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Der große Test: Podcasts aus Wiesbaden. Reden und reden lassen – über Arbeit, Punkrock, Fußball, Politik …  

Von Alia Bouhaha. Foto Richard Maguluko.

Die meisten Leute verbringen wegen Corona momentan sehr viel Zeit in den eigenen vier Wänden. Doch gerade bei dem frühlingshaften Wetter will man nicht immer auf Serien und Filme zurückgreifen. Viel schöner wäre es doch, auch mal die frische Luft zu genießen, ob im Garten, auf dem Balkon oder am offenen Fenster. Nur langweilig soll es nicht werden. Die Lösung lautet: Podcasts. Sie sind vielfältig und innovativ fürs Publikum und relativ einfach zu produzieren für die Macher. Und Podcasts sind schwer en vogue – man denke nur an den Podcast mit Corona-Erklärer Professor Drosten. Und der „Audiograf“ Ingo Stoll verkündet gar: „Podcast ist die neue Website“. Allein das lokale Angebot der Wiesbadener Podcasts deckt von Fußball, über (Unternehmens)-Kultur und Politik bis hin zu Punkrock unterschiedlichste Themenfelder ab. Bloß nicht den Überblick verlieren. Wir haben reingehört.

„Good Work“ / „Corona-Chronik“

Dieser Podcast hat das Ziel, gute Zusammenarbeit und innovative Arbeitskultur zu fördern. Wer hier lauscht, bekommt in jeder Folge einen authentischen und sehr persönlichen Einblick in die Arbeitsweise von höchst unterschiedlichen Unternehmen und Institutionen. Ins Leben gerufen wurde „Good Work“ von Jule Jankowski, Geschäftsführerin des Wiesbadener Unternehmens Humiq, das sich um Innovation, Wandel und Entwicklung kümmert. Den Fokus legt sie zusammen mit vier Moderator*innen während der Corona-Krise auf die besondere Arbeitssituation von Menschen. Die Folgen, immer ein Einzelgespräch und in der Regel mit Führungskräften oder Unternehmern, beginnt oft so: „Wie sieht dein neues Normal aus, und wie sah dein altes Normal aus?“ Um relevante Fragen aus verschiedenen Blickwinkeln zu beantworten, werden bekannte Wiesbadener Namen, aber auch inspirierende Köpfe aus ganz Rhein-Main und darüber hinaus, interviewt. Ob Kreative, Unternehmer*innen, Neu-Denker*innen oder Rebell*innen – „ganz wichtig ist, dass wir quer durch die Branchen gehen und überall Lernergebnisse festhalten“, sagt Jule Jankowski. Die Liste der Gesprächspartner – vom Stadtwerke-Vorstand über Catering-Unternehmer und Hochschul-Professor bis zu Finanzexperten und Aufsichtsräten von Dax-Unternehmen – ist beachtlich – und lang: Bereits im ersten Monat sind mehr als 50 Folgen erschienen.

Fazit: Wer seine Zeit sinnvoll nutzen will und sich rund um vielseitige Arbeitsweisen inspirieren lassen möchte, ist bei diesem Podcast, bei dem „Business people“ auch Persönliches vermitteln, an der richtigen Adresse.

Fakten: Die Folgen sind zwischen 20 und 30 Minuten lang und auf Apple Podcast, Spotify, Deezer oder der Webseite von Humiq (www.humiq.de) zu finden.

„Polytox“

Schon um die 60 Folgen lang sind Basti, Falk, und Raidy im Gespräch miteinander – und mit ihren Gästen. Die Themen gehen nicht aus, die spürbare Lust am Tun auch nicht. Einer der Moderatoren, Falk Fatal, dürfte für die sensor-Leserschaft kein Unbekannter sein. Der sensor-Kolumnist ist schon seit Jahrzehnten in der Wiesbadener Subkultur zu Hause, sei es als Punksänger (Front), DJ oder auch als Buchautor („Im Sarg ist man wenigstens allein“). Beim Polytox Podcast geht es um Gott und die Welt. Und vor allem um Punkrock. Es wird geflucht, es gibt persönliche Anekdoten und interessante Meinungen. Zuhörer*innen können sich von einer großen Bandbreite an Themen inspirieren lassen, etwa stellen die Moderatoren ihre Top-11 Deutschpunkplatten vor oder sprechen über Liebe in Corona-Zeiten. Vor politischen Themen scheuen sich die Polytoxer auch nicht. Zuletzt war mit Philip Schlaffer ein Gesprächspartner am Start, der Neonazi, Rocker und Rotlichtgröße war – bis er sich während einer Haftstrafe vom Rechtsextremismus abwandte und seither unter anderem Aussteiger unterstützt.

Fazit: Polytox Podcast ist durch die sympathischen Moderatoren unterhaltsam und gleichzeitig informativ – Nischenthemen werden mit Tiefgang besprochen.

