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Kohle trifft Sinn – Wie Wiesbadener Jüngstunternehmer mit ihren Geschäftsideen etwas bewirken wollen

Von Julia Bröder. Fotos Samira Schulz.

Sie sind jung und … brauchen nicht nur das Geld, sondern wollten auch etwas erreichen und bewirken: Wiesbadens Jüngstunternehmer und ihre Ideen.

Angefangen hat alles mit einem Nebenjob bei einem großen Sportartikelhersteller. Levi Teufel wollte sich neben der Schule etwas dazuverdienen. Als leidenschaftlicher Sportler, so dachte er, wäre das doch passend. Allerdings merkte er schnell, dass er so nicht arbeiten wollte: Die großen Mengen an Müll, die jeden Tag in der Filiale anfielen, störten ihn. „Außerdem fühlte es sich einfach nicht richtig an, einer Tätigkeit nachzugehen, in welcher, bis auf etwas Geld zu verdienen, kein Sinn liegt.“

Skateboard als Dienstfahrzeug

Levi Teufel wollte sein eigener Chef sein – und ließ sich mit 16 Jahren vom Familiengericht für voll geschäftsfähig erklären. Seine Idee: Ein Netzwerk für die Verteilung von Flyern, das jungen Menschen einen selbstbestimmten Nebenjob ermöglicht. Das Unternehmen agiert nachhaltig, indem es aufs Auto verzichtet und stattdessen auf Skateboards und Fahrräder setzt.  Außerdem gilt: Keine Verteilung in Privathaushalte, darunter leide die Effizienz.

Seit dem Start im März 2022 hat sich der Jungunternehmer mit „Spread“ nicht nur einen Pool an gut zwanzig Flyer-Verteilern aufgebaut, die er, wie er findet, zu einem fairen Preis bezahlen kann. Er hat auch genug verdient, um in ein E-Bike zu investieren, sich selbst ein Gehalt zu zahlen und in soziale Projekte wie den Aufbau eines Wasserspenders auf dem Calisthenics-Trainingsgelände am Schlachthof zu investieren, der am Samstag, dem 6. August, um 17 Uhr mit einer kleinen Feier eingeweiht wird. Wie er all das gemacht hat?

Analoges in digitalen Zeiten

Sicherlich spielte dem Wiesbadener Jüngstunternehmer die Zeit in die Karten – nach zwei Jahren Corona begannen Veranstalter von Kultur-Events, wieder Werbung zu machen. Cafés und andere Auslageorte öffneten wieder sind bereit, diese auszulegen. Gerne künftig auch in dem von Spread selbst designten und produzierten Ständer – mit Extra-Platz für sensor.

„Wir sind gerne draußen. Außerdem sind Flyer etwas Haptisches, etwas das man anfassen und mit nachhause nehmen kann“, so Levi Teufels Erklärung für sein bewusst – und für seine Generation ungewöhnliches – analoges Geschäftsmodell, das aber, so betont er, keine Ablehnung gegenüber digitalen Technologien sei. Gerade hat er seinen Realschulabschluss gemacht, in drei Jahren soll das Abitur folgen. Nur für den Fall, dass er einmal studieren möchte – zum Beispiel Psychologie. Denn fest steht für ihn: „Ich werde auf jeden Fall Unternehmer bleiben – „ein Lebensgefühl, welches ich nicht mehr missen möchte.“

Hauptschüler gründet mit 16 Marketingagentur

Einen anderem Weg hat Fynn von Kutzschenbach eingeschlagen. Ein Wiesbadener, der im vergangenen Jahr viel Medienaufmerksamkeit erhielt, weil er mit 16 seine Ausbildung schmiss und sich, nicht mehr als den Hauptschulabschluss in der Tasche, selbständig machte. Mit einer Marketingagentur, in der er heute acht Mitarbeiter:innen beschäftigt und Projekte für zahlreiche Kunden umsetzt. „Die meisten Menschen waren damals einfach neugierig“, berichtet der heute 17-Jährige.

Viele fragten ihn – „weniger wegen meiner Expertise als wegen meiner Meinung an, das hat mich in meiner Gründungsphase bestärkt“. Aktuell arbeitet er – an Erfahrung und Wissen gewachsen – mit drei Partnerfirmen an einem Digitalkonzept für Schulen, unter anderem inklusive Amokalarm und virtuellem Sekretariat, das im Herbst als Pilot an seiner ehemaligen Schule, der „Werner von Siemens“, starten soll. Sicher sei er näher dran an dem Thema als ältere Unternehmer. Persönlichen identifizieren kann er sich damit aber nicht. „Ich verstehe nicht, wie die derzeitige Generation Z tickt“, so Fynn von Kutzschenbach. Ihm ist es wichtig, als vollwertiger Unternehmer gesehen zu werden – „nebenbei“ weiterhin zur Schule zu gehen, ist für ihn keine Option.

Es gilt als Manko im deutschen Schulsystem, dass Gründung und Unternehmertum hier kaum eine Rolle spielen. An der Helene-Lange-Schule, sagt Levi Teufel, habe er gelernt, seine eigenen Ideen gut zu präsentieren und frei zu sprechen. Wissen zu Wirtschaft oder Psychologie hätten ihm aber definitiv gefehlt. Umso bemerkenswerter ist es, wenn einzelne Schulen versuchen, diese Lücke zu schließen. So war Isabelle Josimov gerade einmal 13, als sie zur Unternehmerin wurde.

Besser als jede Unterrichtsstunde

Als Siebtklässlerin war sie das jüngste Gründungsmitglied von „Green Leibniz“, einer Genossenschaft, die Ende 2019 am Leibniz-Gymnasium entstanden ist – als die erste Schülergenossenschaft Hessens.  „Was ich hier gelernt habe, ist besser als jede Unterrichtsstunde“, sagt Isabelle. Begonnen hat alles auf Initiative eines PoWi-Lehrers, dennoch liegt die Verantwortung für das Business komplett bei den Schülern: vom Geschäftsmodell über die Marktanalyse bis zur Präsentation vor möglichen Kooperationspartnern und dem Erstellen einer Website. Die Idee von „Green Leibniz“: Ein Lieferservice für Blumenkästen, der dazu beitragen soll, dass Wiesbaden grüner wird. Mittlerweile hat „Green Leibniz“ rund 100 Mitglieder und vertreibt auch Insektenhotels und Samenbomben. Der Fokus liegt auf nachhaltigem und werteorientierten Handeln – und damit auf Aspekten, die zu den wichtigsten Basics im Unternehmertum der Zukunft gehören dürften. (Ausführlicher Beitrag über „Green Leibniz“ folgt auf www.sensor-wiesbaden.de)