVV-Geschäftsführer Ralph Schüler erhobenen Vorwürfe in einer mehrstündigen Sitzung beraten. Der Beschluss zur sofortigen Freistellung Schülers sei „nach einer ausführlichen Würdigung der internen Sachverhaltsermittlung der Landeshauptstadt Wiesbaden“ auf Antrag von OB Sven Gerich gefasst worden, heißt es. Den Stein ins Rollen gebracht hatte die umfassende Berichterstattung des Wiesbadener Kurier, der entsprechende Vorwürfe und Vorgänge erstmals Ende September öffentlich gemacht hatte.

Nach dem Magistratsbeschluss sei es nun Aufgabe der Aufsichtsräte der städtischen Gesellschaften WVV, GWI und WJW  – bei allen dreien fungiert Schüler als Geschäftsführer – über mögliche weitergehende Konsequenzen – gemeint ist die Entlassung – zu beraten. Diese Gremien sind laut Beteiligungskodex der Landeshauptstadt Wiesbaden sowie den jeweiligen Gesellschaftsverträgen für Geschäftsführerangelegenheiten zuständig sind. Die heute beschlossene Freistellung gelte daher so lange, bis die Aufsichtsräte eine finale Entscheidung getroffen haben. Die nächste turnusmäßige Aufsichtsratssitzung der WVV findet bereits an diesem Mittwoch, 12. Dezember, statt; für die Aufsichtsräte der GWI und der WJW sollen zeitnah Sondersitzungen anberaumt werden.

Das Schicksal von Ralph Schüler scheint also besiegelt. Und das von Bernhard Lorenz? Bleibt offen.Während über Schülers Zukunft als Angestellter der Stadt die entsprechenden Gremien entscheiden, liegt die Zukunft von Bernhard Lorenz als CDU-Fraktionschef, Stadtverordneter und vielfaches Aufsichtsratsmitglied in der Hand seiner Partei und Fraktion.

Lorenz zieht die Reißleine nur ein bisschen

Bisher gilt: Bernhard Lorenz zieht die Reißleine – ein bisschen. Der Kommunalpolitiker und Rechtsanwalt lässt, wie berichtet, sein Amt als CDU-Fraktionsvorsitzender sowie bedeutende Aufsichtsratsmandate in den städtischen Gesellschaften WVV, GWI und WJW ruhen. Ansonsten zeigt er keinerlei Anzeichen eines Bewusstseins,  im offenbar engen Verhältnis mit dem WVV-Chef und Unternehmer Ralph Schüler vielleicht irgendetwas getan zu haben, was man in seinen Funktionen und Positionen vielleicht besser lassen sollte – zunehmend schärferer und unmissverständlicher Kritik aus immer weiteren Kreisen der Politik, der Stadtgesellschaft und der Öffentlichkeit und Einschätzungen etwa des städtischen Rechtsamts zum Trotz. Rücktrittsforderungen kommen längst nicht mehr nur aus Reihen der Opposition, sondern auch aus der SPD, mit der man im Rathaus gemeinsam mit den bisher sehr zurückhaltenden Grünen eine „Kooperation“ bildet. Und inzwischen auch offen aus der eigenen Partei.

Rücktrittsforderungen aus der CDU 

Der CDU-Ortsverband Wiesbaden Nordost, immerhin der mit der größten Mitgliederzahl in der Stadt, fasste vor wenigen Tagen einen einstimmigen Vorstandsbeschluss, der sowohl Bernhard Lorenz (also CDU-Fraktionschef und Stadtverordneter) wie auch Ralph Schüler (in seiner Parteifunktion als CDU-Schatzmeister) zum sofortigen Rücktritt aufforderte. Die CDU-Fraktion im Rathaus steht dem Vernehmen nach bisher weiterhin treu zu Lorenz. Dieser hatte neulich im Beteiligungsausschuss Verteidigungsreden gehalten, die für großes Befremden gesorgt hatten. Vielleicht waren seine Verlautbarungen aber auch einfach für durchschnittlich irdisches Denken schwer nachvollziehbar. In seinem Kurzprofil beim hr-Video-Kandidatencheck zur Landtagswahl vervollständigte er den Satz „Wenn ich nicht Politik mache oder arbeite, dann …“ mit „… richte ich mich aus nach dem, der Ewigkeit hat: Jesus Christus.“

(Dirk Fellinghauer, Illustration Christian Weiß, Archivfotos Dirk Fellinghauer)

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Ein Bärendienst

Muss man als Politiker wirklich jedes sich bietende Geschäft tätigen? Ein Kommentar zur Causa Lorenz/Schüler von Falk Sinß.

Wiesbaden hat einen echten Skandal an der Backe – oder zumindest Vorgänge, die das Zeug zum Skandal haben.

