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Das Stadtmuseum Wiesbaden ist vom Tisch – die beschlossenen Kultur-Kürzungen sind es nicht

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Text und Fotos: Dirk Fellinghauer.

Dienstag, 16.12., es ist – symbolträchtig – kurz nach Zwölf. Mit versteinerten Mienen betreten Oberbürgermeister Sven Gerich, Kulturdezernentin Rose-Lore Scholz und die beiden Fraktionschefs der regierenden Großen Koalition, Bernhard Lorenz (CDU) und Christoph Manjura (SPD), den Raum 301 .- das CDU-Fraktionszimmer – im Wiesbadener Rathaus. Sie nehmen gemeinsam Platz am Tisch unter einem Kruzifix und vor einem Adventskranz und Weihnachtsplätzchen. Ihnen gegenüber sitzt erwartungsvoll, ebenfalls mit Plätzchen versorgt, die versammelte Landeshauptstadtpresse, dahinter hat sich – ungewöhnlich für eine Pressekonferenz – ein stattliches Publikum aus Akteuren des Wiesbadener Kultur- und Gesellschaftslebens sowie der Opposition eingefunden. Sie alle wissen, was in wenigen Minuten gesagt werden wird: „Das Stadtmuseum Wiesbaden wird in der geplanten und beschlossenen Weise nicht gebaut“. Die aus allen Richtungen Herbeigeeilten wissen noch nicht, und sind darauf besonders gespannt, wie es gesagt werden wird – und vor allem, wie es erklärt werden wird.

„Die geringe Akzeptanz des Finanzierungsmodells, aber auch bei der Architektur, schuf eine argumentatitve Gemengelage, gegen die kein argumentatives Kraut gewachsen war.“ Der Satz der gemeinsamen Pressemitteilung von CDU und SPD klingt so kompliziert und krude, wie das ganze Vorhaben Stadtmuseum Wiesbaden längst geraten war. Viele gesprochene Worte während der Pressekonferenz waren auch nicht klarer, geschweige denn erhellender. Klar wurde, dass das Thema Stadtmuseum für die Großkoalitionäre mit diesem Entschluss komplett gestorben ist, nun also auch keine kleineren Alternativlösungen, etwa in bestehenden Gebäuden der Stadt, angestrebt werden. Auch das „Schaufenster Stadtmuseum“ dürfte demnach nach Auslaufen des Mietvertrags Ende 2015 geschlossen werden. Viele Fragen zu den Konsequenzen des Ausstiegs, etwa, ob die Stadt das Gründstück auf der Wilhelmstraße vom Investor OFB zurückkauft, konnten oder wollten die Verantwortlichen heute noch nicht beantworten und müssen nun geklärt werden. Laut Bericht der Frankfurter Rundschau hat die OFB allerdings bereits verlauten lassen, dass sie das Gelände keineswegs an die Stadt zurückverkaufen möchte, sondern es auch ohne Museum weiterentwickeln wolle.

Sieg des Bürgerwillens

Eine unmissverständliche – und erfreuliche – Botschaft: Die heutige Entscheidung ist ein Sieg des Bürgerwillens. Die Politiker machten keinen Hehl daraus, dass sie auf „das große Echo auf das Bürgerbegehren gegen das Mietmodell mit dem Investor OFB“ und die „immer lauter gewordene Kritik aus der Bevölkerung“ reagiert haben, als sie entschlossen, „nun die Reißleine zu ziehen“.

Einen Dämpfer bekommt die entsprechend gute Stimmung, die sich nach Bekanntwerden der Entscheidung schnell in den sozialen Medien unter Kritikern des umstrittenen Stadtmuseums und insbesondere des Miemodells breit machte, durch eine weitere Botschaft der Pressekonferenz.

Auch ohne Museum: Festhalten an Kultur-Kürzungen

Man würde es der Logik folgend annehmen, aber: Die umfangreichen Kürzungsvorhaben im Kulturbereich, deren Bekanntwerden die Menschen in der Stadt erst richtig zum Aufwachen gebracht und den breiten Widerstand befeuert hatten, werden mit dem „Aus“ für das Stadtmuseum – dessen Finanzierung sie eigentlich dienen sollten –  keineswegs zurückgenommen. CDU-Fraktionschef Lorenz vereinte die entsprechende Frage mit größter Selbstverständlichkeit: „Die Einsparpläne sind definitiv nicht vom Tisch!“. Der Zuschuss für den Pariser Hof in der Spiegelgasse sei „erledigt“, der Ausstieg auf dem Kulturfonds RheinMain werde geprüft, das Thema Kunstsommer werde zu gegebener Zeit beraten. Hier sind nun die Kulturschaffenden gefragt, nicht nachzulassen, Präsenz zu zeigen und Forderungen zu stellen – und das am besten an einem gemeinsamen starken Strang und möglichst jenseits jeglichen Konkurrenzdenkens im Kampf um Fördermittel.

Konsequenzen? Fehlanzeige!