Fakten: Die Folgen sind mit circa zwei Stunden recht lang – perfekt also, um in den Polytox-Kosmos ausführlich einzutauchen. Verfügbar ist der Podcast auf Spotify, iTunes oder auf der Webseite (www.polytox.org). Über den „Polytox Supporter Club“ kann man den Podcast mit einem monatlichen Beitrag unterstützten und bekommt im Gegenzug Goodies wie Extra-Folgen.

„Schröder trifft“

Beim Podcast „Schröder trifft“ interviewt VRM-Chefredakteur Stefan Schröder interessante Menschen, die während ihres Lebens etwas geschafft oder geschaffen haben, die begeistern und inspirieren dank ihrer Lebensläufe. Schröder deckt dabei thematisch Aktuelles ab. Etwa befragt er den JoHo-Chefarzt der Palliativmedizin Dr. Maier zur Corona-Situation, die Olympia-Athletin (und „nebenbei“ eigene Tochter) Anne Schröder zu den abgesagten Olympischen Spielen, oder Schwester Philippa Rath von der Abtei Sankt Hildegard zum Leben im Kloster und dem Umgang mit dem Tod. Auch den aus Wiesbaden stammenden Tagesthemen-Moderator Ingo Zamperoni hatte er an der Strippe. Der beliebte Fernsehmann verklickerte unter anderem, wie es kurz zuvor zum „Coup“ des Bill-Gates-Interviews gekommen war.

Fazit: Dieser Podcast überzeugt durch einen erfahrenen journalistischen Interviewer, interessante und namhafte Gesprächspartner*innen und aktuelle Themen.

Fakten: Alle Folgen von „Schröder trifft“ sind zwischen 35 und 50 Minuten lang und werden in unregelmäßigen aber kurzen Abständen veröffentlicht. Dem Podcast kann man sowohl auf Spotify, als auch auf der Webseite von VRM oder auf YouTube lauschen.

„Halbzeit 3“

Bei diesem Podcast geht es um die schönste Nebensache der Welt: Fußball. Dabei steht allerdings nicht wie so oft der Profifußball im Mittelpunkt – nein – Amateure aus der Region sind hier die Stars. Denn auf diesen Plätzen verbringen viele Spieler mit ihren Familien ihre Sonntage (wenn nicht gerade Corona-Krise ist). „Halbzeit 3“ befasst sich mindestens einmal im Monat mit Themen rund um den Amateurfußball. Spieler, Trainer und anderweitig Engagierte von der Regionalliga bis in die unterste Spielklasse kommen in Gesprächen zu Wort und schildern das tägliche Geschehen auf dem Rasen. Momentan geht es auch hier um die Corona-Situation. Welche Auswirkungen hat die anhaltende Spielpause? Was bedeutet das langfristig für die Vereine? Moderiert wird der Podcast von den Journalismus-Student*innen Xenia Schipp, Mattis Quentin und Johannes Wolf. „Halbzeit 3“ entsteht in Zusammenarbeit mit dem Amateurfußballportal FuPa.

Fazit: Für all diejenigen, die den Fußball schmerzlich vermissen, ist dieser Podcast ein Muss.  Ein interessantes, bodenständiges und aktuelles Hörvergnügen.

Fakten: Die Länge der Folgen variieren zwischen circa 15 Minuten und einer Stunde. Alle Episoden sind bei Apple Podcasts, Spotify, und YouTube zu finden.

„Einerseits-Magazin“Podcast“ / „Underground Corona Quarantäne Podcast“

Das brandneue „Einerseits-Magazin“ hat erst im April das Licht der Welt erblickt. Schon jetzt hat es ziemlich viel zu bieten. Zum Beispiel gleich zwei Podcasts. Der offizielle Einerseits- Podcast erscheint an jedem Anfang des Monats und begleitet die aktuelle Ausgabe des Wiesbaden+Mainz-Magazins. Aus aktuellem Anlass gibt es außerdem einen „Underground Corona Quarantäne Podcast“. Hier steht vor allem die Frage im Zentrum: Wie geht es lokalen Kulturschaffenden mit der momentanen Situation? Die Corona-Specials werden – genauso wie der reguläre Podcast – von Jannek, Anna und Julia, dem redaktionellen Team von „Einerseits“, gestaltet und moderiert. „Irgendwo zwischen Radio und Podcast“, beschreibt Jannek das Format, denn zum einen werden bereits geführte Interviews präsentiert, zum anderen führen die Moderator*innen miteinander und mit anderen live Gespräche. Interaktiv ist der Podcast auch – Zum Beispiel können in einer Folge Kulturschaffende, die etwas zum Podcast beitragen wollen, über Skype anrufen oder sich über Facebook zurückrufen lassen. „Wir wollten mal den Spieß umdrehen“, sagt Anna zur neuen Idee.

