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Der große Test: Kinos in Wiesbaden und Mainz – Leinwand frei rechts und links des Rheins

Von Carolin Hartmann und Ulrike Melsbach. Fotos Jonas Otte .

Trotz all der mehr oder weniger ernst gemeinten Kabbeleien teilen unsere benachbarten Hauptstädte doch mehr, als mancher glaubt: beispielsweise die Leidenschaft für Film und Kino. Ein Rundum-Blick in alphabetischer Reihenfolge.

Caligari FilmBühne (Wiesbaden)
„Ein Juwel unter den deutschen Lichtspielhäusern“, wie es der in Wiesbaden geborene Oscar-Preisträger Volker Schlöndorff nannte, hat Geburtstag. Seit nun neunzig Jahren gibt es die denkmalgeschützte Spielstätte am Marktplatz, wenn auch mit wechselnden Betreibern und Namen – am 21. Dezember 1926 eröffnet als „Ufa im Park“, seit 1980 das Caligari Das Programm gestaltet das Kulturamt gemeinsam mit dem Deutschen Filminstitut DIF. Vier kenntnisreiche Köpfe stecken hinter der Programmierung: Andreas Heidenreich (2. v.l.) macht an zwei Tagen den Programmteil des Deutschen Filminstituts.

Die fünf „kommunalen“ Wochentage gestalten Uwe Stellberger (2.v.r.) und Claudia Steiger (li.) mit historischen Filmen und thematischen Reihen zu gesellschaftspolitischen Fragestellungen, zu denen auch immer wieder Filmschaffende als Gäste begrüßt werden. Reihen wie „Filmstadt Wiesbaden“, „Kulturnacht“ oder „Film & Frühstück“ sorgen für Akzente. Für das „Traumkino“ und „Kino macht Schule“ ist Katrin Farner-Kölle (re.) verantwortlich. Sie reserviert die Samstag- und Sonntagnachmittage für die „jungen Freunde des Films“.

Hervorzuheben sind die Kooperationen mit den Festivals „goEast“ und „Exground“. Das Caligari ist an dieser Stelle immer aktiver Mitgestalter und nicht bloße „Abspielstätte“. Das Caligari ist ein Erfolgs-Konzept auf allen Ebenen: Seit 2001 konnte man die Vorstellungen verdoppeln und die Besucherzahlen vervielfachen. Mit Preisen und Auszeichnungen kann man bald die halbe Leinwand tapezieren. Am 21. Dezember wurde Geburtstag gefeiert; mit einem Abend, dessen Programm die Vielfalt des Kinos widerspiegelte. Und mit Volker Schlöndorff als Ehrengast. Das Caligari-Jahr hat schon längst wieder begonnen, im Januar läuft außerdem vom 27. bis 30. die „Homonale“.

Capitol & Palatin Kinos (Mainz)

Vor siebeneinhalb Jahren machten sich drei „Junge Wilde“ daran, die Mainzer Programmkino-Landschaft zu revitalisieren. Jochen Seehuber als Grafik- und Mediendesigner, Eduard Zeiler (Filmwissenschaftler und Filmtheaterkaufmann) sowie Wolf-Tassilo Sack (Kommunikationsdesigner FH). Irgendwie hatten sie bemerkt, dass „etwas nicht stimmt“, wenn man für manche Filme nach Darmstadt oder Frankfurt fahren müsse. Glücklicherweise ergab es sich, dass die ehemaligen Inhaber der Kinos „Luber und Richter“ aufhören wollten.

So stand das Capitol zur Disposition und man bot das ehemalige „City-Kino“ gleich mit an. Im Zuge der damaligen Aufbruch-Stimmung griffen die drei Ex-Studenten zu. Das „City“ wurde zum römischen Hügel umbenannt und im Capitol wollte man zusätzlich einen Bar- und Eventbetrieb starten. So ganz wurde jedoch nichts aus der Idee, also verabschiedete sich Herr Sack und wechselte zur Filmproduktion „Dropout Films“.

Das Duo Zeiler- Seehuber blieb und kann heute mit seinem Team feststellen: „Die Sache läuft.“ Die Stühle wurden diesen Sommer erneuert, in jedem Saal gibt es 4K-Projektionen und zwar per mehrfach verschlüsselte Festplatten, die exklusiv vom jeweiligen Verleih verschickt werden. Im vielfach ausgezeichneten Konzept sind weiterhin unterschiedlichste Arthouse-Filme zu sehen, aber auch Blockbuster und es finden diverse Reihen- und Sonderveranstaltungen statt.

