Bericht aus dem Wiesbadener Kurier von Birgit Emnet. Archivfoto: wita/Paul Müller.
Das „Chez Mamie“ im Pariser Hof ist ein eingeführtes Restaurant mit französischer Küche nach „Großmutters Art“. Aus gesundheitlichen Gründen möchte der Inhaber Pascal Schmitt gerne an einen Nachfolger übergeben. Mit diesem, Martino Stirn, bereits handelseinig geworden, scheitert ein Vertrag nun offensichtlich an einem Veto der WIM-Geschäftsführung. Die Zukunft des „Chez Mamie“, so befürchten Schmitt und Stirn, stehe somit auf der Kippe. Grund für die Absage sollen persönliche Animositäten und alte Rechnungen sein.
Er sei, erzählt Pascal Schmitt, an Silvester 2011 auf das zur Verpachtung stehende Restaurant im Pariser Hof gestoßen. Mit der damaligen Betreiberin Susanne Fischer sei er rasch einig geworden, eine Vertragsgestaltung mit der WIM, dem Liegenschaftsfonds des städtischen Wiesbadener Immobilienmanagements, war nur noch Formsache: Schmitt wies seine Bonität nach und erhielt einen Zehnjahresvertrag.
Den kann der Gastronom nicht mehr erfüllen, denn er ist gesundheitlich schwer angeschlagen. „Ich bräuchte jetzt dringend eine Reha“, sagt der 65-Jährige, der an Leukämie erkrankt war, eine Knochenmarktransplantation hinter sich hat und nun, obwohl geschwächt, „aus Existenzgründen“ 16 Stunden am Tag arbeiten muss.
Dabei könnte er schon längst in Reha sein. Mit Martino Stirn, Inhaber von „Martinos Kitchen“, hat Schmitt schon vor Monaten eigentlich einen Nachfolger gefunden, bei dem alles passte. Das „Chez Mamie“ wollte Stirn in bewährter Tradition weiterführen, das Personal behalten. Auch war ein Abstand vereinbart, den Schmitt für seine laufenden Darlehen dringend braucht. Stirn sprach also bei der WIM vor, lieferte die geforderten Schufa-Nachweise und eine betriebswirtschaftliche Auswertung. Er habe, erzählt der gelernte Gastronom und Küchenchef, auch bereits einen Bankkredit klargemacht. Es fehlte nur noch der Pachtvertrag.
„Ich werde wegen meines Vaters abgestraft“
Dann kam das „Nein“. „Von ganz oben“, sagt Martino Stirn, denn er weiß, dass der Vertrag von der WIM-Geschäftsführung genehmigt werden muss. Und der Vorsitzende der Geschäftsführung, Ralph Schüler, habe, wie er erfuhr, den Pachtvertrag abgelehnt. Der Grund liegt für Stirn junior auf der Hand: „Ich werde wegen meines Vaters abgestraft.“
Mit Stirn senior vom Feinkostgeschäft „Trüffel“ nämlich hat Schüler, seinerzeit in seiner Funktion als Inhaber der Hausverwaltung Engelmann (die er heute noch vertraglich gesichert parallel zu seiner WIM-Tätigkeit weiterführen darf), einen alten Zwist. 2001 hat das „Trüffel“ den Standort von der Marktstraße in die Webergasse gewechselt, weil Manuel Stirn sich nicht habe „erpressen lassen wollen“, wie er gegenüber dieser Zeitung sagte. Nach seiner Darstellung hätte sich die Miete für weitere zehn Jahre verdoppelt, zudem habe die Hausverwaltung Engelmann in Person Ralph Schüler 60.000 Mark gefordert für entsprechende Bemühungen um Verlängerung. „Das habe ich nicht mitmachen wollen“, begründete Stirn. Seither ist das Tischtuch zwischen beiden zerschnitten.
Und der Name Stirn verbrannt, wie Sohn Martino befürchtet. Er will das „Chez Mamie“ gerne als zweites Standbein aufbauen, sagt der junge Familienvater, der nicht verstehen kann, dass er nun in Sippenhaft genommen werden soll: „Ich bin doch eine andere Person, betreibe mein Geschäft mit meiner Frau.“ Die Begründung, dass die Gastronomie „wegen der Transparenz“ ausgeschrieben werden soll, kann Stirn junior nicht wirklich verstehen: Zwei Gastronomen seien doch schon im Pariser Hof gescheitert. „Der Nächste wird’s dort auch schwer haben.“ Auch garantiere er sowohl gastronomische Kontinuität als auch verlässliche Mieteinkünfte für die WIM. Stattdessen muss der kranke Wirt nun durchhalten, bis endlich eine Lösung für seine Nachfolge gefunden ist.
WIM: Kulturelle und gastronomische Nutzung verbinden
Zu dem Fall befragt, gibt Schüler selbst gar keine Antwort. Wie stets ist er für die Presse nicht zu erreichen. Stattdessen antwortet WIM-Geschäftsführer Hermann Kremer, der offiziell die „Presse- und Öffentlichkeitsarbeit“ verantwortet. Die Lesart nun: Die kulturellen Flächen im Pariser Hof stünden trotz punktueller Anmietung durch den Pächter des Restaurants seit 2012 leer. Man suche nun, falls der Pächter den Vertrag vorzeitig kündige, einen neuen, der sowohl die kulturelle als auch die gastronomische Nutzung übernehme. „Durch die Ausschreibung, an der sich jeder Interessent mit einem nachhaltig ganzheitlichen Konzept für die Gesamtfläche beteiligen kann, wird sichergestellt, dass die Auswahl des künftigen Betreibers in einem transparenten und nachvollziehbaren Verfahren erfolgt“. Dem Pächter stehe für die von der WIM gestellte Küche auch gar kein Abstand zu.
Auf die direkte Frage nach einem Einfluss der alten Schüler/Stirn-Fehde auf die Absage an Stirn junior lässt Kremer verlauten: „Die Frage nach etwaigen anderen Beweggründen kann nicht beantwortet werden, weil Herr Schüler mit dem Vorgang weder befasst ist, noch mit den Übernahmeinteressenten in persönlichem Kontakt steht.“ Letzteres mag stimmen, da die Beteiligten in der Tat Schüler noch nicht gesehen haben. Dass über den Schreibtisch des obersten Chefs, der sich ja sämtliche relevanten Vorgänge vorlegen lässt, ausgerechnet dieser nicht laufen soll, glauben aber weder Schmitt noch Stirn.