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Konzept schlägt Kohle: Ideen vor bei der Vergabe von Baugrundstücken – funktioniert das?

Caroline Holzer ist hauptamtliches Vorstandsmitglied der Genossenschaft Z.WO.

Von Hendrik Jung. Fotos Samira Schulz.

Die Vergabe von Baugrundstücken läuft nach Höchstpreis. Bei einem neuen Verfahren zählen hingegen die besten Ideen. Und ein langer Atem.

„Wir wollen Akteure fördern, die im Preiswettbewerb keine Chance haben. Auf ausgewählten Grundstücken möchten wir höchste Qualität anstatt des höchsten Preises“, erklärt Annette Erpenstein von der Geschäftsstelle Konzeptverfahren im Wiesbadener Stadtplanungsamt die Idee eines neuen Angebots der Landeshauptstadt.

Der Anstieg der Bodenrichtwerte wird in den vergangenen beiden Jahren in Wiesbaden auf durchschnittlich 20 Prozent beziffert. Diese Entwicklung macht es schwierig, Baukonzepte umzusetzen, die nicht auf eine Vermarktung zum Höchstpreis ausgelegt sind. Konzeptverfahren jedoch ermöglichen die Vergabe von Grundstücken nach nicht-monetären Kriterien. Den Grundsatzbeschluss hierzu fassten die Stadtverordneten bereits im Oktober 2019. Ihr Beschluss im Dezember 2021 zu den konkreten Vergabekonditionen für ausgewählte Grundstücke in Bierstadt-Nord lieferte den Startschuss für die ersten vier Konzeptverfahren in Wiesbaden – gerichtet an jeweils unterschiedliche Zielgruppen.

Kostengünstig für Familien

Auf dem Grundstück, für das Interessierte sich bisher bewerben konnten, soll kostengünstiges Wohneigentum für Familien und Lebensgemeinschaften mit Kindern entstehen, die bisher über kein eigenes Wohneigentum verfügen, jedoch die Kriterien zur Eigentumsförderung des Landes Hessen für untere und mittlere Einkommensgruppen erfüllen. Zu den qualitativen Anforderungen an eingereichte Konzepte gehören etwa aus der vorgegebenen Energie-Effizienz, ein recyclingfähiger Rückbau nach Ablauf der Nutzungsdauer des Gebäudes oder einer hochwertigen Gebäudegestaltung, für welche innovative Ansätze zur Minimierung der Baukosten geprüft werden sollen.

Gremium trifft Auswahl

Nach einer Vorauswahl durften maximal fünf Bewerber ihre Konzepte einem Auswahlgremium aus Vertretern der Geschäftsstelle und des Bau- sowie Wohndezernats präsentieren. Für die Umsetzung wird ein Erbpachtvertrag auf 66 Jahre geschlossen, der in den ersten 20 Jahren zunächst einen reduzierten Erbpachtzins von einem Prozent des Verkehrswerts aufweist.

Im Laufe des Jahres sollen zwei weitere Grundstücke in Bierstadt-Nord nach dem Konzeptverfahren vergeben werden. Hier lauten die Zielsetzungen „Gemeinsam älter werden“ sowie „Entwicklung eines Quartierszentrums“.

In Mainz geht´s schneller

Bis Grundstücke auf dem ehemaligen Gelände der Carl-von-Ossietzky-Schule nach dem Konzeptverfahren vergeben werden, können noch zwei Jahre ins Land ziehen. „Aber wir möchten gerne jetzt schon Ideen aufnehmen. Das ist für den Planungsprozess hilfreich“, erläutert Annette Erpenstein. Ursprünglich für das Konzeptverfahren angedacht war auch die Vergabe von Flächen im Bereich Kastel Housing.

„Darauf würden wir uns auf jeden Fall bewerben“, sagt Carolin Holzer. Im Gegensatz zu Bierstadt-Nord gebe es dort nämlich das urbane Umfeld, das die rund 130 Mitglieder ihrer eingetragenen Genossenschaft Z.WO für ein möglichst autofreies Wohngebiet suchen. Holzer ist hauptamtliches Vorstandsmitglied bei Z.WO.

Mit ihrem ersten gemeinschaftlichen Wohnprojekt ist die 2018 mit elf Leuten gestartete Gruppe, die ihre Vision als „Zusammen wohnen, Zusammen feiern und Zusammen eine lebenswerte Umgebung mit netten Menschen haben“ beschreibt, unterdessen ins Mainzer Heiligkreuz-Viertel ausgewichen. Der einfache Grund: Dort war die Umsetzung früher möglich als in Wiesbaden. In Mainz baut die Genossenschaft derzeit 36 Wohneinheiten, die Ende 2023 bezogen werden sollen.

Über das Wohnen hinaus

Im Investitionsvolumen von 14 Millionen Euro enthalten sind dort auch Räume für Café und Coworking-Space. Zu den künftigen Bewohnern wird eine Gruppe junger Erwachsener mit Beeinträchtigungen gehören, in Kooperation mit der Investitions- und Strukturbank Rheinland-Pfalz entsteht auch geförderter Wohnraum. „Mit dem Bau eines Einfamilienhauses hat das nichts zu tun. Man braucht einen langen Atem. Allein die Baugenehmigung dauert Monate“, berichtet Carolin Holzer aus Erfahrung.

Auf die Beratung von gemeinschaftlichen Wohnprojekten spezialisiert hat sich das Wiesbadener Unternehmen fipa Finanzierungspartner GmbH. „Viele Gruppen versuchen zu Beginn, Kosten bei Beratern zu sparen und informieren sich bei bestehenden Projekten. Allerdings ist jede Gruppe anders und benötigt ein eigenes abgestimmtes Konzept“, schildert Geschäftsführer Joachim Schuberth, der bereits diverse Projekte im ganzen Bundesgebiet begleitet hat.

So sei es etwa bei der Wahl der Rechtsform wichtig, die Auswirkungen auf die jeweilige Gruppierung zu verstehen. Bei Wohneigentümergemeinschaften gehe es in der Regel deutlich weniger um den Gemeinschaftsgedanken als bei der Gründung einer Genossenschaft. Dass es jetzt auch in Wiesbaden die Möglichkeit zur Vergabe von Grundstücken nach dem Konzeptverfahren gebe, sei wichtig. „Über die Jahre haben wir viele Gruppen verloren, weil es kein Angebot gab“, verdeutlicht Joachim Schuberth.


Weiterlese- und Veranstaltungstipp: Ideen-Werkstatt Wohnen der Zukunft

Wo und wie?

Um Projekte gemeinschaftliches Wohnen in Wiesbaden zu unterstützen, gibt es die Koordinierungsstelle für Wohninitiativen und Baugemeinschaften. Heidi Diemer ist erreichbar unter der 0611/ 77808-51 oder per Mail: wohninitiativen@seg-wiesbaden.de

Die Geschäftsstelle Konzeptverfahren ist erreichbar unter 0611 / 31-6471 oder per Mail:  konzeptverfahren@wiesbaden.de

Ausführliche Infos und der aktuelle Stand der Dinge: www.wiesbaden.de/konzeptverfahren