CineMayence (Schillerplatz, Mainz)

Mainz in den wilden Achtzigern: allgemeiner Aufstand von Kulturschaffenden, Unzufriedenheit mit kulturpolitischer Förderung. Ein- bis zweihundert Menschen treffen sich mitten in der Nacht beim „unterhaus“ und skandieren ihren Unmut in einer Art prämodernem Flashmob. Unter Ihnen ist Reinhard W. Wolf, der einer der Rädelsführer vom Kommunalen Kino in Mainz werden (und bleiben) sollte. Hauptsächlich waren es Leute vom Fernsehen, die 1984 die AG Stadtkino e.V. gründeten, aber auch Künstler und Literaten. Für den Namen entschied man sich in Bezug auf die Gastfreundschaft des Institut Français, das dem Stadtkino seine barocken Wände leiht. Erste Vorsitzende des Vereins ist Christiane Schauder, Kinoleiter aber Reinhard Wolf. Er und Yumi Machiguchi haben die beiden halben Stellen im CinéMayence inne, unterstützt von studentischen Aushilfen. Das CinéMayence versteht sich als „Begegnungsort für interessierte Laien wie Professionelle“. Wer es besucht, darf zunächst eine pompöse Treppe in eleganter Beleuchtung hinaufsteigen, um sich dann in mitunter geselliger Runde mit den verschiedensten Themen zu befassen. Häufig werden hier Filme platziert, die andernfalls in Mainz nicht gezeigt würden, vorzugsweise mit Gästen und in Kooperationen.

CineStar, Residenz & Prinzess (Mainz)

In der zweiten Januarwoche ist es also nun endgültig aus und vorbei mit dem Residenz & Prinzess am Schillerplatz. Die komplette Passage wird abgerissen und weicht neuen schicken Wohnungen. Das schönste Kino von Mainz, in dem über fast sechs Jahrzehnte Arthouse-Filme gezeigt wurden, ist Geschichte. Die Mitarbeiter sollen eine Abfindung vom australischen CineStar / Greater Union-Großbetreiber erhalten, übernommen ins schwesterliche Cinestar & Co. am Südbahnhof werden sie leider nicht. Dafür sollen Teile des Programms ihren Weg in das größere Cinestar finden. Mainz hat somit nur noch ein größeres Multiplex-Kino ohne Filiale.

Filme im Schloss (Wiesbaden)

Wir sitzen im elegant gemütlichen Wohnzimmer von Detelina Grigorova-Kreck und Joachim Kreck: Die hohen Wände des Altbaus verschwinden hinter prallgefüllten, gut sortierten Regalen. Die beiden Filmemacher und -connaisseure haben in ihrer Privatwohnung in der Wiesbadener Innenstadt ihr eigenes Archiv errichtet: Filmkopien in allen erdenklichen Formaten, Filmliteratur und Pressematerial bevölkern die Wohnung. 1984 entdeckte Joachim Kreck die Schönheit des Vorführsaals der staatlichen Filmbewertungsstelle im Biebricher Schloss und initiierte dort eine – zunächst als einmalig gedachte – Veranstaltung, die dem Wiesbadener Kurzfilm gewidmet war. Der Andrang war groß. Die Stühle reichten nicht aus und das Wiesbadener Tagblatt titelte: „Filme im Schloss“. Drei Jahrzehnte später ist aus der Filmreihe eine vielfach prämierte Institution geworden, die Besucher aus ganz Rhein-Main anzieht: exklusive Filme (natürlich nur OV und OmU) meist mit passenden außergewöhnlichen Gästen an einem Ort, den ansonsten nur wenige Menschen zu sehen bekommen.  Zu jeder Veranstaltung werden sorgfältige Programmhefte gemacht, die mittlerweile schon einen regelrechten Sammelkult begründet haben. Die Krecks möchten „besondere Sachen zeigen“: Kurz- und Dokumentarfilme, Experimental- und Trickfilme. Für letztere veranstaltet das Ehepaar zusätzlich das „Internationale Trickfilm-Wochenende“. Im Januar beginnt eine Reihe um Kirsten Stewart, deren Auftakt am 17.1. der neue Woody Allen Film „Café Society“ darstellt.

Filmtheater Ewert (Cineplex-Gruppe Wiesbaden)

Familie Ewert macht schon seit 1927 Kino in und für Wiesbaden. Die Geschichte des Familienunternehmens begann mit dem „Kino für jedermann“ in der Mauritiusstraße, das von Erich Ewert gegründet wurde. Heute führt dessen Enkel Marc Ewert als studierter Betriebswirt das Unternehmen in dritter Generation. Neben seinen Geschwistern ist sogar noch die Mutter im Geschäft. Der Filmtheaterbetrieb zählt zur Cineplex-Gruppe, ein Zusammenschluss unabhängiger mittelständischer Kinobetriebe in diversen Städten. Die Gruppe betreibt mehr als 90 Kinos an 66 Standorten und ist, an den Besucherzahlen gemessen, die größte Kinogruppe Deutschlands. Die Gruppe versteht sich als Einkaufsgemeinschaft und Freundeskreis mit gemeinsamer Corporate Identity, in der sich die Mitglieder mit Rat und Tat zur Seite stehen, aber lokal verortet bleiben. Marc Ewert betrachtet seine verschiedenen Häuser (Arkaden, Apollo und Thalia & Hollywood) als Einheit: Filme werden nacheinander in allen Kinos gezeigt. Zwar orientiert er sich auch an der Nachfrage, bemüht sich aber immer wieder Filme, die „ihr Publikum nicht so finden“ auch im Programm zu halten. Auch Live-Übertragungen aus der MET-Opera, türkischsprachige Filme oder aber Kindergeburtstage werden geboten.  Und es gibt zwei Kinotage: Dienstag und Donnerstag. Im Dezember läuft die „European Outdoor Film Tour“.

