Interview: Dirk Fellinghauer. Foto: Simon Hegenberg
BERUF
Welche Aufgaben haben Sie als Barchef?
In erster Linie die Gästebetreuung natürlich. Vom warenwirtschaftlichen her hat sich da was verändert. Früher mussten Sie einfach nur Getränke ausgeben, heute müssen Sie ein Budget kalkulieren, ein Profit and Loss oder auch die Barkarte nach Einkaufs- und Verkaufspreisen. Man sollte gute Personalführung haben. Wir sind sechs Mitarbeiter in der Bar. Wichtig ist es, dem Gast zuhören zu können. Man schafft es nicht, ein guter Barchef zu sein, indem man ein Buch auswendig lernt mit 1000 Cocktailrezepten. Entscheidend ist, auf die Gäste einzugehen. Wenn einer reinkommt mit der Pfeife, setzt sich in die Ecke und bestellt ein Glas Rotwein, der möchte bestimmt kein Gespräch mit mir oder dem Kellner haben, der will seine Ruhe haben. Wenn einer sich an die Bar setzt und seinen Ferrari-Schlüssel auf die Theke knallt oder seinen Porsche-Schlüssel, der will, dass man sich mit ihm über sein Auto unterhält.
Die Nassauer Hof-Bar ist seit 1980 Ihr Arbeitsplatz. Wie hat sie sich über die Jahre und Jahrzehnte verändert?
Früher war die Bar ein Platz der Kommunikation. Heute ist es ein Platz der Telekommunikation. Leute kommen rein und fragen: Haben Sie kein Wifi, W-Lan? Wenn einer sein Laptop aufklappt oder, dann sage ich, wir haben Konferenzräume, wir haben eine Lobby, aber hier in der Bar haben wir das nicht so gerne. Wir sind noch eine klassische Bar. Vielleicht ist das unser Erfolg, dass wir dabei geblieben sind, die Tradition fortzuführen. Zu uns kommen auch verstärkt junge Leute, die das zu schätzen wissen. Ich frage sie: Was führt euch denn in so einen Laden hier? Die merken: ich dachte, das wäre hier ganz verstaubt, aber ist es ja gar nicht. Wenn da mal ein anderer Barchef kommt und bleibt der Schiene treu, dann wird das auch weiter laufen.
In der Nassauer Hof-Bar steht die Zeit also still?
Natürlich gibt es im Laufe der Zeit immer Veränderungen. Es werden neue Spirituosen aufgenommen, es gibt neue Trends, die mitgemacht werden. Aber da muss man nicht immer Vorreiter sein. Als die Molekularküche und Molekulardrinks aufkamen, habe ich gesagt, lasst uns das erstmal abwarten. Das hat ein Jahr gedauert, anderthalb Jahre, und nun ist alles wieder vorbei. Da bin ich froh, dass wir den Mist nicht mitgemacht haben. Es wird immer Veränderungen geben. Es gibt auch Veränderungen in der Musik. Aber wir streichen jetzt nicht das Klavier von Schwarz auf Gelb.
Sie haben viele Berühmtheiten bewirtet. Wer hat sie besonders beeindruckt?
Jassir Arafat! Da gab es die größten Sicherheitsvorkehrungen. Überall war Polizei. Der kommt rein, geht zum Aufzug, alles wunderbar. Da die Bar nah am Aufzug ist, hört er die Musik und kommt zur Bar. Die Sicherheitsleute sagen: No, No, No, it´s not possible. Doch, doch! Er kam in die Bar und hat eine Cola bestellt. Die Polizei wusste nicht, was sie machen sollte, weil andere Gäste auch schon in der Bar waren Dann hat er sich an den Kamin gesetzt, die Cola getrunken, der Pianistin eine Viertelstunde zugehört, das war sensationell. Und wer mich auch sehr beeindruckt hat: Frau Merkel. Sie musste auf Putin warten, der kam zu spät. Dann kam sie erstmal in die Bar, hat solang einen Wein getrunken. Putin kam dann schließlich auch noch. Beeindruckend war auch 1991 die erste Bambi-Verleihung. Da waren Siegfried & Roy da und Audrey Hepburn, Udo Jürgens hat am Klavier Musik gemacht, weil er es so geil fand. Das war eine der schönsten Nächte.
Sind auch Freundschaften mit Prominenten entstanden?
Nein. Freundschaften mit Gästen gibt es generell nicht. Ich tue mich auch heute noch schwer, mit Gästen per Du zu sein. Da gibt es vielleicht eine Handvoll, mit denen ich das mache. Auch unter Mitarbeitern ist das „Sie“ besser.
MENSCH
Haben Sie eine Hausbar?
Nein, zuhause trinke ich nicht. Wenn ich was trinken möchte, gehe ich weg. Ich habe ein paar Flaschen Whisky da, aus Sammlerleidenschaft, aber sonst nichts.
Wenn Sie was trinken gehen, wie trinken Sie dann?
Ich bleibe in der Stadt, lasse das Auto stehen, und trinke meistens Whisky oder ´n Gin Tonic, Cocktails trinke ich nicht, wenn ich weggehe. Nicht weil die Cocktails bei den Kollegen nicht gut sind, ich weiß auch nicht warum.
Bleiben Sie im Genussbereich, oder geht es auch mal über den Durst?
Auch schon mal über den Durst, jetzt eher nicht mehr, aber früher. Deshalb lasse ich das Auto ja stehen. Ich habe auch mein Lehrgeld bezahlt, der Führerschein war schon weg. Das gehört auch dazu, dass man mal einen trinkt. Abstinentes Nachtleben geht nicht.
Wie beurteilen Sie das Nachtleben in Wiesbaden aus der Gast-Perspektive?
Die jungen Leute sagen, es ist schlecht. Das Mittelalter sagt, es ist katastrophal. Die Älteren sagen, es ist gut, weil sie ihre Ruhe haben. Generell hat Wiesbaden schon den Zug verpasst. Da kann man neidlos sagen, da haben die Stadtmanager in Mainz ein bisschen mehr gemacht, obwohl sie die vor zwanzig Jahren ausgelacht haben. Heute ist da das Leben, und wir gucken in die Röhre. Wir haben die besseren Perspektiven, die besseren Plätze, aber machen nichts draus. Da hat die Stadt wirklich was verpennt. Das ist schade. Man kann auch gut essen gehen, spazieren gehen, einkaufen gehen, aber für junge Leute ist da nix. Und Mainz ist natürlich auch keine Entfernung. Da schmeißen vier Leute zusammen und nehmen sich ein Taxi und haben da das Nachtleben. Die Städteplaner waren einfach pfiffiger in Mainz. Die haben ein Konzept verfolgt, alle an einem Strang gezogen, und so ist das was geworden. Hier will jeder für sich selber machen, mal hier und mal da, so wird das nichts.
Was wünschen Sie Wiesbaden für 2014?
Mehr Entscheidungsfreudigkeit! Damit mal was weitergeht. R+V-Gebäude, Rhein-Main-Halle, Stadtmuseum – da fehlen die Entscheidungen, das ist alles so ein hin und her. Jeder macht ´ne Eingabe, dann wird es wieder auf Eis gelegt. Die Entscheidungsfreudigkeit muss steigen, dass einer sagt, es wird gemacht und fertig. Das beste Beispiel sind die Bowling Green-Konzerte. Für mich ist das der schönste Platz, da kommt Frankfurt nicht mit, das lassen die einfach so sausen, das geht einfach nicht.