Seit es Smartphones und Tablets gibt, gibt es auch die so genannten „Apps“ – kleine Programme, die uns die schnellste Busverbindungen, die neusten Schlagzeilen und Restaurants, die billigsten Hotels liefern. Die uns das Leben damit schneller, effizienter, leichter machen wollen. Massenhaft Spiele in App-Form gibt es außerdem, meistens sind sie hektisch, laut und bunt. Der Wiesbadener Ex-Rokoko-Sänger Johann (Martin Mengden), die Offenbacher Gestalterin und HfG Absolventin Eva Münnich und Sebastian Sadowski, Interface-Designer aus Berlin und gebürtiger Wiesbadener, wollen dies ändern. Gemeinsam verfolgen sie die Idee, ein interaktives Musikvideo zu dem Lied „So ein Glück“ von Johann – das Debütalbum erscheint im Frühjahr 2014 – zu gestalten. Und sich dafür der App-Technik zu bedienen, deren besondere Möglichkeiten zweckzuentfremden. Sie setzen dafür auf Crowdfunding – und hoffen auf den Sieg bei einem Wettbewerb. 3 Tage bleiben noch.
„Das Lied ist ruhig und getragen, wirkt beinahe wie ein Wachtraum, dementsprechend wird auch dessen visuelle Umsetzung in Gestalt eines Musikvideos gemächlich und traumhaft ausfallen“, sagt Eva Münnich, die Gestalterin. „Wir benutzen die App-Technik bei unserem Video sozusagen als trojanisches Pferd, wir entschleunigen sie, befreien sie von all ihrer profanen Nützlichkeit und füllen sie mit Poesie“, ergänzt Mengden. Sollte dies gelingen, könnte es die App-Szene um eine unkonventionelle Ebene bereichern.
Video wächst mit zunehmender Nutzung
Wie soll man sich den interaktiven Teil der Musikvideo-App vorstellen? Welche besonderen Möglichkeiten bietet die App-Technik für die künstlerische Visualisierung von Musik? „Klassische Musikvideos sind statisch und unveränderbar, man bleibt immer passiver Betrachter“, so Sebastian Sadowski, der Programmierer. Gestaltet man ein Musikvideo mithilfe der App-Technik, muss das nicht länger der Fall sein: Das Video kann tagsüber anders aussehen als nachts. Der Zufall kann einbezogen werden und Elemente des Videos ändern. „Außerdem, und das ist der spannendste Teil, kann das Verhalten des Nutzers einbezogen werden“, berichtet Münnich. „Der Nutzer kann im Video eine Spur hinterlassen, die spätere Betrachter des Videos sehen. Dadurch wächst das Musikvideo mit zunehmender Nutzung.“ Die drei machen das aber nicht allein deshalb, weil es technisch möglich ist. Sie verfolgen künstlerische Zwecke: im Song zum Video geht es um die Wahl, die man als Mensch im Leben hat. Diese Wahl wird im Video zum Wal, der immer wieder auftaucht. Jeder Nutzer soll solch einen eigenen Wal zugewiesen bekommen und dessen Aussehen beeinflussen können. „So geistert dieser eigene Wal durch das Video und wird, so viel können wir vielleicht schon sagen, an einer Stelle der Geschichte des Videos stranden, an einer Stelle, an dem die Wale der vorigen Nutzer ebenfalls gestrandet sind“, verrät Mengden. So treffen die Nutzer im Video auf spezielle Weise zusammen.
Crowdfunding im Ideenwettbewerb
Die Musikvideo-App soll später kostenlos verfügbar sein. Damit sind die drei Macher auf alternative Finanzierungsmodelle angewiesen. „Das Projekt ist kein Marketing-Gag, wir forschen daran, weil es uns interessiert und weil wir etwas Neues, Poetisches erschaffen wollen“, stellt Mengden klar. Sie wurden sie mit ihrer Idee für den „»Moving Picture Innovators“ Ideenwettbewerb ausgewählt. Das hessische Wirtschaftsministerium suchte gemeinsam mit der B3 Biennale des bewegten Bildes Menschen und Projekte, die auf innovative Weise Geschichten erzählen oder Anwendungen kreieren. In diesem Zusammenhang findet jetzt ein Crowdfunding für das Projekt statt. Das Projekt mit den meisten Unterstützern gewinnt. Um Unterstützer zu gewinnen, hat Münnich eine kleine Kollektion entworfen: Postkarten, Plakate, Taschen und andere Objekte, die mit Fabelwesen aus der Welt ihres Musikvideos bedruckt sind, erhält man als Gegenwert für die Unterstützung des Projekts. Denn die drei sind sich in einem sicher: spenden sollte man nur an Hilfsorganisationen.
Unterstützung sowie weitere Informationen unter: www.startnext.de/johann-app