Klubkino (Uni Mainz)
Das Mainzer Klubkino ist seit 2001 in der „Muschel“ auf dem Mainzer Uni-Campus beheimatet. Jeden Montag und Mittwoch wird ein buntes OmU-Programm geboten: Komödien, Fantasyfilme, Blockbuster und Arthouse-Filme. Das ehrenamtliche Team möchte mit dieser Vielfalt in der Programmierung für jeden Geschmack etwas bieten.

Murnau-Filmtheater (Wiesbaden)

Hinter dem Murnau-Filmtheater steht die seit 1966 existierende Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung. Sie kümmert sich um Erhalt, Pflege, Wiederherstellung und Zugänglichmachung eines bedeutenden Teils des deutschen Filmerbes. Aber auch viele Filme werden hier seit einigen Jahren gezeigt. Sebastian Schnurr ist verantwortlich. Der studierte Medienwissenschaftler und Anglistiker war im Deutschen Filminstitut beschäftigt, bis er 2009 seinen Platz im Veranstaltungs- und Kinobereich fand. Das Programm speist sich aus drei Quellen: dem eigenen Bestand, verschiedenen Kooperationen und Arthouse-Filmen. Der Bestand der Stiftung umfasst rund 6.000 Filme von 1895 bis in die 1960er Jahre: Klassiker wie „Metropolis“, „Der blaue Engel“ und „Die drei von der Tankstelle“, aber auch Kurz-, Werbe- und Dokumentarfilme. Ein allmonatliches Highlight ist natürlich der sorgsam ausgewählte „sensor-Film des Monats“, zu dem wir immer exlusiv drei 2 für 1-Tickets verlosen.

Neustadtkino (Mainz)

Angeregt von dem Wunsch, gemeinsam etwas auf die Beine zu stellen und das Leben in der Stadt aktiv mitzugestalten, kamen Mark und Felicitas Pommerening, Hanno Schmidt und Nadine Daschmann auf die Idee eines Wanderkinos. Entweder sucht man sich besondere Locations und dann den dorthin passenden Film – oder andersrum. Welche Filme gezeigt werden, wird erst am Abend enthüllt. Nach der Auftaktveranstaltung mit „Willkommen bei den Sch‘tis“ im LUUPS Shop geht es nun wöchentlich weiter: am 1. Dezember im Klotz&Quer, am 4. Dezember als Familiennachmittag im Neustadtzentrum, den Abschluss bildet am 8. Dezember eine Veranstaltung im Nelly’s. Wohin die Reise nach diesem Testballon geht, ist noch unklar.

Walhalla Bambi Kino (Wiesbaden)

Seit den Siebziger Jahren ist das Bambi Kino im Untergeschoss des historischen Walhalla Theaters beheimatet. Seit 2006 wird es vom Walhalla Theater e.V. unter Leitung der auf der renommierten Berliner Ernst-Busch-Hochschule ausgebildeten Schauspielerin Sigrid Skoetz mit einem außergewöhnlichen Filmprogramm bespielt. Die Treppe führt den Besucher an einer gemusterten Tapete entlang, hinab in die 70er Jahre. Nostalgie garantiert.  Gezeigt werden ausschließlich Arthouse-Filme und Dokus. 2006 wurden Leinwand und Technik erneuert sowie die Kinositze ausgetauscht. Renovieren lassen möchte Sigrid Skoetz das Kino aber nicht, sondern das Vintage Flair mit den bräunlichen Sitzen und der 60er-Jahre-Tapete erhalten. Das Walhalla möchte weiterhin auf Synergien setzen: Junge Filmemacher sollen vermehrt ihre Erstlingswerke zeigen, und auch das Festival mit Studierenden des Kommunikationsdesigns soll erneut auf allen drei Etagen des Walhalla Theaters stattfinden. Mit „Love & Friendship“ meldet sich das Walhalla Bambi ab 12. Januar aus der Sommerpause zurück.

HABT IHR EIN LIEBLINGSKINO IN WIESBADEN UND/ODER MAINZ?

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