Von Dirk Fellinghauer, Foto Offert Albers.
Das Gute daran, dass Wiesbaden in diesem Jahr in einigen wichtigen Fragen noch zu keinem Ergebnis gekommen ist, ist der Grund dafür: Es wird über wichtige Fragen geredet. Und nicht einfach im stillen Kämmerlein entschieden. Ob das nun auf mehr oder weniger sanften Druck von außen geschieht, sei dahingestellt (beziehungsweise: ist ein gutes und ermutigendes Zeichen, dass Engagement sich lohnen kann). Ob am Ende wirklich andere Ergebnisse als im stillen Kämmerlein herauskommen, bleibt abzuwarten. Entscheidend ist zunächst mal, dass überhaupt geredet wird, dass überhaupt Bevölkerung und Beteiligte gehört werden. Und zwar, bevor Wichtiges und Grundlegendes entschieden wird. Hier ein Update zum Stand einiger Diskussionsdinge in unserer Stadt.
Wilhelmstraße 1: Das Bürgerbeteiligungsverfahren zu der Frage, was auf dem Wiesbadener Filetgrundstück künftig (ent)stehen soll, läuft auf Hochtouren. Auf dem Tisch liegen neben dem Plan eines Vier-Sterne-Hotel-Neubaus und dem Angebot eines Kunstmuseums Vorschläge wie ein Zukunftslabor, ein Mehrgenerationenhaus ein Haus des deutschen Weines, ein Schwimmbad sowie ein multi-funktionales Haus für Kinder und Familien. Nach einem dritten und letzten (öffentlichen) Workshop der „trialogisch“ mit Vertretern aus Bürgerschaft, Politik und Verwaltung besetzten Arbeitsgruppe heute (13. Dezember( von 18 bis 21 Uhr im Rathaus soll die erarbeitete Empfehlung Anfang 2017 der Stadtverordnetenversammlung vorgestellt werden, die am Ende des letzte Wort haben wird. In der heutigen Sitzung der Arbeitsgruppe werden die Argumente für oder gegen einzelne Nutzungen am Standort Wilhelmstraße gewichtet und die ganz unterschiedlichen Nutzungsvorschläge nach den Entscheidungskriterien aus der öffentlichen Auftaktveranstaltung bewertet. Die Arbeitsgruppe verständigt sich auf eine Empfehlung an die politischen Gremien, die dann in öffentlicher Veranstaltung am 28. Januar 2017 im Rathaus vorgestellt und diskutiert wird.
Walhalla: Als Reaktion auf den „Visionären Frühschoppen“ (Foto), bei dem OB Sven Gerich und SEG-Chef Andreas Guntrum ihre Pläne für eine Sanierung und den künftigen Betrieb durch das bundesweit tätige Varietéunternehmen GOP vorgestellt hatten, beantragten SPD und Grüne im Kulturausschuss einen „Runden Tisch“. Dieser wurde mit breiter Mehrheit beschlossen und soll nun nicht wie ursprünglich geplant Anfang Dezember, sondern erst im Januar,erstmals zusammenkommen und, mit allen Beteiligten inklusive der jetzigen Betreiber Walhalla Theater e.V. auf Augenhöhe, mögliche Lösungsalternativen diskutieren. Auch die 2 Millionen Bundesgelder für eine Sanierung, die die Bundestagsabgeordnete Kristina Schröder auf Bitten des OBs in Berlin klar gemacht hat, fließen grundsätzlich auch für Konzepte jenseits von GOP. Anfang 2017 sollen die Ergebnisse der Runden Tischs präsentiert werden. Sven Gerich versicherte auf Facebook: „Am Ende entscheidet nicht der OB, wie es mit der Walhalla weitergeht, sondern die vom Volk gewählten Vertreter in der Stadtverordnetenversammlung.”
Altes Gericht: In trockenen Tüchern scheinen die allseits positiv gesehenen Pläne und Maßnahmen der Hochschule Fresenius, auf dem Areal einen Neubau inklusive Studentenwohnheim zu errichten. Kürzlich wurde Grundsteinlegung gefeiert. Letzte Woche haut auch der Ausschuss für Planung, Bau und Verkehr der Stadt Wiesbaden den Weg für das Neubauvorhaben der Hochschule Fresenius freigemacht. Die Ausschussmitglieder haben dem Satzungsbeschluss zum vorhabenbezogenen Bebauungsplan der „Hochschule Moritzstraße“ im Ortsbezirk Mitte gestern zugestimmt. Damit kann die Baugenehmigung für das Hochschulgebäude zügig erteilt werden. Gleichfalls hat der Ausschuss auch der Genehmigung zum Ausheben der Baugrube zugestimmt. Als ebenfalls grundsätzlich gebongt gilt die Entscheidung, dass im eigentlichen Alten Gericht nun neben der ursprünglich geplanten kompletten Umwandlung in Wohnungen auch (Kreativ-)Gewerbe einen Platz finden soll. Das ist immerhin etwas, aber natürlich weit entfernt von Hoffnungen, das gesamte denkmalgeschützte und seit Jahren leer stehende Gebäude einer öffentlichen Nutzung zuzuführen. Fix ist hier allerdings noch nix, mit weiterführenden oder gar entscheidenden Gesprächen sollte aber demnächst zu rechnen sein. Interessant sind in diesem Zusammenhang auch aufgekommene Überlegungen, die angrenzende Gerichtsstraße autofrei werden zu lassen, um hier eine ganz neue „Aufenthaltsqualität“ zu erzielen.
Gestüt Renz: Ermutigt von überwältigender öffentlicher Unterstützung – zusätzlich zu unzähligen persönlichen Solidaritätsbekundungen und einer „Nachtdemo“ erreichte eine „Rettet das Gestüt“-Petition das Quorum von über 4250 Unterzeichnern – hat Betreiber Joerg Lichtenberg ein überarbeitetes Nutzungskonzept vorgelegt und letztes Wochenende mit der Sause zum 13. Geburtstag einen Neustart gefeiert. Mehr Kulturprogramm und ein stärkerer Fokus auf den Barbetrieb sollen die Nerostraßen-Institution im Rahmen der bestehenden Konzession und „urteilsgerecht“ am Leben erhalten. „Getanzt werden soll auch noch, allerdings in geringerem Umfang als früher“, macht Lichtenberg Hoffnung, dass das Gestüt seinen Charakter zwar modifiziert, aber nicht verliert und hat für Anfang nächsten Jahres ein Mediationsverfahren mit allen Beteiligten angeregt. Die wenigen Anwohner, denen das Nachtleben, das vom Gestüt ausgeht, ein Dorn im Auge ist, haben aber schon abgewunken – beziehungsweise von ihrem Anwalt Gerhard Strauch abwinken lassen – und zeigen wenig Interesse an Kompromissen.