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„Wir sind bereit, den Skalp zu geben“ – Stadt und OFB kündigen Vergleich zum „Stadtmuseum“-Grundstück Wilhelmstraße 1 an

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Text und Foto: Dirk Fellinghauer.

Zum befürchteten Rechtsstreit um das von der OFB Projektgesellschaft mbH erworbene Grundstück an der Wilhelmstraße, auf dem eigentlich ein Stadtmuseum errichtet werden sollte, wird es wohl nicht kommen. Die Landeshauptstadt Wiesbaden will sich mit der OFB in einem Vergleich einigen. Dies erklärten Wiesbadens Wirtschaftsdezernent Detlev Bendel (Foto Mitte) und OFB-Chef Alois Rhiel heute früh auf einer Pressekonferenz im Wiesbadener Rathaus.  Als Ergebnis sollen bis zum Jahr 2017 rund 160 Wohnungen und ein 4-Sterne-Hotel einer internationalen Kette entstehen. Der letzte Hoffnungsschimmer für jene, die immer noch von einem Stadtmuseum auf dem Grundstück Wilhelmstraße 1 träumen, ist damit dahin. Bendel und Rhiel übertrafen sich bei der Pressekonferenz in ihrer Begeisterung, welch tolles Ergebnis sie in ihren Verhandlungen erzielt hätten. Nur auf Nachfrage und in Nebensätzen ließ der Investor durchblicken, dass er das bisherige Vorgehen der Stadt bei diesem Deal doch eher für stümperhaft hielt. Nun richtet er den Blick nach vorn und sagte: „Ich habe keine Zweifel und Sorge, mit der Stadt Wiesbaden weiterhin Projekte durchzuziehen und zu realisieren.“

Die Eckpunkte des Vergleichs: Auf einem Teil des Areals, der nun von der OFB an die Stadt zurückgegeben wird, kann nun wie von der Stadtverordnetenversammlung beschlossen ein Hotel entstehen. Die OFB behält zwei insgesamt 9.913 Quadratmeter große Flurstücke im hinteren Teil des Areals und kann diese für Wohnbebauung nutzen. Um den Kompromiss zu ermöglichen, muss die OFB den von der Stadt geforderten Quadratmeterpreis von 1.700 Euro akzeptieren. Stadtrat Detlev Bendel ist überzeugt: „Wir haben ein gutes Geschäft gemacht. Was aber noch wichtiger ist: Es wird keinen Stillstand geben. Ein jahrelanger Rechtsstreit mit erheblichen Prozessrisiken könnte vermieden werden.“

Der Vergleich, der nächste Woche vom Magistrat bestätigt werden muss, steht am Ende schwieriger Verhandlungen. Auf einem Teil des Areals sollte ursprünglich das Wiesbadener Stadtmuseum entstehen. Nachdem das Projekt scheiterte, beschloss die Stadtverordnetenversammlung im Februar dieses Jahres den Rücktritt vom Kaufvertrag mit der OFB. Die OFB bestritt jedoch den Rechtsgrund und weigerte sich, die eingetragene Auflassungsvormerkung zu löschen. Nach Rechtsauffassung der OFB habe sich die Stadt unter anderem treuewidrig verhalten und sich in Widerspruch zu ihrem früheren Verhalten gesetzt, „venire contra factum proprium“ würde der Lateiner, oder auch der Jurist, sagen.

OFB lässt den Skalp im „Nullsummenspiel“

Alois Rhiel erklärt: „Als Gesellschaft konnten wir unsere Ansprüche nicht einfach fallen lassen. Als Geschäftsführer habe ich sogar eine Treuepflicht, unsere Position durchzusetzen. Wir sind sehr froh, dass wir mit dem Vergleich eine Eskalation vermeiden können.“ Ihm sei es wichtig gewesen, vor seinem anstehenden Ausscheiden als OFB-Geschäftsführer „klar Schiff zu machen“ und einem Nachfolger nicht die Altlast zu hinterlassen. Zudem gab er sich ganz selbstlos und betonte die Verantwortung der OFB für Kommunen: „Die OFB war deshalb auch zu weitreichenden Zugeständnissen im Vergleichsverfahren bereit,“ fasst er die Ergebnisse zusammen. „Wir sind bereit, den Skalp zu geben“, formulierte er, wie sich die OFB auf das „Nullsummenspiel“ einlasse, das für sein Unternehmen „natürlich negative Konsequenzen“ habe: „Wir verzichten auf wesentliche Entwicklungschancen“, stellt er klar und betonte: „Auch wir wären in der Lage, ein Hotel zu bauen.“

In einer Güterabwägung hatte sich die Landeshauptstadt Wiesbaden für einen Vergleichsweg mit der OFB entschieden. Die vom Dezernat für Wirtschaft und Personal geführten Vergleichsverhandlungen beruhen in erster Linie auch auf der Empfehlung des Rechtsamtes und einem von der Stadt in Auftrag gegebenen Rechtsgutachten. Die Juristen empfahlen, einen Rechtsstreit zu vermeiden und einen Vergleich anzustreben.

