Von Anja Baumgart-Pietsch Fotos Tim Dechent
Schokolade macht glücklich. Wissen wir doch alle, oder? Ab und zu muss es einfach was Süßes sein, gerade in der kühleren Jahreszeit, wenn die Bikinis wieder eingepackt werden….. Schokolade muss auch nicht immer „quadratisch-praktisch-gut“ oder lila sein. In Wiesbaden gibt es auf engem Raum zahlreiche Läden, die das Gegenteil beweisen: Schokolade kann auch Kunst sein!
Und, bevor wir uns auf den kleinen, süßen Rundgang durch die Gassen der Stadt begeben, noch ein paar Fakten, die nicht nur das Gewissen beruhigen, sondern regelrecht zum Konsum anregen: Denn wer von uns kennt ihn nicht, diesen Heißhunger nach einem Stück Schokolade, gerade wenn man frustriert, gestresst oder traurig ist oder sich einfach nur nach anstrengender körperlicher oder geistiger Arbeit mit diesem süßen Trost belohnen möchte? Schokolade wirkt sich tatsächlich positiv auf Stimmung und Gefühl aus und ist sogar imstande, depressive Verstimmungen zu vertreiben, die Wissenschaft hat’s festgestellt: In jahrelangen Untersuchungen in den USA wurde die Substanz gefunden, welche die Schokolade quasi zur Medizin macht: Phenyläthylamin. Es steuert über das Gehirn positive Emotionen, hilft, positive Nervenimpulse weiterzuleiten. Schoki wirkt also bei trüber Stimmung wie ein Aufputschmittel. Ach ja, wen es interessiert: Sie hat außerdem aphrodisische Wirkung…
Pralinenkunstwerke
Solchermaßen mit theoretischem Überbau versehen, steigen wir gleich neben der Stadtbücherei in unseren Rundgang ein: Im „Kakaobaum“. Hier verkauft Irina Stamos in edler, braun-gold-roter Umgebung wahre Pralinenkunstwerke. Viele davon kommen aus Frankreich, von Daniel Rebert. Der „Kakaobaum“ ist eines von nur drei Geschäften in Deutschland, die die Pralinen des Elsässer Spitzen-Chocolatiers aus Wissembourg führen. Und nicht nur das: Rebert selbst war auch schon ein paar Mal da, um über seine Kunst zu sprechen. In der Spezialtheke, die in Italien angefertigt wurde, präsentiert Irina Stamos so appetitliche Kreationen wie Earl Grey, Caramel mit salziger Butter, „Uribia“ mit dem besonders exklusiven Criollo-Kakao oder Sarawak-Pfeffer. Doch Rebert ist nicht der einzige Lieferant des Kakaobaums. Es gibt zum Beispiel auch Süßes von Timo Meyer, einem jungen Chocolatier aus der Pfalz. Mit ihm hat Irina Stamos sogar zwei Wiesbaden-Pralinen entwickelt: Die Variante für Erwachsene wird mit Champagner und Wodka zubereitet – auch als Reverenz an die russische Vergangenheit – und die für Kinder enthält Orangen-Nougat und Knallbrause. „Ich habe zwei Stammgäste, kleine Jungs, die sich immer nur eine einzige Praline bei mir kaufen“, erzählt die nette Inhaberin. Das geht nämlich auch!
Um die Ecke, in der Grabenstraße, geht es süß und cremig weiter. Dort hat Michaela Feudtner im Sommer „Sweet Sensations“ eröffnet. Cupcakes sind die Spezialität der begnadeten Bäckerin. Das sind kleine Törtchen mit einer unwiderstehlichen Cremehaube. Der Inhalt: „Keine Chemie, keine Backmischungen, keine Pulverprodukte, statt dessen Eier von freilaufenden Hühnern, Bio-Weinstein-Backpulver, Schokolade von Callebaut, hochwertiges Mehl und bester Zucker“, beschreibt die Inhaberin, die in ihrem türkis-braunen kleinen Schmuckkästchen auch Wünsche nach veganen, laktose- oder glutenfreien Cakes erfüllen kann. Und reine Poesie sind die Namen der Sorten: „Chocolate Overload“, „Nuttier than you“ „Very Berry“, „Caramel Sensation“, „Strawberry Rose“ – zehn Lieblingssorten gibt es immer, dazu zwei Spezialsorten, die täglich wechseln. Eigentlich strenggenommen gar kein Schoko-Laden, aber süß trotzdem…
Einmal um die Schokowelt
Nur ein Häuschen weiter ist ein echtes Schokoparadies. Bei Katrin Flietner kann man eine richtige Weltreise antreten. Belgien oder die Schweiz als Schoko-Land kennt ja jeder, aber haben Sie schon mal Schokolade aus Grenada, aus Ungarn, Spanien oder aus Vietnam gegessen? Bei Katrin Flietner geht es rund um den Globus, sie findet mit ihrer echten Schoko-Spürnase Neues aus aller Welt, und schon die Regale mit den bunten Verpackungen sind eine Schau. Darunter auch Schokoladiges, das man nicht essen kann: „Ganache for Lips“ heißen die amerikanischen Lippenpflegestifte in den „Geschmacksrichtungen“ Marzipan, Chocolate Mousse oder Mocha Latte… wohl das einzige, das hier nicht in die Kalorienbilanz eingeht…
Und wir sind immer noch in der Grabenstraße. Ein paar Schritte hinter dem Bäckerbrunnen lädt Susanne Wenzel in ihre Chocolaterie „am Hessischen Landtag“. Dort gibt es Erlesenes der Osnabrücker Manufaktur Leysieffer, von Coppeneur und anderen exklusiven Marken. Sogar Laptops aus Schokolade kann man kaufen, um mal einen Abend „offline“ zu genießen, auch andere „Objekte“ sind im Angebot. Bekannt geworden ist Susanne Wenzel vor einigen Jahren auch als Anbieterin von laktose- und glutenfreien Süßigkeiten auf Schafs- und Ziegenmilchbasis unter der Marke „Chocolina“. Die gibt’s hier immer noch, aber inzwischen sind Angebot und Schwerpunkte stark verändert worden, sagt Wenzel, die von Beruf Heilpraktikerin ist und auch noch ein schickes, kleines Cafe-Restaurant in der Altstadt betreibt – eine echte Powerfrau – dank Schokolade?
