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Zwischen politischer Brisanz und leichter Unterhaltung: Neuer Intendant stellt „seine“ ersten Maifestspiele vor

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Text und Foto: Dirk Fellinghauer

In jedem Jahr wird das Programm der Internationalen Maifestspiele mit Spannung erwartet. In diesem Jahr war die Spannung besonders groß, als das Programm der 119. Maifestspiele der Presse im vollbesetzten Foyer des Staatstheaters vorgestellt wurde. Es wird die erste Ausgabe der 1896 begründeten Festspiele unter Leitung des neuen Intendanten Uwe Eric Laufenberg sein. Um es vorwegzunehmen: Es werden spannende, aufregende, hochwertige und hier und da auch überraschende Maifestspiele werden, die vom 1. bis 31. Mai 61 Veranstaltungen aus allen Sparten und aus der ganzen Welt in die Stadt bringen. Schon das knapp 100-seitige Programmheft, das große Lust macht auf das, was kommen wird, hat ein ganz neues Format. Und eine Farbe, an der man schwer vorbeikommt: Signalrot.

„Die ganze Stadt Wiesbaden begleitet die Maifestspiele seit vielen Jahren“, geriet Kulturdezernentin Rose-Lore Scholz zum Start der Pressekonferenz ins Schwärmen über „das Theaterereignis im Jahr“. Nun, die ganze Stadt Wiesbaden ist es vielleicht nicht, aber auch der neue Intendant will ausdrücklich die Schwelle zum Besuch der Maifestspiele, die sich in vielen Köpfen als recht elitäre Veranstaltung für ein gut betuchtes Publikum manifestiert haben, niedrig halten. So kann jeder herausfinden, was Laufenberg für sein Maifestspiel-Debüt gemeinsam mit seinem Team aus der Chance gemacht hat, „sich in aller Welt umzusehen und zu schauen, wie holt man die Welt nach Wiesbaden“.

Alle willkommen – auch ohne viel Geld

„Natürlich sind die teuren Karten teuer“, sagte der Intendant und betonte im gleichen Atemzug: „Es gibt aber auch die günstigen Preise von 8 bis 10 Euro. Wer nicht so viel Geld hat und dabei sein möchte, kann es auf jeden Fall tun.“ Ob man nun auf 8-Euro-Tickets aus ist oder bereit ist, bis zu 135 Euro für eine Karte zu bezahlen oder sich für eine Kategorie zwischen diesen beiden Enden der preislichen Fahnenstange entscheidet – der offizielle Vorverkauf startet an diesem Samstag, 7. Februar, um 9 Uhr in den Theater-Kolonnaden.

Schlachthof als Maifestspiel-Schauplatz für Gastspiel aus New York

Nicht nur preislich wird hier und da der „Einstieg“ in die Maifestspiele leicht gemacht – sei es durch das Programm, etwa beim „musikalischen Rausschmeißer“ mit dem Programm „ABBA jetzt“, einer „unverschämten Hommage an die schwedischen Popgötter“ (31.5., Großes Haus), oder etwa durch die Location: Der Schlachthof wird zum Maifestspiel-Schauplatz beim dreitätigen Gastspiel von „The Public Theatre“ aus New York, das mit „The Apple Family – Scenes from Life in the Country“ (15./15./16. Mai) für ein besonders spannendes Theatererlebnis sorgen wird.

Der preisgekrönte Dramatiker Richard Nelson hat seit 2010 in New York jedes Jahr ein Stück über die fiktive liberale Familie Apple an jeweils dem Tag uraufgeführt, an dem es spielt (Tag der Kongresswahlen 2010, 10. Jahrestag 9/11, Tag der Präsidentschaftswahl 2012, 50. Jahrestag des Kennedy-Attentats). An zwei Abenden werden jeweils zwei Stücke aufgeführt, besonders Ausdauernde können am Samstag, 16. Mai, ab 13 Uhr in einem Marathon alle vier Stücke am Stück erleben.