Die Kanzlei des Fraktionsvorsitzenden der Wiesbadener CDU, Bernhard Lorenz, ist als externer Dienstleister mit der fachlichen Führung aller Innendienstmitarbeiter des Unternehmens Dipl. Kfm. Engelmann, Inhaber Tamara Stahnke und Ralph Schüler, betraut. Pikant an diesem Mandat: Schüler ist Geschäftsführer mehrerer städtischer Unternehmen, in denen Lorenz im Aufsichtsrat sitzt. Das heißt, Lorenz soll die Arbeit Schülers überwachen.

Ich kann und will nicht beurteilen, ob diese Konstruktion legal ist und ob sich Lorenz und Schüler rechtens verhalten haben. Darum geht es auch nicht. Denn der Schaden ist längst da. Das Vertrauen in die Politik, oder besser gesagt in den Politikbetrieb, ist sowieso schon auf einem Tiefpunkt. Wer bislang glaubte, dass Politik käuflich ist und die hessische Landeshauptstadt eigentlich Filzbaden heißen müsste, wird sich durch diese mögliche Verflechtung von privatwirtschaftlichen Interessen und stadtpolitischen Entscheidung bestätigt fühlen – zumal die geschäftliche Beziehung erst durch die Berichterstattung des Wiesbadener Kuriers offengelegt wurde. Bei vielen anderen Bürgern wird es das Vertrauen in die Politik zumindest nicht steigern. Dabei ist Glaubwürdigkeit einer der wichtigsten Eigenschaften, die ein Politiker haben kann.

Natürlich weiß ich auch, dass Wiesbaden ein Dorf ist, indem man sich zwangsläufig kennt. Und selbstverständlich darf ein ehrenamtlicher Politiker, als Privatperson Geschäfte tätigen. Er darf auch mit anderen Unternehmern befreundet sein. Aber: jede Stadt ist ein Dorf. Wer gesellschaftlich oder stadtpolitisch aktiv ist, läuft sich irgendwann über den Weg, das ist in Berlin nicht anders wie in Wiesbaden. Die Größe der Stadt zählt als Argument also nicht.

Und selbst wenn, bleibt trotzdem die Frage, ob man als Politiker wirklich jedes Geschäft tätigen muss, auch wenn es legal ist.

Vielleicht bin ich ein wenig altmodisch, aber wer ein politisches Amt innehat, hat eine Vorbildfunktion. Er ist nicht nur sich selbst, sondern auch den Bürgern verpflichtet. Und das heißt, dass man auf gewisse Geschäfte verzichten muss, wenn durch diese der Eindruck der Vetternwirtschaft entstehen könnte. Das ist der Preis, den ich als Politiker zahlen muss. Zumal es in Wiesbaden sicher genügend andere Kanzleien gibt, die den Innendienst von Schülers Unternehmen führen könnten. Und vermutlich hätte ein Verzicht auf den Auftrag, Lorenz‘ Kanzlei auch nicht in den Ruin getrieben. So aber haben beide der Glaubwürdigkeit von Politik einen Bärendienst erwiesen – unabhängig davon, ob ihr Verhalten rechtens war oder nicht.

2 responses to “Innige Beziehung – mit Konsequenzen: WVV-Boss Schüler freigestellt – Was wird aus CDU-Fraktionschef Lorenz?

  1. Der Kuffler – Pakt mit 4,3 % Umsatzpacht bezeichne ich als Gefälligkeit-Pakt und muss im ganzen beleuchtet bzw. recherchiert werden. Dieser Vorgang müsste jede Wirtschaft-Strafkammer aus dem Tiefschlaf wecken.

    1. Man darf gespannt sein, zu welcher Art von „Illustration“ und weiterführender Recherche dieser 4,3%-Deal den SENSOR veranlassen wird. Zu erwarten sind wohl weniger blutige Rottöne an Haupt und Händen des mit 1000-€-Scheinen ausstaffierten Mannes „mit der Fliege, der die Fliege macht“ oder sonnige Terrassen in St Tropez, sondern eher kühlere Blautöne zugunsten eines OB, der auch bei forcierter Exekution von Personalien in stürmischen Umfeld „cool“ bleibt ( https://sensor-wiesbaden.de/cdu-und-gruene-attackieren-gerich-wegen-kuffler-beziehungen-und-personalie-ob-bleibt-cool/). Dirk Fellinghauer, Spezialist für die Mache von Stimmungsbildern („… fühle Deine Stadt!“), bekennt Farbe und verabschiedet sich – jedenfalls in seinen Headlines – als Journalist …. Die Anmutungsschreibe (andere sprechen von Verdachtsberichtserstattung) des VRM-Verlags darf sich im SENSOR auch ästhetisch ausleben….

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