Text & Foto Nico Lange.
Vor 20, 30 Jahren waren wir irgendwie alle noch im Sportverein angemeldet, heute fehlen nicht nur die Kinder, die turnen, sondern auch die Trainer. Das ehrenamtliche Engagement geht immer weiter zurück. In der eigens dafür verfassten Studie „Leben in Wiesbaden 2016″ hat die Stadt Wiesbaden herausgefunden, dass sich 70% der über 18-jährigen überhaupt nicht mehr engagieren. 50% wären bereit, 40% wären es vielleicht, und 10% würden es mit Sicherheit tun, wenn …. Ja, das ist die große Frage: Was hält die Menschen davon ab sich zu engagieren? Um genau das herauszufinden hat Oberbürgermeister Sven Gerich für 2018 das „Jahr des Engagements“ ausgerufen. Was es damit auf sich haben soll, hat er nun im Rathaus erklärt.
Das Motto: „BRING. DICH. EIN. – Du fürs Wir.“ Unter diesem Titel wird es von März bis September einen prall gefüllten Veranstaltungsplan geben, der sich nur dem Thema Bürgerengagement widmet. Ehrenamtliches Engagement leiste, so Gerich, viel mehr als das, was die Politik leisten kann. „Das Ehrenamt ist eine der tragenden Säulen unserer Gesellschaft, in Sachen Menschlichkeit und Fürsorglichkeit.“
Ihm scheint es ernst zu sein mit der Suche nach dem Warum, denn er hat dafür eine eigene Vollzeitstelle als Stabsstelle – „Wiesbadener Identität. Wiesbadener Engagement.“ eingerichtet. Von hier aus wird alles koordiniert, und auch die Ergebnisse sollen am Ende des Jahres hier ausgewertet werden. Die Erkenntnisse fließen dann in neue Überlegungen, wie man Bürgerengagement auch attraktiver zum Beispiel in der Wertschätzung der Beteiligten machen kann. Die Leitfäden fürs Ehrenamt seien vielleicht auch nicht mehr zeitgemäß, wirft Gerich ein. Auch hier müsse man mal nachdenken, ob die Fristen zum Erreichen von Ehrenmedaillen nicht dem heutigen Leben angepasst werden müssten.
Was steht nun konkret dahinter? Mit verschiedenen Veranstaltungen wie zum Beispiel einem Tag der offenen Tür, Tag der Vereine, der Rettungsdienste, der Kultur oder Ähnlichem will der Rathauschef das Ehrenamt in der Stadt Wiesbaden wahrnehmbarer machen. Er verfolgt dabei zwei große Ziele. Erstens: – Menschen ansprechen, die sich bisher nicht engagieren und ihnen die Möglichkeiten zeigen, wie sie das tun können. Für viele erscheine das Ehrenamt als eine über zig Jahre dauernde Verpflichtung. Dass das eben nicht immer so sei, darüber müsse man auch informieren und zeigen, dass es auch andere Formen des Engagements gibt. Nicht alle können sich über Jahre binden. Aber es sei doch auch schade, wenn etwa Studenten, die sich mal ein halbes Jahr Zeit nehmen wollen, um anderen Gutes zu tun, nicht das passende Angebot finden. Und genau das wolle man mit einer neu zu schaffenden Plattform erreichen.
Das zweite Ziel liegt darin, den bestehenden Organisationen, Vereinen und Verbänden die Bühne zu bauen, um sich zu präsentieren. „Spot on“ – nennt sich das dann. In dieser Zeit soll es die Möglichkeit geben, sich als Verein oder Organisation zu zeigen, Einblicke zu liefern und neue Menschen zu begeistern sich zu engagieren. In welcher Form das sein wird, das wird gemeinsam mit den Beteiligten erarbeitet.
Budget. Das Budget für „Das Jahr des Ehrenamts“ ist leider nicht so hoch wie die Ziele, die präsentiert wurden. Von 50.000 bis 70.000 EUR ist hier die Rede. Aber dafür hat sich Gerich kompetente und potente Partner mit ins Boot geholt. Lotto Hessen, die Naspa, Henkell Sektkellerei, Wall GmbH und auch die VRM, in der auch sensor erscheint, sind mit im Boot. Über die Zeit des Projektes plakatiert die Wall GmbH zum Beispiel kostenlos 1.000 Plakate im gesamten Stadtgebiet, um die Bürger auf die Kampagne „Du fürs Wir“ aufmerksam zu machen. Henkell wird die Eröffnungsfeier im März auf Henkellsfeld unterstützen und die Naspa und Lotto Hessen sind finanzstarke Partner in diesem großen Projekt.
Jetzt gehts ans Vorbereiten. Bis es im März los geht, ist liegt aber noch viel Arbeit vor allen Beteiligten. In Zusammenarbeit mit dem Freiwilligenzentrum Wiesbaden unter der Leitung von Jürgen Janovsky geht es erst einmal darum, die Vereine und Organisationen anzusprechen, wie sie denn gern dieses Jahr des Engagements für sich nutzen möchten. Man wolle auch gezielt Institutionen erreichen, die sich bisher nicht eingebracht haben, betont Janovsky. Im Vorfeld wird er mit seinem Team gezielt mit ein paar Fragen nachhaken, was genau sie denn brauchen, um sich bestmöglich zu präsentieren und dadurch neue Mitglieder zu gewinnen.
Ob nun der Tag der offenen Tür oder Workshops zum Thema Veranstaltungen, eins ist auf alle Fälle sicher: es wird ein aufregendes Jahr werden und wenn es so gut läuft wie „das Jahr der Städtepartnerschaften“, werden wir in Wiesbaden bald noch mehr Menschlichkeit und Engagement erfahren, hofft nicht nur Gerich.