Von Dirk Fellinghauer (Text und Fotos).
„Wenn das Haus Obere Webergasse 43 nicht als Theater umgebaut wird, besteht die große Gefahr, dass 2025 das 20. Jubiläum des freien Theaters gleichzeitig seinen Tod bedeutet“. Die Worte, die kuenstlerhaus 43-Theatermacher Wolfgang Vielsack neulich an die Mitglieder des Ortsbeirats Mitte richtete, klangen dramatisch. Und sie klangen nicht übertrieben. Und die Causa Obere Webergasse 43 klingt nach einer äußerst unglücklichen Geschichte.
Im Schnelldurchlauf geht sie in etwa so: Nachdem vor Jahren in einer Machbarkeitsstudie sowohl Sanierungsbedarf wie auch Zukunftspotenzial in dem 1870 errichteten Bau festgestellt worden war, vereinbarte die Stadt im Januar 2021 per Magistratsbeschluss mit dem Eigentümer den Umbau sowie die Absicht, dem freien Theater per Erbpachtvertrag eine Zukunftsperspektive zu sichern. Der Auszug aus der Oberen Webergasse war als ein temporärer gedacht, im Oktober 2022 wurde bester Dinge die Eröffnung der Ausweichspielstätte im Palasthotel am Kranzplatz gefeiert – mit dem Plan, nach erfolgter Sanierung in einigen Jahren wieder zurückzuziehen in die Heimat-Spielstätte im Bergkirchenviertel.
Steuergelder und Perspektive futsch!?
Nach dem Tod des Eigentümers im November 2023 wollten die Erben das Haus in der Oberen Webergasse verkaufen, bevorzugt an die Stadt zur Realisierung des geplanten Umbaus. Erhebliche Differenzen zwischen dem Kaufpreis-Angebot der Stadt und den Verkaufspreis-Potenzialen auf dem freien Markt führten dazu, dass die Erbengemeinschaft die Immobilie kürzlich an einen privaten Eigentümer verkaufte. Der bereits eingereichte Bauantrag wurde daraufhin seitens der Stadt wieder zurückgezogen.
Fatale Folge: Nicht nur bereits angefallene Planungskosten in Höhe von 378.000 Euro sind damit futsch, sondern auch die Zukunftsperspektive für das kuenstlerhaus43 in der Oberen Webergasse. Als sich der Ortsbeirat Mitte Ende September mit der Thematik befasste – das Gremium tagte passenderweise im kuenstlerhaus43-Ausweichquartier im Palasthotel – sprach nicht nur Kulturamtsleiter Jörg-Uwe Funk von einer „wirklich sehr schwierigen Situation“.
Neuer Eigentümer offen für Theaternutzung
Einen letzten Silberstreifen gibt es nun noch am Horizont. Ein bestens vernetzter Strippenzieher, dem nach eigenen Aussagen vor allem an dem Vermächtnis des verstorbenen Eigentümers gelegen ist, hat dem Vernehmen nach Gespräche zwischen Kulturamt und neuem Eigentümer vermittelt. Letzterer sei entgegen seiner ursprünglichen Vorhaben, aus der Immobilie ein Wohnhaus zu machen, grundsätzlich bereit, das Haus wie geplant für eine Theaternutzung umzubauen. Er könne dies als privater Bauherr nach neuen Schätzungen auch für maximal der Hälfte der bisher unter städtischer Regie kolportierten rund 6 Millionen Euro Sanierungs- und Umbaukosten realisieren.
Spekulation über Gründe für Ausstieg der Stadt
Dieser Betrag könnte Unkenrufen zufolge auch ein Faktor für die Entscheidung des Kulturdezernats zum Stopp des Projektes gewesen sein. In der Ortsbeiratssitzung sprach Frank-Julian Lube von der FDP aus, was auch anderswo gemunkelt wurde: „Der Verdacht ist eher: Die Kosten für die Sanierung sind insgesamt zu hoch, also lassen wir es halt an dem Dissens über den Kaufpreis scheitern.“ Lube bemerkte auch, dass der Anteil des Kaufpreises, also auch in der von den Eigentümern erwarteten Höhe, an den Gesamtprojektkosten vergleichsweise gering gewesen sei.
Was auch immer die wahrend Gründe sind, niemand bestreitet die fatalen Folgen für die Institution der freien Theater- und Kulturszene in Wiesbaden. Mehrfach wurden die Verdienste und die Bedeutung des kuenstlerhaus43 nicht nur als Kulturstätte, sondern auch für das Viertel und die Stadtentwicklung insgesamt betont.
Schnelle Entscheidung gefragt
Um sich auf einen Umbau zum Theaterhaus einzulassen, brauche der neue Eigentümer, so ist zu hören, nun klare Aussagen, mit welchen Mieteinnahmen er im Rahmen eines langfristigen – Zeitraum mindestens 20 Jahre – Mietvertrag kalkulieren könne. Hier ist wieder die Stadt am Zug. Die Zeit läuft, der Bauherr will – so oder so – zügig loslegen.
Auch in der Kulturbeiratssitzung heute im Rathaus (18 Uhr, Raum 301, Interessierte willkommen) steht das Thema auf der Tagesordnung.