Mit Maßanzügen in den Slums – Kongos stolze Dandys

Ein besonders aufregendes Schauspiel- und Performance-Erlebnis dürfte auch „Coup Fatal“ (8./9. Mai, Großes Haus) werden, das neueste Werk des belgischen Ausnahmechoreographen Alain Platel, des kongolesischen Countertenors Serge Karkudji und des kongolesischen Dirigenten Rodriguez Vangama. Es ist ein Stück über die „Sapeurs“, die als „Dandys aus Kinshasa“ in feinsten Maßanzügen einen Auftritt pflegen, als würden sie die Welt regieren, vor dem Hintergrund des Bürgerkriegs im Kongo. Musikalisch trifft die Lebenslust der Sapeurs auf die Arien des Barock. Dreizehn kongolesische Musiker verschmelzen europäische Klänge auf Likembes, einer Art Daumenklavier, E-Gitarren und Percussion mit der kongolesischen Rumba zu einem Fest der Musik. Kuratorin Maria Magdalena Ludewig, die auch Leiterin der nächsten Biennale sein wird, war bei der Uraufführung in Wien und berichtete von minutenlangen begeisterten Ovationen.

„Romeo und Julia“ mit Soap & Skin- und 1000 Robota-Musikern

Auch „Die Tragödie von Romeo und Julia“ (5./6. Mai), ein Gastspiel des Thalia Theater Hamburg, ist in der Inszenierung von Jette Steckel etwas für Musikfans. Sie nähert sich der „größten Liebesgeschichte“ aller Zeiten theatral, physisch mit einer „Massenbewegung“ von 20 weiblichen und musikalischen Jugendlichen und musikalisch mit Anja Plaschg von der Band „Soap & Skin“ und Anton Spielmann von „1000 Robota“, die auch privat ein Paar sind. Als neues Format wird es im Anschluss an die Vorstellung einen „Ausklang“ mit den Künstlern im Foyer geben. Spät wird es auch beim, musikalisch ganz anders gearteten, „Nachtkonzert“ mit dem Merlin Ensemble aus Wien am 9. Mai ab 23 Uhr im Foyer.

Deutschen Ernst und britischen Humor bringt das bekannte Performancekollektiv Gob Squad zusammen und führt mit „Western Society“ (15./16. Mai, Malsaal) herrlich vor, wie spannend die Suche nach dem langweiligsten YouTube-Video, das man finden kann, ausgehen kann. Auch in Sachen Tanztheater bescheren die Maifestspiele dem Publikum wieder einige Highlights, etwa mit der Londoner Hofesh Shechter Company oder dem Nederlands Dans Theater 2. Laut Kurator Bruno Heynderickx wolle man mit dem diesjährigen Tanzprogramm „in Zeiten von Je Suis Charlie auch gesellschaftliche Fragen stellen.“

Politisch topaktuell: IS auf der Bühne

Politisch topaktuelles Schauspiel wird etwa mit „Riding on a cloud“ von Rabih Mroué aus Beirut geboten, der die Geschichte seines jüngeren Bruders im libanesischen Bürgerkrieg verarbeitet, oder in „Wartende Frauen“ des Ensembels Erbil & Dohok aus Kurdistan/Irak. Von Fundamentalisten verschleppt, erwarten Frauen in der Wüste ihr Schicksal: Vergewaltigung, Zwangsheirat, Versklavung. Trotz allem bleibt ein Funken Hoffnung. In der Stadt Dohok, 35 Kilometer entfernt von durch den IS besetzten Gebieten, haben ein rein weibliches Ensemble und ein Mann einen eindringlichen Abend erarbeitet.

Zum „Muss“-Programm der Maifestspiele gehören hochkarätig besetzte Opernaufführungen wie „La Traviata“ oder „Norma“. Die „Junge Woche“ wurde auf den gesamten Festspielmonat ausgeweitet und heißt nun „Junge Maifestspiele“. Neben Bühnenstücken wird es auch Überraschendes im Freien und bei freiem Eintritt geben – etwa das Straßentheater „Les Moutons“, bei dem Menschen als Schafe auf dem Warmen Damm weiden werden. In der Caligari Filmbühne wird ein Filmprogramm die Maifestspiele begleiten.

http://www.staatstheater-wiesbaden.de/info/maifestspiele-2015/

http://www.staatstheater-wiesbaden.de/programm/spielplan/2015-05/