Die Diskussion um das mögliche künftige Stadtmuseum Wiesbaden – nicht zu verwechseln mit dem benachbarten Landesmuseum Wiesbaden – läuft auf Hochtouren, am Mittwoch kommen nun Fachleute zusammen und zu Wort. Der Gestaltungs- und Denkmalbeirat berät am Mittwoch, 4. Juni, ab 14 Uhr im Rathaus Wiesbaden über den vorliegenden Entwurf des Architekten Helmut Jahn. Das dürfte spannend werden. Die öffentliche Sitzung im Raum 22 des Rathauses ist für alle Interessierten frei zugänglich. Der siebenköpfige Gestaltungsbeirat „hat die Aufgabe, ausgewählte Bauvorhaben im Hinblick auf gestalterische, denkmalpflegerische sowie architektonische und städtebauliche Qualitäten zu überprüfen und zu beurteilen“.
sensor hatte direkt nach der Präsentation seine Leser online und via facebook gefragt, was sie vom Entwurf des in Chicago ansässigen 74-jährigen Architekten Helmut Jahn für das Stadtmuseum halten, das der Investor OFB auf dem Areal am Anfang der Wilhelmstraße bauen will:
„Und wieder eine grüne Wiese geopfert für ein so unnötiges, unschönes Dingsda… Das passt überhaupt nicht dahin!“ – „Als ich hier nach Wiesbaden kam, war ich angetan von den alten Gebäuden, fand, dass das die Stadt ausmacht. Und dann soll sowas hingeklatscht werden, weil der Architekt einen Namen hat? Ja, das haben wir natürlich schon immer hier gebraucht! Es passt nicht ins Stadtbild, es passt nicht zu Wiesbaden.“ – „Nur weil der Architekt bekannt und aus den Staaten kommt, bin ich nicht direkt für die Umsetzung eines neuen Glasklotzes. Man sollte sich nicht erneut von der Argumentation lenken lassen, dass die Erhabenheit der umstehenden alten Gebäude (Landesmuseum) mit einem solchen Bau besser zur Geltung kommt.“ – „Was sagen denn die Leute vom Museum Wiesbaden dazu – würde mich interessieren …“ –
„Skandal erster Güte“
„Das ist doch `ne schlechte Kopie der hässlichen Rhein-Main-Halle. aber für Wiesbaden ist natürlich nur der Name des Architekten wichtig.“ – „Eigentlich denkt man zunächst, es handele sich um einen verspäteten Aprilscherz. In keiner Stadt in diesem Lande ist es möglich, dass ein Investor der Stadt einen Architekten samt Museum, ohne öffentlichen Wettbewerb, präsentiert. In keiner Stadt gäbe es darüber eine derart freudige Zustimmung der Politiker wie in Wiesbaden. Der `Stararchitekt´ Jahn ist bisher noch nicht durch einen Museumsbau aufgefallen. Seine Schilderungen der Anpassung seines Hauses an die Umgebung ähneln einem Slapstick und sind krudes Architektengequatsche. Sein Gebäude aus Alu und Glas könnte überall stehen und hat mit dem Ort nichts zu tun. Gerade die Auswahl der Materialien garantiert in 30 Jahren, wenn die Stadt das Haus kaufen muss, dass sie nur noch einen teuren Schrotthaufen erwerben wird. Alles in allem: ein Skandal erster Güte“ –
„Wo ist der Wettbewerb?“
„Das Entree ist spektakulär – zehn Mal besser als der alte Entwurf. Aber wie sieht der Rest aus??“ – „Was soll daran spektakulär sein? Das überhängende Dach? Mit Videoleinwand direkt an der Straße?“ – „Das ist ein mondäner Hingucker. Hätte mir allerdings einen eher organischen Entwurf gewünscht.“ – „Das Grauen.“ – „Wo ist denn ein Wettbewerb? die Stadt das das Ganze in einem Schnellschuss für 14 Mille verkauft – damit sie keine Ausschreibung machen müssen.“ – „Ganz schön mies. Aber so eine Nassauische Vase kommt bestimmt erst richtig in der Mitte eines solch luftigen Raumes zur Geltung.“ – „Weiß eigentlich jeder, dass ein Architekt u.a. nach den verplanten Kubikmetern welche er verplant, bezahlt wird? Harmonische, stilistische Formen sind scheinbar gar nicht mehr im Trend.“ – „Ich habe nie verstanden, wieso es notwendig ist, das Auge des Betrachters mit „gegenwärtiger Gestaltung“ von der harmonischen Umgebung abzulenken.“– „Im ersten Augenblick hielt ich es für ein monströses Bushaltestellenhäuschen“
„So viel gute Architekten in Wiesbaden“
„Schade, dass extra für so einen Entwurf ein Stararchitekt beauftragt wurde … Es gibt so viel gute Architekten und Kreative in und um Wiesbaden … Kopfschüttel“ – „Dieses Vordach grenzt an groben Unfug. Von architektonischem Pfiff und Wiedererkennungswert sehe ich auch nichts. Kein Grund zur Begeisterung!!!“ – „Wird dafür ein Helmut Jahn benötigt?! Es gibt hier genügend gute Architekten, die aufgrund der genaueren Kenntnis der Umgebung, Bauten und Geschichte bestimmt etwas Besseres entwickelt hätten. Chance vertan!“ – „Einfach bääääääääh“ – „Gefällt mir. Dass es ein Stararchitekt sein muss, weniger. So ein Architekturbüro entwirft dauernd Pläne. Ob es tatsächlich vom Meister ist, wird Betriebsgeheimnis bleiben.“ – „Da würde ich dann doch lieber weiter dort parken!“
