„Die Zukunft hört nicht auf, uns zu faszinieren, besonders am Anfang eines neuen Jahres”, wusste schon Georg Kreisler, und vielleicht gab die Stadt Wiesbaden genau deshalb zum Jahresbeginn bekannt, dass Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende eine Veranstaltungsreihe zur Zukunft Wiesbadens initiiert hat. Immerhin hat OB Mende damit Einstein einiges voraus. Der bekundete angeblich, nicht an die Zukunft zu denken, weil sie sowieso früh genug komme.
„Wiesbaden2030 – Zukunftsdialog des Oberbürgermeisters“ heißt die Veranstaltungsreihe. Spötter würden sagen, Wiesbaden2030 klingt ähnlich ambitioniert wie seinerzeit Stuttgart21, aber ganz unrecht hätten sie nicht. Die deutsche Bürokratie zögert Zukunft gerne so lange hinaus, bis die Gegenwart sie überholt hat. Seit wie vielen Jahren wird über die Zukunft des Walhallas diskutiert? Wie viele Zukunftskonzepte wurden in dieser Zeit verschlissen?
Über Zukunft reden kann frustrierend sein, vielleicht auch, weil sie nicht immer hält, was wir uns in der Vergangenheit von ihr erhofft hatten und wir nicht erneut enttäuscht werden wollen. Aber ich wage trotzdem den Blick in die Zukunft.
Im Wiesbaden des Jahres 2030 ist die Innenstadt aufgeblüht, im wahrsten Sinne des Wortes: weniger Beton, dafür mehr Grün. Die Fußgängerzone ist auch nach Geschäftsschluss ein Ort, an dem das Leben pulsiert. Restaurants, Cafés, gemütliche Bars, Kleinkunstbühnen und Galerien haben sich neben etablierten Einzelhändlern angesiedelt und laden zum Verweilen ein, während sich im alten Kaufhof die Jugend trifft. Das Gebäude wurde in einen Jugendclub umgewandelt und bietet nun für Jugendliche erschwingliche Sport- und Kulturangebote.
Erschwinglich sind mittlerweile auch wieder viele Mietwohnungen. Die Umwidmung leerstehender Gewerbeimmobilien, Neu- und Umbauten bestehender Häuser sowie Steuererleichterungen für Vermieter haben die Preise für Wohnraum so weit gedrückt, dass viele Menschen wieder mehr Geld zur Verfügung haben, dass sie dann an anderer Stelle ausgeben.
Die größte Leistung, die die Stadt Wiesbaden aber vollbracht hat: Sie hat es geschafft, den Autoverkehr in der Innenstadt deutlich zu reduzieren. Geholfen haben dabei verschiedene Maßnahmen. Zum Beispiel eine Umgehungsstraße, die den Verkehr aus dem Taunus nicht durch die Stadt führt, sondern an ihr vorbei. Ein gut funktionierender und auch in den Vororten eng getakteter ÖPNV sowie immer mehr Bürger, die mit den immer preiswerter werdenden E-Bikes durch die Stadt sausen, haben ihr Übriges getan.
Klingt utopisch? Ist es vermutlich auch angesichts der trüben Gegenwart. Aber es hilft ja nichts. Da müssen wir durch. Oder wie Theodor Herzl es ausdrückte: „Der Weg in die Zukunft muss durch das Elend führen.“
Mehr Falk Fatal: “Saure Äppler im Nizza des Nordens – 100 sensor-Kolumnen”, Edition subkultur, ISBN: 978-3-948949-24-2
Eine neue Umgehungsstraße als Zukunftsvision 2030? Echt jetzt?
Auch in sieben Jahren und darüber hinaus wird es noch Autos geben.