Fazit: Ein junges und frisches Format mit dem wichtigen Anliegen, die lokale Künstlerszene sichtbarer zu machen.

Fakten: Die Folgen sind circa 45 Minuten lang. Beide Podcasts gibt es entweder auf Spotify zu hören, oder über einen Link auf der eigenen Facebook-Seite und der Webseite (www.einerseits-magazin.de).

Podcast des Rosa-Luxemburg-Clubs Wiesbaden

Der Rosa-Luxemburg-Club Wiesbaden ist einer von zehn Clubs der den Linken nahestehenden Rosa-Luxemburg-Stiftung Hessen und kümmert sich, dank ehrenamtlich aktiver Mitglieder, um politische Bildung und Aufklärung. Dreizehn Mal im Jahr erscheint die nachhörbare Version der geführten Gespräche. „Podcasts sind ein unverzichtbarer Teil unserer Kommunikation geworden“, sagt Moderator Michael Forßbohm. Im Fokus stehen aktuelle und gesellschaftsrelevante Themen, die im Gespräch mit Experten diskutiert werden. Zum Beispiel der Klimawandel, sozioökonomische Ungleichheit, oder – wer hätte es gedacht – Corona. Dennoch schafft es dieser Podcast, auch das Thema Corona aus einer besonderen Perspektive zu beleuchten. So wird etwa im Gespräch mit der Armutsforscherin Dr. Rabea Krätschmer-Hahn deutlich gemacht, dass das Coronavirus und die zu seiner Abwehr ergriffenen Maßnahmen auf Menschen je nach sozialer Lage unterschiedlich einwirken.

Fazit: Für politisch engagierte Menschen, die zu relevanten Themen differenzierte Sichtweisen hören möchten. Hier wird nicht immer alles durch die rosa(luxemburg)rote Brille gesehen, auch Unbequemes wird angesprochen.

Fakten: Der Podcast geht zwei Stunden lang und erscheint auf Sendeplätzen vom Wiesbadener Radio Rheinwelle. So kann man den Podcast entweder auf der Frequenz 92,5 von Radio Rheinwelle, oder in der Mediathek Hessen online nachhören.

„Der visionäre Frühschoppen“ und „Eine Runde Tresentalk“

Last but not least: Die sensor-Podcasts. Natürlich dürfen die Podcasts „Der visionäre Frühschoppen“ und der „Tresentalk“, Kooperationen zwischen sensor Wiesbaden und dem Walhalla im Exil, bei diesem Check nicht fehlen. Im Fokus steht bei beiden Gesprächsformaten mit sensor-Chefredakteur Dirk Fellinghauer als Moderator und Gastgeber die Künstler- und Neudenker-Szene der Stadt. Wiesbadener*innen, die etwas bewegen möchten, haben die Möglichkeit, ihre Visionen vorzustellen und zu debattieren. Kritisches Nachhaken sind nicht nur erlaubt, sondern erwünscht! Während beim „Visionären Frühschoppen“ mehrere Gäste das Podium bilden, gibt es beim „Tresentalk“, der tatsächlich am Tresen der Exil Bar geführt wird, immer nur einen Gast, es geht also persönlicher zu. Verschiedene Themen werden dabei locker vom Barhocker mit Tiefgang und Witz behandelt. Im Gespräch mit Dirk Fellinghauer sind interessante Persönlichkeiten aus Kultur, Politik, Gesellschaft oder Wirtschaft am Start. Hierbei kann alles gefragt werden – auch per „Bierdeckelfrage“ -, ob zum zukünftigen Stadtgeschehen, der Klima-Frage, oder zur persönlichen Laufbahn.

Fazit: Themen werden durch spannende Gesprächspartner*innen mit dem nötigen Ernst und Humor behandelt. In jeder Folge, vor und mit Einbeziehung von Livepublikum, sind kritische und unterhaltsame Diskussionen zu erwarten, die das Stadtgeschehen unmittelbar betreffen.

Fakten: Die Episoden gehen mindestens eine Stunde lang. Beide Podcasts finden momentan in loser Folge abwechselnd alle 2 bis 3 Monate statt, der nächste Termin für „Der visionäre Frühschoppen“, der coronabedingt „Der visionäre Streamschoppen“ wird, ist am 18. Juni. Sowohl „Der visionäre Frühschoppen“, als auch der „Tresentalk“ sind auf allen relevanten Plattformen, inklusive Apple Podcast und Spotify, zu hören. Aufgenommen und realisiert werden die Podcasts von Falk Fatal – ja, das ist der von Polytox.

Mehr zum Thema – sensor-Beitrag aus dem Jahr 2017 über „Neues Sendebewusstsein“ in Wiesbaden.