„Projektentwickler fein raus“
„Da wird der Siegerentwurf des durchgeführten Wettbewerbs zerredet, das Grundstück an den landeseigenen Entwickler verkauft und der präsentiert einen amerikanischen “Stararchitekten”, der bislang überwiegend Hochhäuser und Flughäfen gebaut hat. Und so sieht das dann auch aus! Eine Blechdose, die den Genius loci so wenig beachtet wie ein ToiToi-Klo und dazu eine LED-Leinwand à la Times Square als Eyecatcher, um von dem drittklassigen Entwurf abzulenken. Bravo!“ („Mattiaker“, 22. April) „Was hat Jahn hier abgeliefert? Es soll ein stadtgeschichtliches Museum sein. Also eigentlich eines, das vor allem Kleinteiliges präsentiert. Jahn schlägt aber zehn Meter hohe Säle vor. Vollständig untauglich. Dann haben wir noch ein Vordach, das gar kein Dach ist, unter dem Leute an Café-Tischen im Regen sitzen, in einem Café, das im Entwurf nicht eingeplant ist, sich der Architekt aber wünscht. Und eine Medienfassade, die niemand richtig sieht, außer den Menschen, die an der Wilhelmstraße im Haus gegenüber wohnen. Und abseits von all diesen Untauglichkeiten ist ganz offensichtlich, dass Jahn diesen “Entwurf” wohl von einer Praktikantin in höchstens zwei Arbeitsstunden zusammenschrauben ließ. Es ist schlicht eine Katastrophe.“ (Honke Rambow, 6. Mai) „Da der April nun vorbei ist und der Scherz nicht aufgelöst wurde, stelle ich mal eine Theorie auf: Was wäre wenn der Entwurf absichtlich grottenschlecht ist und die inzwischen bekannte Finanzierung so hanebüchen, sodass das Projekt einen langsamen Tod stirbt und der Projektentwickler die Fläche anders verwerten kann?“ („Mattiaker“, 6. Mai) „Man muss sich natürlich auch fragen, wo in diesem Vorgang gerade die Presse eigentlich ist? Dass der Entwurf so nicht baubar ist, liegt auf der Hand, dafür bräuchte es noch nicht einmal einen Journalisten mit architektonischem Fachwissen. Dass die gesamte Finanzierungskonstruktion hochproblematisch und hart an der Grenze zum Skandal ist, ist ebenfalls offensichtlich. Abgefedert könnten beide Probleme durch einen vernünftigen Architekturwettbewerb werden. Auch Projektentwickler können sowas machen. Und wenn die Presse nicht artig das “Stararchitekten”-Liedchen trällern würde, sondern einfach mal etwas zur Sache schriebe, wäre ganz schnell der Druck so groß, dass hier noch einmal von vorne nachgedacht wird.“ (Honke Rambow, 7. Mai) „Ich glaube, dass es hier kein “zurück auf Anfang” gibt. Das Grundstück ist ohne Bedingungen verkauft worden. Das heißt doch: Sollte sich jetzt Widerstand regen, hätte der Projektentwickler seine “moralische” Pflicht mit dem Angebot erfüllt und wäre fein raus.“ („Mattiaker“, 7. Mai)
Und was ist eure Meinung zum Thema Stadtmuseum?
Sehr schön zusammengefasst, sensor! Und der Tenor ist doch relativ eindeutig. Man darf gespannt sein wie sich der Gestaltungsbeirat positioniert. – Und welche Konsequenz ggf. die Verantwortlichen daraus ziehen.
(1) dysfunktionalen Großbildscreen als Hängepartie wegdenken und schauen was bleibt: Ein überdimensioniertes Vordach ohne Funktion! (2) das überflüssige Vordach wegdenken und schauen was bleibt: eine Kiste, die nicht spricht! (3) was sagt uns eine Kiste, die nicht spricht, vielleicht mit anderen Worten: Wie kommuniziert sie mit ihrer unmittelbaren Umgebung, wie – als Stadtmuseum – mit ihrer/seiner Stadt? Wie kann dieser unterkomplexe Quader überhaupt mit einem urban sprechenden Umfeld par excellence überhaupt einen Dialog aufnehmen? (4) Was bleibt von der Vision eines Stadtmuseums, wenn es in einen wort- und sprachlosen Klotz eingefangen sein wird? …. Die assoziative Kopplung von Stararchitektur und Starenkasten hat in diesem Falle eine – auch formal – zwingende Schlüssigkeit! Das grünliche Aufschimmern des medialen Versprechens mit dem Charme einer Teppichstange verheißt allerdings noch Schlimmeres: Eine Architektur , die mitsamt ihren Verfechtern mit Blindheit gestraft ist …. Es kann nicht das Ziel sein, die Historie eines unübertrefflichen Revivals, wie Wiesbaden es ist, in einer irrelevanten Kiste zu Grabe zu tragen ….