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Das große 2×5-Interview: Gerhard Schulz, Schlachthof-Geschäftsführer. 51 Jahre, 1 Tochter.

Interview Dirk Fellinghauer. Foto Simon Hegenberg.

BERUF

Der Schlachthof erlebte einen fulminanten Neustart – wie ist die Stimmung jetzt, gut einen Monat nach der euphorisch gefeierten Eröffnung der neuen Halle? 

Die Stimmung ist von Euphorie und Neugierde geprägt. Es macht viel Freude uns kulturell wieder richtig ausleben zu können und zurück ins Geschäft zu kommen. Es ist ein super Gefühl, die volle Mannschaftsstärke wieder an Bord zu haben und unser Publikum im neuen „zu Hause“ zu empfangen. So ein neues Haus zu bespielen ist aber wie Neuland zu betreten. Alles ist neu und funktioniert, das macht uns hier und da zu schaffen. 

Bringt die Halle auch eine neue Ausrichtung, was Angebote, Inhalte und Zielgruppen angeht? 

Ich glaube nicht, dass das neue Gebäude zu einer neuen Ausrichtung führt. Wir werden höchstens kompletter und komplexer. Wir können durch technische und räumliche Gegebenheiten heute Dinge machen, die wir früher gerne getan hätten, dazu aber nicht in der Lage waren. 

Sie halten auch weiter am Modell des Kollektivs fest. Ist das noch zeitgemäß und praktikabel für das Unternehmen Schlachthof in seiner mittlerweile beachtlichen Größenordnung? 

Wir werden das Prinzip des Kollektivs nie verlieren sondern es immer weiter entwickeln. Das hat nichts mit der Größe des Betriebs zu tun. Es bleibt ein spannendes Thema und eine Herausforderung. Spezialisierungs- und Entscheidungsprozesse brauchen Hierarchien, selbst im Kollektiv. So mutig muss man sein. Grundsätzliche Fragen,  Entscheidungen, Werte und Ausrichtungen werden weiterhin im Kollektiv diskutiert. Das bleibt die Basis allen Handelns. 

Der lange Weg des Schlachthofs war nicht nur ein leichter, es gab auch schwierige und schwierigste Zeiten – haben Sie jemals ans Hinschmeißen gedacht? 

Persönlich ja!  Als Institution nein!  Es gab immer wieder – zum Teil große – Schwierigkeiten: Von außen, von innen, technisch, politisch, finanziell, ganz unterschiedlich. 

Die ganze Stadt redet vom Schlachthof, da könnten kleinere Institutionen wie Kulturpalast oder Kreativfabrik um, auch finanzielle, Aufmerksamkeit fürchten. Kriegt der Schlachthof das mit, und interessiert ihn das?

Bevor es der Schlachthof geschafft hatte gab es keinen Ort für „diese Kultur“. Der Schlachthof war wie ein Eisbrecher. Ich glaube, dass Kreativfabrik oder Kulturpalast letztlich  entstehen konnten, weil der Schlachthof diesen Raum in Wiesbaden erkämpft hatte. Wir blicken aber über unseren Tellerrand hinaus: Alle Kulturbetriebe sollten in Räumlichkeiten arbeiten können, in denen die Rahmenbedingungen stimmen! Erst dann kann man sich auf seinen Schwerpunkt konzentrieren: Durch Kulturarbeit einen Beitrag für das Leben in der Stadt leisten. Der Schlachthof kann gerne als gutes Beispiel fungieren, sowohl in Wiesbaden als auch in Deutschland. Ich habe unserem OB angeboten, mit ihm auf Werbetour zu gehen.

 MENSCH 

Wie würden Sie, in aller Kürze, ihre Weltanschauung beschreiben? 

Es gibt ein schönes Zitat: „Man muss die Welt so nehmen wie sie ist, aber man muss sie nicht so lassen.“ Das beschreibt sehr viel von dem, was ich denke. Mir ist wichtig, dass der Anspruch die Wirklichkeit nicht überholt, sprich: Die Theorie muss praktikabel sein. Ich bin ein großer Freund von schwierigen Fragen, vom Nachhaken und auch von Streit, im positiven Sinne, um Argumentationen zu schärfen und ausgewogene und reflektierte Antworten und Lösungen zu finden. Plattitüden und Schnell-Schnell bringen (mir) nichts. Die Kunst ist: Probleme gemeinsam zu meistern. 

Sind Sie nachtragend? 

Nein, nachtragend bin ich nicht … dafür  hab´ ich keine Zeit!  Aber ich bestehe darauf Konflikte zu klären. 

Was war die größte Dummheit Ihres Lebens? 

Ich denke nicht, dass ich große Dummheiten gemacht habe, aber – es gibt Dinge, die ich anders hätte machen können. Ich habe in der Schule mein Potential nicht ausgenutzt und kein Abi gemacht. Das führt dazu, dass ich erst jetzt studiere. Heute weiß ich aber ganz genau, wozu das Studium dient! Die Abfolge wäre eine andere gewesen aber dumm war / ist es nicht. Es wäre auch anders gewesen, wenn ich früher Vater geworden wäre. Oder: Wer weiß welche Chancen ich gehabt hätte, wenn ich nicht im Schlachthof angefangen hätte? Hätte ich in die Politik gehen sollen? Zimmermann ist der schönste Beruf den es gibt! Das aufzugeben ist mir schwer gefallen. Trotzdem war es richtig und keine Dummheit. Die spürbarste Dummheit meines Lebens war vielleicht, dass ich mit einer XT 500 nach Portugal gefahren bin und zurück. Das war ein unglaublicher Höllenritt auf einem Einzylinder! Mann o Mann. Aber die Reise selber war cool. 

Zeitungen stecken in der Krise  – wie informieren Sie sich, welche Zeitungen und Zeitschriften lesen Sie regelmäßig? 

Ich lese die Wiesbadener Lokalpresse, an Magazinen den sensor – ja, ist so! – die anderen blättere ich mal so durch. Wenn ich es schaffe, lese ich gerne Die Zeit. Die Rundschau haben wir auch, aber das ist mir im Alltag ehrlich gesagt  zu viel. Ich kann nicht jeden Tag drei / vier Zeitungen lesen. Spiegel lese ich mal, aber nicht regelmäßig. Bei Gelegenheit schaue ich im Fernsehen gerne die Polit-Talkshows. 

Was ist Ihr größter persönlicher Wunsch für 2013? 

Zum einen wollen wir einen Feldenkrais-Urlaub in Israel machen. Und ich möchte meine Fähigkeiten im Fliegenfischen erweitern. Nach einer Schulter-OP konnte ich endlich anfangen das zu lernen. Und im nächsten Jahr steht das Ende meines Studiums an.

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