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Wer irgendwelche, womöglich gar personelle, Konsequenzen aus dem Desaster erwartet, wird vorerst ebenfalls enttäuscht. „Die Konsequenz ist, das wir hier sitzen“, lautete die Antwort der Stadtpolitiker, die nun vor den Trümmern ihrer Stadtmuseum-Idee stehen und dafür nun alle möglichen verantwortlich machen, aber zuallerletzt sich selbst. Kulturdezernentin Rose-Lore Scholz gestand immerhin eine „persönliche Niederlage“ ein und meinte, sie sei „sehr traurig“, dass ihre „Vision“ von einem Stadtmuseum nicht Wirklichkeit wird. Sie sprach von ihrer „großen Enttäuschung“ und beklagte sich auch, dass prominente Befürworter des Stadtmuseums sich nicht reger zu Wort gemeldet hätten. Dass sie selbst als Hauptverantwortliche das ihr so wichtige Projekt nicht besser vermittelt hat, scheint für die in der entscheidenden Diskussionsphase völlig abgetauchten Dezernentin kein Anlass zur Selbstkritik zu sein. SPD-Fraktionschef Manjura ließ durchblicken, „dass sicher alle hier nicht alles nochmal genauso machen würden“. Sein CDU-Pendant Lorenz wählte den Weg, entweder gar nicht oder herablassend auf Fragen zu antworten und lieber anderen die Verantwortung für den Lauf der Dinge zuzuschreiben – zum Beispiel der „dritten Gewalt“ oder jenen, die die doch eigentlich total klare Angelegenheit Stadtmuseum – „eine Frage des Dreisatzes“ – einfach nicht kapiert hätten. „Auch für mich ist das heute ein trauriger Tag, es ist kein schöner Tag“, gab sich auch OB Sven Gerich zerknirscht über das gescheiterte Projekt. Im Anschluss an die Pressekonferenz bejahte er die sensor-Nachfrage, ob der heutige Tag denn nicht immerhin ein „schöner Tag“ mit Blick auf die von ihm so propagierte Bürgerbeteiligung sei: „Wir brauchen neue Ansätze, ein neues Denken und Offenheit“, will der Rathauschef als Hausaufgaben mitnehmen.

SPD ergrifft die Initiative zum Ausstieg

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Den entscheidenden Schritt zum Ausstieg aus dem immer abenteuerlicher erschienenen Projekt Stadtmuseum unternahm die SPD, wie Fraktionschef Christoph Manjura schilderte. Seine Partei sei in der letzten Woche „mehr und zu der Kenntnis gekommen, dass das Projekt so nicht mehr gewinnbar ist.“ So sei der Entschluss gefallen, dass er bei der üblichen montäglichen Runde auf seinen Fraktionschef-Kollegen Bernhard Lorenz von der CDU zugehe, um den Ausstieg auszuloten – „unter der Prämisse, dass ein Ausstieg nur mit einem Festhalten am Fortbestand der Großen Koalition gelingen kann“. Nachdem die Fraktionsspitzen sich einig waren, brachten sie den Vorschlag in die abendlichen Fraktionssitzungen von SPD und CDU ein, wo sie  „ausreichende Mehrheiten“ fanden. Genauer wollte CDU-Fraktionschef nicht werden, es sei aber die längste Diskussion gewesen, die es in seiner Zeit als Fraktionsvorsitzender je gegeben hätte. Um kurz vor Mitternacht war der Beschluss unter Dach und Fach, heute früh um 10 Uhr wurden die Medien zur Pressekonferenz um 12 Uhr eingeladen.

Bürgerbegehren läuft vorerst weiter

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Auch Initiatoren des nun vorab erfolgreichen Bürgerbegehrens „Nein zum Mietmodell für das Stadtmuseum – Ja zur Aufhebung des Stadtparlamentsbeschlusses“ kamen zur Pressekonferenz. Sie widersprachen im Anschluss vehement der Darstellung der beiden Fraktionschefs, sie hätten Unterschriften gegen ein Stadtmuseum generell gesammelt und die Menschen hätten auch genau dagegen unterschrieben. „Wir haben an den Ständen erfahren, dass die Bürger sehr wohl für ein Stadtmuseum sind, aber gegen ein Mietmodell“, berichtete Brigitte Forßbohm. „Das Verhältnis war vielleicht 60% gegen das Mietmodell, 40% gegen ein Stadtmuseum generell, das dann in der Regel mit Argumenten wie, man müsse erstmal die Schulen in einen ordentlichen Zustand bringen – Pflicht vor Luxus“, konkretisierte Herbert Bohr, Vertrauensmann des Bürgerbegehrens, das vorerst weiterlaufe. „Wir erwarten eine Rücknahme des Beschlusses in der Stadtverordnetenversammlung“, erklärte Forßbohm auch hier eine konträre Meinung zu CDU-Fraktionschef Lorenz, der dies in der Pressekonferenz als überflüssig erklärt hatte. Die Initiatoren des Bürgerbegehrens freuen sich, dass ihre Initiative eine „so breite öffentliche Debatte über das Stadtmuseum zustande gebracht hat“ und die Wiesbadener aufgeweckt hat. „Wenn man diesen Schwung und dieses Engagement noch mitnehmen könnte, könnte das Thema Stadtmuseum nochmal an Fahrt gewinnen“, würde Forßbohm bedauern, wenn das Thema nun für alle Zeiten beerdigt würde. Heute um 19.30 Uhr findet wie geplant die „Halbzeit“-Veranstaltung zum Bürgerbegehren im „Treffpunkt Aktiv“ in der Adlerstraße 19 statt.