Zu schade zum Aufessen – fast
Am Ende der Grabenstraße muss sich der Wiesbadener Schokoholiker entscheiden – nach links oder nach rechts? Links rum ginge es zu Florian Köller und seinem „L‘Art Sucré“. Der Name ist Programm: Französisch, süß, kunstvoll. Köller, ein ehemaliger Banker, hat hier seine Zweitkarriere eingeschlagen. Und mit Erfolg: Was er und seine Frau Sandra hier präsentieren, gibt es so sicher nicht noch einmal in Wiesbaden. Französische Patisseriekunst vom Feinsten: Macarons in allen Farben und in Sorten wie Kokosnuss-Mango, Zitrone-Ingwer oder Karamell mit gesalzener Butter, bunte Törtchen, handgeschöpfte Schokolade, Pralinen – fast zu schade zum Aufessen, aber eben nur fast. Diese Kunstobjekte zergehen auf der Zunge – konsequenterweise entstehen sie auch im „Patisserie-Atelier“, wie der freundliche Inhaber seinen Kunden gerne erklärt. Französisches Frühstück oder Kaffee serviert er übrigens auch.
In einem großen Bogen gelangt die schokophile Wiesbadenerin dann auf den Marktplatz in ein ganz traditionelles Geschäft, das schon Jahrzehnte besteht: „Konfitüren Paul“ heißt es und gehört zum Wiesbadener Premium-Hersteller Kunder. Dort berät Delana Barth schon einmal gezielt auf den Geschenk-Empfänger abgestimmt: Herr oder Dame? In welchem Alter? Eher Nougat- oder Marzipan-Fan, oder vielleicht lieber mit alkoholischen Füllungen? Dutzende Sorten Pralinen stehen zur Verfügung. Gerne werden von Touristen zum Beispiel die rosafarbenen „Wiesbadener Küsschen“ genommen. „Aber auch unsere handgemachten Lebkuchen sind ein Renner“, sagt Barth. Natürlich gibt es bei „Paul“ auch Ware von exklusiven Schoko-Herstellern. „Sawade“ aus Berlin sei da ein Premiumprodukt, meint Delana Barth. „Die machen auch meine eigene Lieblingspraline: Einen Rum-Sahne-Trüffel“, so die Schokoladenexpertin, die betont: „Kein Tag ohne Schokolade!“ Ein Traumjob!
Abendessen-Ersatz
Und schließlich findet, wer die ganz dicken, sahnigen belgischen Pralinen schätzt, selbige bei Michèle van Beirs im „Le pétit Belge“ in den Wilhelm-Arcaden. Dieses nette kleine Café hat die Belgierin vor zwei Jahren eröffnet und hat dort alles im Angebot, was aus dem Nachbarland in kulinarischer Hinsicht gut und kalorienreich ist: Waffeln, Bier in allen möglichen Geschmacksrichtungen, Ardenner Schinken und Käse – und eben die Leonidas-Pralinen, von denen zwei locker ein ganzes Abendessen ersetzen.
Seltsamerweise sind alle Pralinenläden-Inhaberinnen rank und schlank – sollte es das Geheim-Diätrezept sein, einfach einen Schokoladen-Laden aufzumachen? Michèle Van Beirs hat sogar noch einen Laden für exklusive Dessous direkt nebenan… da darf man eigentlich gar nicht zu tief ins Süße greifen… wie machen die Pralinen-Ladies das bloß? Doch bevor wir den süßen Rundgang durch Wiesbaden beenden, hier noch ein ganz besonderer Geheimtipp, für den man die Innenstadt allerdings verlassen muss: Gehlhaar-Marzipan an der Ringkirche. Dort machen Michael und Stefani Peißker eigenhändig das allerbeste Marzipan der Welt – nach ostpreußischem Rezept, aus Mandeln, Rosenöl und Zucker, verkauft in nostalgischen Holzkistchen, einfach ein Gedicht.
Kakaobaum, Neugasse 13
Sweet Sensations Grabenstr. 22
Xocoatl Grabenstr 24
Chocolade am Hessischen Landtag, Grabenstr. 9
L’Art Sucré, Am Römertor 7
Konfitüren Paul, Marktstr. 12
Le petit Belge, Wilhelmstr 36
Gehlhaar Marzipan, Klarenthaler Str. 3