Das war´s dann wohl mit Folklore,
solche Gedanken, liebe sensor-Leser, gingen mir in den letzten Wochen manchmal durch den Kopf, wenn ich las und hörte, was sich so rund um der Stadt wichtigstes Festival tut. Ich hoffe, ich habe den Folklore-Fans einen schönen Schrecken eingejagt mit dem Gedanken, wie es wohl wäre, wenn es das gewesen wäre mit Folklore. Ist es ja nicht, zum Glück, das kann ich zur Beruhigung schon mal sagen. Aber nur mal angenommen …
Es wäre eine Katastrophe – für jeden einzelnen Festivalgänger, der Folklore genau als das kennt und liebt, was es (bisher) ist: ein buntes, spannendes, aufregendes, fröhliches, ausgelassenes, überraschendes Festival für: alle.
Und eine Katastrophe für die Stadt, weil Folklore nach außen ein Aushängeschild ist – welches Festival darf sich schon per einstimmigem (!) Parlamentsbeschluss „Kulturgut“ nennen? – und nach innen gerade Identifikation durch Emotion schafft und sogar jenen, die sich schwer tun mit ihrer Stadt, ein gutes Gefühl, ein gutes Wiesbaden-Gefühl gibt: „Wenigstens gibt es Folklore“ …
Folklore hat eine besondere Atmosphäre, ein besonderes Programm und nicht zuletzt einen besonderen Eintrittspreis. Bisher. Und nun? Bekommt das Festival, das seit 1977 (!) eindrückliche Ausrufezeichen in unserer Stadt setzt, plötzlich jede Menge Fragezeichen.
Es ändert sich was, sogar einiges, bei Folklore, das steht schon mal fest. Das Unterfangen, Antworten auf drängende Fragen, wie genau es weitergehen soll, zu bekommen, gestaltete sich für den Autor unserer Titelstory gar nicht so einfach. Aber schließlich hat er sie doch bekommen. Manche Antworten erklären einiges, andere werfen neue Fragen auf – zum Beispiel, wenn Organisator Dietmar Krah ganz lapidar erklärt, die langjährigen Besucher, denen Folklore vielleicht in Zukunft nicht mehr passt, könnten sich ja dieses Jahr verabschieden. Oder wenn ich verwundert lese, dass Gesprächspartner ihren Namen nicht nennen wollen. Reden wir hier über Russland, Türkei oder China oder von einem Festival, das immer auch ein Ort offenen Austauschs auch unterschiedlicher Meinungen war?
Der Hobbypsychologe in mir fragt sich: Kann es sein, dass die verdienten langjährigen Macher vielleicht einfach ein wenig müde sind, dass sie auch, was nur zu verständlich wäre, vieles leid sind in Sachen Folklore? Kann ja sein. Darf auch sein. Ist es wirklich so, frage ich mich: Warum versucht man nicht, die nächste Generation mit ins Organisationsboot zu holen? Wenn Erfahrung auf frischen Enthusiasmus trifft, kann vielleicht am Ende ungeahnt Großartiges entstehen. An allen Ecken und Enden unserer Stadt wird der Generationenwechsel gerade vorgemacht: IHK, Museum, Staatstheater, CDU, Dacho – alle lassen die Jüngeren ran. Vielleicht auch eine Idee für Folklore?
Gefordert ist natürlich auch das Publikum, die Folklore-Gänger (jeden Alters). Sie müssen – rechtzeitig im Vorfeld während eines Diskussionsprozesses – deutlich machen, wie wichtig Folklore ist. Und sie müssen deutlich artikulieren, was ihnen an Folklore wichtig ist. Die Macher brauchen das Publikum, das Publikum braucht die Macher – am allerbesten gemeinsam und im intensiven und offenen Austausch können sie sich dafür anstrengen, dass Folklore kein beliebiges Festival wird, sondern dass Folklore ein besonderes Festival bleibt.
Unterm Strich keimt in mir – auch wenn der Stand der in Erfahrung gebrachten Dinge nicht alle Sorgen ausräumt – bei der Lektüre der Titelgeschichte die Hoffnung und Zuversicht, dass es das wohl nicht war mit Folklore. Wäre ja auch schlimm.
Es klingt pathetisch, aber es steht viel auf dem Spiel.
Wir sehen uns bei Folklore 014! Und hoffentlich auch bei Folklore 015, 016, 017 …
Dirk Fellinghauer – sensor-Romantiker
(Foto Frank Meißner)
Seit das Clöeb geschlossen und der Schlachthof umgebaut wurde sollte eigentlich jedem klar sein: Die Stadt Wiesbaden versteht (Sub-)Kultur und deren Bedeutung für die Stadt und Gesellschaft nicht.