„Höchstpreise“ für das 2/3-Grundstück

Der ausgehandelte Vergleich wird möglich, nachdem die OFB den Rücktritt vom Grundstückskaufvertrag bezogen auf das 5.685 Quadratmeter große Flurstück an der Wilhelmstraße akzeptiert hatte. Der Grundstücksverkauf würde – bezogen auf diese Fläche – rückgängig gemacht. Die eingetragene Auflassungsvormerkung wird, so sieht es der Vergleich vor, gelöscht. Für den mit veräußerten Teil der Flurstücke 13/2, Frankfurter Straße, mit einer Fläche von 872 Quadratmetern und Flurstück 13/3, Rheinstraße 5, mit einer Fläche von 9.041 Quadratmetern (Hochgarage) werden die Konditionen der aktuellen Marktentwicklung angepasst. Die OFB zahlt einen Grundstückskaufpreis pro Quadratmeter in Höhe von 1.700 Euro. Daraus ergibt sich ein Gesamtbrutto-Kaufpreis von 16,8 Millionen Euro. Abzüglich der von der Stadt getragenen Kosten für Abriss und Altlasten und der der OFB entstandenen Vorkosten wie dem üppigen Honorar für „Stararchitekt“ Helmut Jahn ergibt sich ein Nettopreis von 14,25 Millionen Euro – für 2/3 der Fläche, für die ursprünglich 14,5 Millionen Euro gezahlt wurden, wie Rhiel bemerkte. Der nun vereinbarte Preis sei in der Wiesbadener Innenstadt einer der höchst erzielten, spiegele aber auch die aktuelle Marktentwicklung wider.

Hotelneubau kurzfristig möglich, Carl-von-Ossietzky-Schulneubau wird planmäßig finanziert

Für Dezernent Bendel ist es auch mit Blick auf die Vermarktung der Rhein-Main-Hallen besonders wichtig, dass mit dem erzielten Ergebnis das Hotelprojekt an der Wilhelmstraße zeitnah umgesetzt werden kann.  Bendel kündigt an: „Der Hotelbau und der damit verbundene Grundstücksverkauf wird – so lautet auch der Stadtverordnetenbeschluss – öffentlich ausgeschrieben.“ Bendel erläuterte, dass die Kaufsumme für den hinteren Grundstücksteil direkt nach notarieller Beurkundung und positiv beschiedener Bauvoranfrage fließe. Eine Neuausschreibung hätte mindestens ein bis zwei Jahre in Anspruch genommen. Damit könne der Neubau der Carl-von-Ossietzky-Schule planmäßig finanziert werden. Auch sonst sind die erwarteten Mehreinnahmen laut Bendel schon verplant und sollen in die Gestaltung des Platzes zwischen Museum und Rhein-Main-Hallen (2,4 Millionen) und den sozialen Wohnungsbau (1,4 Millionen) fließen.

Die geplante Wohnbebauung orientiere sich durch freistehende Einzelbaukörper unterschiedlicher Größe und Proportion an der gewachsenen, historischen Villen-Struktur des östlich angrenzenden Stadtgebietes. An gleicher Stelle standen auch früher freistehende Wohngebäude. Die OFB setze dabei auf das Wiesbadener Architektenbüro BGF+ Architekten (Uwe Bordt und Gunther Götz), die bereits zahlreiche Großprojekte in Wiesbaden begleitet hätten und „ein hohes Maß an Anerkennung genießen“, so Rhiel. Auf die Frage, aus welchen Fehlern er denn gelernt habe, meinte er: „Wir hätten früher auf Beschlüsse setzen sollen, bevor wir den nächsten Schritt gehen.“ Was er damit meinte: Er sei davon ausgegangen, dass Pressekonferenzen oder Veranstaltungen, für die der Architekt eigens eingeflogen wurde, als Zeichen genügten, dass das Projekt auch wirklich realisiert werden solle. In Wirklichkeit war die Reißleine seitens der Stadt bereits gezogen worden, als Architekt Jahn noch seine Stadtmuseums-Pläne in Wiesbaden präsentierte. Schnee von gestern, wenn man Rhiel glauben darf, der Dezernent Bendel als „wohltuenden Verhandlungsparnter“ beschrieb und betonte, es habe „menschlich keine Brüche“ zwischen der OFB und den Verantwortlichen der Stadt gegeben. „Mit keinem der Verantwortlichen?“, will ein Journalist wissen. „Mit keinem!“, erwidert Rhiel.

Immer diese Koalitionspartner …

Einen Seitenhieb auf Medien und Oppositionspolitiker wollte er sich hingegen nicht verkneifen und bemerkte im Verlauf der Pressekonferenz süffisant, dass er überhaupt nicht verstehen könne, wie man den ursprünglichen Grundstückskauf als „Hinterzimmer-Deal“ bezeichnen könne. Schließlich hätte seinerzeit die Mehrheit der Stadtverordneten dem Geschäft zugestimmt. Einen kleinen Einblick in sein Demokratieverständnis gewährte er, als er darauf hinwies, dass er es in seiner aktiven politischen Zeit einfacher gehabt habe als seine Kollegen in Wiesbaden: „Wir hatten nie Koalitionspartner.“ Zum aktuellen Stand der Dinge herrscht bei den Wiesbadener Großkoalitionspartnern größte Einigkeit. Kurz nach der Pressekonferenz vermeldete eine Pressemitteilung: „Fraktionsvorsitzende der Großen Koa begrüßen einhellig sich anbahnende Einigung mit OFB. Die sich abzeichnende Einigung sei nach Ansicht der Vorsitzenden der Fraktionen der CDU und der SPD in der Stadtverordnetenversammlung, Bernhard Lorenz und Christoph Manjura,  der richtige Schritt, um die Chance einer positiven Entwicklung des Grundstücks an der Wilhelmstraße zeitnah zu ergreifen.“

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