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Kolumne: Falk Fatal im Wandel der Zeit

Das Jahr neigt sich dem Ende zu. Der Herbst geht, der Winter kommt. Die Welt wandelt sich. Permanent. Das Ende der Geschichte ist nicht in Sicht. Selbst wenn das 1991 manchen so schien. Da lag der größte Wandel der jüngeren Weltgeschichte gerade einen Wimpernschlag zurück. Der Kommunismus war am Ende, überall sprossen kleine Demokratien hervor. Das Konzept der Autokratie schien seine beste Zeit hinter sich zu haben. Doch dabei hatte nur der Kapitalismus gesiegt. Blühende Landschaften stellten sich in den jungen Demokratien selten ein, und so verrotten viele wieder.

Etwas zeitversetzt kam das Internet und revolutionierte die Kommunikation. Die Demokratie, die sich in der realen Welt nicht überall verwirklichen konnte, war und ist hier noch existent. Fast jeder kann mit fast jedem überall auf der Welt in Echtzeit interagieren. Zu jedem Thema, zu jeder Leidenschaft, zu jeder Neigung. Im Netz findet man Gleichgesinnte. Dieser Kommunikationswandel, dass jeder gleichzeitig Sender und Empfänger sein kann, war vermutlich ähnlich einschneidend wie die Erfindung des  Buchdrucks oder des Radios.

Gleichzeitig digitalisiert sich die Welt. Künstliche Intelligenz ist keine Zukunftsvision mehr, sondern Realität. Science Fiction wird langsam Wirklichkeit. Auch die Gesellschaft wandelt sich. Frauen lassen sich nicht mehr alles gefallen und fordern auch die gesellschaftliche Gleichberechtigung ein. Minderheiten schaffen sich Gehör, werden sichtbar und wollen als selbstverständlicher und gleichberechtigter Teil der Gesellschaft wahrgenommen werden. Die Welt wird transparenter und vielfältiger. Und das ist gut so!

Die Welt wird damit aber auch komplizierter. Die binäre Weltordnung ist nicht mehr
existent – was insofern ironisch ist, da die Welt immer mehr von Binärcodes bestimmt
wird. Viele Menschen kommen mit diesem Wandel nicht klar. Sie sehnen sich nach Damals, als alles angeblich besser war. Das war es natürlich nicht, doch die Vergangenheit verklärt sich schnell. Rattenfänger, die eine Wiederauferstehung der guten, alten Zeit versprechen, sind plötzlich wieder sexy. In den USA, auf den Philippinen, in Brasilien, Russland, Ungarn, Polen oder Italien sind sie wieder an der Macht, im Nahen und Fernen Osten immer noch. In anderen Staaten haben sie enormen Zulauf – auch in Deutschland. Dort sind sie mittlerweile im Bundestag und in allen 16 Landesparlamenten vertreten sowie in den meisten Kreisparlamenten. Gleichzeitig nimmt die Zahl der Demokratien weltweit wieder ab.

Die Welt ist im Wandel, alte Gewissheiten sind passé, alte Lorbeeren sind mittlerweile
unbequem, darauf Ausruhen ist nicht mehr. Wenn die Welt nicht wieder werden soll, wie sie einmal war, müssen sich auch die Freunde der Demokratie wandeln. Nur dann wird die offene Gesellschaft weiter bestehen bleiben.

Mehr Falk Fatal: fatalerror.biz

Illustration: Marc „King Low“ Hegemann