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Wiesbadener Künstler löst sich auf: Georg Joachim Schmitt zeigt, verkauft (und verbrennt) sein Gesamtwerk

Besonderes tut sich dieser Tage und Abende am Elsässer Platz. Der Wiesbadener Georg Joachim Schmitt ist ein durch und durch außergewöhnlicher Künstler. Dazu passt, was er nun vorhat. Er löst sich auf. Als Künstler. Wiesbaden sollte die verbleibenden Tage nutzen, diesen Künstler und seine Kunst zu entdecken. Und bei Gefallen auch zu erwerben.

Beides ist möglich in dem temporär zu einer Mischung aus Museum, Galerie, Art Space und Verkaufsraum umfunktionierten Laden auf der Ecke Gneisenaustraße/Elsässer Platz mit mehreren Räumen. Lange Jahre war hier das „CD-Depot“, zuletzt wurde es von der „Fickfackerei“ künstlerisch sehr spannend bespielt. Nun also Georg Schmitt. Mit seinen Werken mit Namen wie Demokreativ, Blizzard und Expropriation Art bespielte der Wiesbadener Künstler in den zurückliegenden Jahren Wiesbaden, Frankfurt und Umgebung und mehr als die direkte Umgebung. Zuletzt erregte er im Frankfurter Kunstverein Familie Montez Aufmerksamkeit.

„Schmitt wollte dem Horten seiner Kunstwerke ein Ende setzen um wieder Platz zum Spielen zu haben. So nennt er seine Art zu arbeiten. Er spielt.“ Dies berichtet die junge Wiesbadener Künstlerin („Taten und Drang“) und HfG-Studentin Laura Yurtöven, die das Ganze mit großem Enthusiasmus und ansteckender Euphorie kuratiert: „Das Ende haben wir nun in der Gneisenaustraße 2 im Wiesbadener Westend eingerichtet und präsentieren jeden Tag Schmitts Gesamtwerk von 1997 bis heute.“ Bis mindestens Ende Januar kann – und sollte – geschaut und gekauft werden, nicht Verkauftes viel Schmitt später vernichten. Der Künstler löst sich auf.

Im Katalog schreibt er: „DAS LEBEN DER KUNST ZU WIDMEN BEDEUTET FÜR MICH RADIKAL ZU SEIN, WAS DAZU
GEFÜHRT HAT, DASS MEINE ARBEITEN IN RADIKALER FEINHEIT UND PERFEKTION ERSTELLT WURDEN.
IN MEINE WERKE INSVESTIERTE ICH EINE VIERTEL MILLION EURO.“ Er kündigt an: „NACH DEM VERKAUFSENDE AM 31.01.22 WERDEN ALLE NICHT VERKAUFTEN WERKE BEI EINER SCHÖNEN ZEREMONIE VERBRANNT.“

Der 58-jährige Georg Joachim Schmitt ist kein geborener, sondern ein gewordener Künstler: „Er outete sich mit 33 Jahren als Künstler und schloss mit seinem vorherigen Leben ab“, berichtet Yurtöven und erklärt: „Durch den unterdrückten Trieb eines jungen Künstlers und dem Wissen eines vierfachen (fast) Doktoranden erschafft Schmitt Werke von radikalster Präzision, Intelligenz und Vollkommenheit.“

Verbote verboten

Und zur künstlerischen Herangehensweise: „Getrieben von einer Idee entsteht ein Produkt, das kein Verbot bekommt, weiter wachsen zu dürfen.“ Ein Beispiel: Aufgrund des Wunsches, das gesamte Periodensystem in den haptischen Elementen zu besitzen, entstand die Analyse der elementaren Bestandteile der Sprache. So entwickelt sich über die Erkenntnis, dass Zeitbezeichnungen (Jetzt, Gestern, Morgen, Dann, Später, …) elementar in der Sprache sind, ein Kalender, angefertigt von fünfzehn Muttersprachlern aus fünfzehn Nationen: Der Immerwährende Kalender.

Auraspray und Eigenblutwurst

Die ganz und gar unterschiedlichen Werke, bei denen oft Tiefsinn auf Vergnügen und feinen Humor trifft, werden nun letztmalig gezeigt – „The Last Exhibition“ heißt es und ist, radikal und genial, ein wahrhaftiges Ereignis für die Kunst- und Kulturstadt Wiesbaden – und zu Preisen von 1,50 bis zu fünfstelligen Dimensionen angeboten. Sie werden Menschen aus der Wissenschaft genauso interessieren wie Fotografen oder Autoren. Sie werden Unbedarfte, Einsteiger und Entdecker genauso und faszinieren wie Kenner. Das homöopathische Auraspray ist ebenso wie der Pyramidion Stromreiniger für 20 Euro im Angebot, Eigenblutwurst für 2500 Euro, für Mise en Abyme ruft der Künstler 12.500 Euro auf – „alle Preise verstehen sich als Diskussionsgrundlage“.

City Passage-Parkhaus-Fotos

Wer diesen Ort mit nun ganz eigener und sehr vergänglicher Aura besucht hat und dabei auch mit dem Künstler ins Gespräch kam, wird die Einschätzung der jungen Kuratorin teilen: „Meiner Meinung nach müssen einige der Werke unbedingt erhalten bleiben und archiviert werden, sowie die genannte Element-Sammlung oder gar die Fotos aus dem bereits geschlossenen Parkhaus City Passage I.“ Ja, tatsächlich, dort hängen entlang der Auf- bzw. Abfahrtsrampe großformatige Aufnahmen (siehe links und rechts sowie hier), die – so erfährt man nun erst nebenbei – von Georg Schmitt stammen. Abgefahren! Und wenn sie nicht verkauft werden, unbedingt ein Fall für Stadtmuseum und/oder Stadtarchiv.

Kulturprogramm zum Finale

Den ganzen Januar über montags bis freitags 14 bis 20 Uhr.

Und als wäre die gezeigte Kunst nicht schon anregend, aufregend, besuchenswert und betrachtenswert genug, gibt es an diesem besonderen Ort in der letzten Januar-Woche auch noch zusätzlich Kulturprogramm:

Mittwoch, 26.01., 16 bis 21 Uhr „Speaker´s Corner – Literaturlesung“, Donnerstag, 27.01., Filme (17.30 Einlass, 18.00 Block 1, 20.00 Block 2), Freitag, 28.01, Musik Kompositionen (17.30 Einlass, 18.00 Block 1, 19.00 Block 2).

(Text und Fotos: Dirk Fellinghauer)