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Blaue Stunde auf dem Barhocker: Tresentalk Spezial zur OB-Stichwahl – Podcasts online

Von Maximilian Wegener (Text und Fotos).

Im Rennen um die Nachfolge des scheidenden Oberbürgermeisters Sven Gerich sind nach dem ersten Wahlgang  zwei Konkurrenten übrig geblieben: Sozialdemokrat Gert-Uwe Mende und Unions-Kandidat Eberhard Seidensticker. Kurz vor der entscheidenden Stichwahl am kommenden Sonntag hatte sensor-Chefredakteur Dirk Fellinghauer zu einem „OB-Wahl-Tresentalk-Spezial“ in die Exil-Bar des gut gefüllten Walhalla im EXIL in der Nerostraße eingeladen.

Eberhard Seidensticker hatte seine Teilnahme an diesem Abend terminbedingt absagen müssen. Der Zeitplan ist bei beiden Kandidaten eng – kein Wunder, immerhin läuft so kurz vor der Stichwahl der Wahlkampf noch einmal auf Hochtouren. So stellte sich Gert-Uwe Mende – er kam ganz knapp  vor Beginn des Talks mit dem ESWE-Leihrad vom gemeinsamen „Verhör“ mit Eberhard Seidensticker durch die Grünen-Mitgliederversammlung im Hilde-Müller-Haus am Wallufer Platz in die Nerostraße – an diesem Abend allein den Fragen des Moderators, der Zuschauer (per Bierdeckel) und der „Überraschungsgäste“ von der Klimabewegung Fridays for Future.

Gelassenheit als Markenkern

Gert-Uwe Mende beschreibt sich selbst als genügsamen Typ: Ruhig, gelassen, ausgeglichen und nicht zu emotionalen Ausbrüchen neigend. Nachdem um den letzten SPD-Oberbürgermeister Sven Gerich, der ja als eher als schillernde Figur bekannt war, die Wogen zuletzt sehr hoch schlugen – und es weiterhin tun -, möchte sein potenzieller Nachfolger Mende offensichtlich bewusst bescheiden und nüchtern auftreten – und zwar ganz sprichwörtlich. Am Tresen blieb es jedenfalls beim Wasser.

Mende ist Historiker und ausgebildeter Journalist. Das habe sein Denken geprägt, sagt er: „Es muss alles auf den Tisch, dann kann man Entscheidungen treffen. Man muss bei den Fakten bleiben, und Fakten sollten auch die Meinungsbildung bestimmen, nicht persönliche Befindlichkeiten.“

Der OB als Impulsgeber, nicht als Macher 

Er sehe sich, so Mende, in der OB-Rolle nicht als Macher und Alleinentscheider, sondern eher als jemand, der in Magistrat und Stadtverordnetenversammlung Anstöße geben könne: „Der Oberbürgermeister muss Ideen und eine klare Meinung haben, er muss die Leute antreiben können.“ Teamwork und Reflexion seien dabei wichtig.

Der Moderator sprach an, dass es auch Stimmen in der Stadt gebe, die kritisch bis misstrauisch seien, ob der von Mende proklamierte „Neuanfang“ mit ihm – immerhin ist er stellvertretender SPD-Vorsitzender in Wiesbaden – tatsächlich gelingen könne. Auf die Frage, was er als OB konkret tun könne, um dem berüchtigten „Filzbaden“ den Kampf anzusagen, sagte Mende: „Definitiv mehr Transparenz bei Entscheidungen und Auftragsvergaben. Es hilft sicherlich auch, dass ich nicht in der Stadtverordnetenversammlung bin und in keinem Aufsichtsrat sitze. Ich bin nirgendwo verstrickt.“ Auch müssten der Beteiligungskodex und die Verpflichtung auf das Gemeinwohl konsequenter umgesetzt werden und die Anzahl an Geschäftsführern städtischer Unternehmen „wahrscheinlich reduziert werden.“

Kein „Schwamm drüber“ in aktuellen Affären

Zu den aktuellen Vorgängen, in die sein Parteifreund und Noch-Amtsinhaber Sven Gerich tief verwickelt ist, meinte Mende: „Die Aufklärung muss weitergehen – im Revisionsausschuss, im Akteneinsichtsausschuss, bei der Staatsanwaltschaft. Ich bin nicht der Auffassung `Schwamm drüber´“.

Gleichzeitig sei er froh, dass die zwischenzeitliche „Welle von Denunziationen“ in der Stadtpolitik und die Versuche, die Vorgänge politisch zu instrumentalisieren, abgeklungen sei und man wieder sachlich miteinander umgehen könne. „Niemand gewinnt durch solche Konflikte.“

Klimawende mit Mende? 

