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400 Besucher haben Künstlern an den Tatorten über die Schulter geschaut

 

Zum vierten Mal fanden am Sonntag in Wiesbaden die „Tatorte Kunst“, ein Kunstrundgang durch Wiesbaden-Mitte, statt. Künstler, Galerien und Kunstwerkstätten öffneten ihre Türen einen halben Tag lang für die Öffentlichkeit. An 23 Standorten präsentierten sie ihre Fotografien, Zeichnungen, Skulpturen und Malerei. Bei sonnigem Wetter zählten die Galeristen 400 Besucher.

Mittlerweile gehören die „Tatorte“ zu den etablierten Kulturveranstaltungen in der Landeshauptstadt. Organisiert von den vier Künstlern Gisela Grosshaus, Petra von Breitenbach, Eva Raabe-Lindenblatt und Markus Quiring, haben Kunstinteressierte die Möglichkeit, den knapp 40 ausstellenden Künstlern über die Schulter zu sehen. „Kommen, Schauen, Fragen, Diskutieren und Kennenlernen“ könnte das Motto der diesjährigen Veranstaltung sein. Kurz und bündig ist die Veranstaltung bloß fünf Stunden geöffnet. Rein rechnerisch bleiben dem Besucher etwa 10 Minuten pro location. Und genau das ist es, was die „Tatorte“ zu den hohen Besucherzahlen führt. „Über 400 waren es dieses Mal“, so schätzt ein Galerist.

 Galerie esc-space

Als zum ersten Mal an diesem Tag die Stimme der Sopranistin Yvonne Kluin zu dem knapp 20 Minuten langen Stück „Accordando Claque“ des isländischen Komponisten Hallgrimur Vilhjalmsson ertönt, bleiben zahlreiche Besucher vor der Galerie esc-space stehen und lauschen mit Neugierde den eher ungewohnten Klangskulpturen. Es ist die letzte Gelegenheit die erfolgreiche Ausstellung zu Christof Malchen zu sehen und Kluin schafft es mühelos wie überzeugend mit ihrer Performance dem Raum die nötige Melancholie einzuhauchen. Aus Saarlouis hat sich ein Paar bei esc-space eingefunden, er Architekt , sie Sozialpädagogin. Sie hätten ein Wochenende im Rheingau verbracht und nach „Kultur“ gesucht. Gefunden hatten sie die „Tatorte“ im Internet. 

Gisela Grosshaus

 Mit neuen Arbeiten wartet die Wiesbadener Plastikerin Gisela Grosshaus auf. Das Thema ihrer lebenslangen Arbeit ist „Der Mensch“. In ihrer aktuellen Arbeit beschäftigt sie sich mit dem Vergänglichen. Grosshaus bringt Stahlplatten mit einer langwierigen Prozedur zum Rosten und zeigt so dessen Vergänglichkeit, vielleicht spielt sie damit auch auf den Tod an. In Ihrem Atelier hat sie eine große Wand für ihre neue Installation „Wellenbrecher“ reserviert. 3,50m breit, 1,20m hoch und gut 30 kg schwer ist ihr „Wellenbrecher“, der eine Reflexion auf Eindrücke einer Reise ans Meer ist. „Kaufen kann man das Objekt natürlich“, sagt sie, „aber nicht am heutigen Ausstellungstag“.

 Birgit Glindmeier

„Ich kenne mich nicht so gut aus mit Photoshop,….wie haben Sie denn das hinbekommen?“ fragt die Mainzer Physikerin, Autorin und Hobbymalerin Dr.Alla Sariban. Birgit Glindmeier, die angesprochene Installationsfotografin, sagt: „das ist alles analog, nix Photoshop. Ich nenne das Dia-Sandwich-Technik.“ Wie das Verfahren genau geht, verrät sie Sariban nicht. Glindmeier zeigt in der Privatgalerie Nyloneuter ihre Fotoarbeiten der letzten zwei Jahre.

Glindmeier nennt die Serie aus gut 30 Bildern „Mongrals“, zu deutsch etwa Bastarde oder Promenadenmischlinge. Sie spielt dabei sicherlich nicht nur auf die Technik, sondern auch auf inhaltliche Mischungen, an. Die Fotografin arbeitet seit Jahren mit Puppen. Objekte, deren menschenähnliches Aussehen sie zu unseren Stellvertretern macht. Und Glindmeier führt Versuche am Objekt durch. Sie simuliert menschliche Existenz. Ihre neuesten bislang unpublizierten Arbeiten wird sie im Frühjahr2013 in der Galerie esc-space ausstellen.

 Dusko Katona-Lukic

Seit 40 Jahren malt er. Heute stellt er einen kleinen Teil seiner gewaltigen Sammlung in Iris Kaczmarczyk’s Privatgalerie „lebensart“ aus. „Ich bin sehr zufrieden mit der Resonanz“, sagte der Zeichner und Maler Dusko Katona-Lukic (Foto). Etwas zögerlich verrät er die Verkaufszahl am heutigen Tag: „Fünf, sind es inzwischen“. Der Künstler ist Autodidakt mit eigenem Atelier. Den Zugang zur Kunst hat er von seinem Großvater bekommen. Katona-Lukic ist seit zwei Jahren mit der kommerziellen Kunst befasst.

Aus der Comic-Ecke zur kommerziellen Kunst

„Ich komme eigentlich aus der Comic-Ecke“, beschreibt Katona-Lukic seine künstlerische Entwicklung. In seinem gegenwärtigen Schaffen konzentriert er sich auf den Mensch und setzt seine oft auf Packpapier mit Acryl und Kohle projizierten Bildideen großformatig um. So groß wie sein Atelier es ihm erlaubt. Jetzt ist er professioneller Künstler, der aktuell seine nächste große Ausstellung plant.

Alles zu sehen ist wohl unmöglich, zumindest wenn man sich die Zeit nehmen will um mit den anwesenden Künstlern ins Gespräch zu kommen. Damit sich die zum Teil weither gereisten Besucher orientieren konnten, wurde der Kunstrundgang mit einem Flyer begleitetet, den Iris Kaczmarczyk gestaltet hat. Der Flyer ist nach Ort und Kunstrichtung strukturiert und dient dem Besucher gleichzeitig als Übersichtsplan über die Veranstaltungsorte.

Die an diesem Sonntag bei kaltem aber sonnigen Wetter herumspazierenden Menschen in Wiesbaden-Mitte erkannte man leicht als Ausstellungsbesucher. Sie erkundeten das Ausstellungsgebiet zielgerichtet und selektiv, den Plan in der Hand haltend, auf dem sie vorher die als sehenswert identifizierten Ausstellungsorte markierten. „Wir haben uns vorher alles notiert, was uns interessiert: Malerei und Objektkunst“ sagt ein Ehepaar aus Niedernhausen. „Wenn uns etwas gefällt, werden wir auch kaufen“, sagten sie. http://tatorte-kunst.de/

Text und Fotos: Joachim Sobek