Klimaschutz stand an diesem Abend weit oben auf der Liste. Zu diesem Thema stand der Kandidat auch zwei „Überraschungsgästen“ der Fridays for Future-Bewegung, Emely Dilchert und Paul Berg, Rede und Antwort. Ihnen überließ Moderator Fellinghauer für 20 Minuten Mikro und Barhocker, um in direkten kritischen Austausch mit dem Kandidaten zu gehen. Mende betont, dass er sich von Beginn seiner Kandidatur an für den Klimaschutz ausgesprochen habe. Sein Motto: Global denken, lokal handeln. „Unabhängig davon, was in China gerade passiert, müssen wir hier unsere Klimaziele einhalten. Und die haben wir bisher, auch in Wiesbaden, völlig verfehlt.“

Ihm gehe es vor allem um die Themen Mobilität und Nachhaltigkeit. Die Citybahn spielt dabei die wesentliche Rolle. Mende macht keinen Hehl daraus, dass er pro Citybahn ist: „Ich habe mich zu jedem Zeitpunkt ohne zu Wackeln dafür positioniert“. Gleichzeitig spricht er sich aber für einen Bürgerentscheid aus, „weil ich überzeugt bin, dass man ihn gewinnen kann – mit einer positiven Botschaft und guten Faktenlage!“  Zur Sprache kamen aber auch Taktverdichtungen im Busverkehr und nachhaltige Energie, wie etwa Fernwärme und Fotovoltaik. Auf den Vorschlag eines kostenlosen ÖPNV-Tickets für alle reagierte Mende defensiv mit Hinweis auf die immensen Kosten, die nicht so ohne weiteres aufzubringen seien. Er halte aber vorläufig das 365-Euro-Ticket für einen Schritt in die richtige Richtung. Am geplanten neuen Stadtteil Ostfeld führt für Mende kein Weg vorbei, er will diesen aber zu einem „Pilot- und Vorzeigeprojekt für ökologisches Bauen und nachhaltige Stadtentwicklung“ machen.

Bierdeckel-Fragen aus dem Publikum

Rege genutzt wurde vom Publikum die Möglichkeit, per Bierdeckel Fragen an den Kandidaten zu stellen. Das Spektrum reichte hier von Waffenverbotszone („Nutzen beschränkt, aber richtet auch keinen größeren Schaden an, kann damit leben – Kontrolle nur wegen äußerem Erscheinungsbild darf es aber nicht geben“), Schwerlastverkehr-Belastung zum Beispiel im Bereich Sedanplatz/Seerobenstraße, Bedeutung von Kultur („Vielfalt, die ich erhalten will“, „Planungssicherheit vor allem für kleine Kulturinstitutionen schaffen“), Schaffung von generationsübergreifenden Begegnungsmöglichkeiten („in der Tat zu wenig Orte für interkulturellen oder generationenübergreifenden Austausch, aber Schlachthof oder auch Staatstheater sind gute Beispiele für Offenheit“), Schwierigkeiten bei der Durchführung von Straßenfesten durch engagierte Bürger (Vorschriften, Gebühren etc. – „heikler Punkt, wahnsinnig hohe bürokratische Hindernisse, das wichtigste sind zentrale Ansprechpartner bei der Stadt – übrigens auch für andere Themen wie zum Beispiel Bauen“) bis zu „Wie dem Zug nach rechts begegnen“ („Mit klarer Kante“).

Appell: Am Sonntag wählen gehen!

„Wir merken leider, dass nicht alle Bürger mitbekommen haben, dass es überhaupt eine Stichwahl gibt“, sagte Mende und appellierte deshalb dringend an alle Wiesbadener: „Jeder Wahlberechtigte kann am Sonntag wählen und sollte das auch tun!“ Über seine Chancen in der Wahl will er aber lieber nicht spekulieren. „Ich sehe mich weder als Favorit, noch als Underdog. Eine Wahl ist eine Wahl – bevor der Wahlleiter am Sonntag das Endergebnis bekannt gibt, ist nichts entschieden.“

Podcasts online – auch mit beiden Kandidaten

Zum Tresentalk Spezial hatte es leider nur einer der beiden Kandidaten geschafft – Eberhard Seidensticker war nur per Wahlkampfflyer „präsent“ (Foto (c) stadtleben.de – hier findet ihr die Stadtleben-Fotogalerie vom Tresentalk)

Den kompletten Tresentalk mit Gert-Uwe Mende könnt ihr hier nachhören oder direkt hier:

Einen Tag nach dem Tresentalk gab es ein letztes direktes Aufeinandertreffen beider Kontrahenten bei der IHK – das „Kandidatenduell“ ebenfalls als Podcast nachzuhören hier.

In der letzten Woche hatten die Tageszeitungen Wiesbadener Kurier/Wiesbadener Talkblatt Mende und Seidensticker zum Wahlforum ins „Wohnzimmer“ geladen – in voller Pracht anzuschauen hier:

Und wer nochmal reinhören will, wie sich Seidensticker und Mende beim „Visionären Frühschoppen“ vor dem ersten Wahlgang mit fünf der sieben Kandidat*innen im überfüllten Walhalla im Exil geschlagen hatten, kann dies hier tun:

Wie wählen?

Wen ihr wählt, müsst ihr selbst entscheidet.

Wie, wo und wann ihr wählt, erfahrt ihr hier.