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Die Süßigkeitenverkäuferin aus dem Staatstheater ist tot – Nachruf auf Doris Eisenbach

Wohl kaum jemand hatte so viele „Auftritte“ in diesem Haus wie sie. Das Hessische Staatstheater Wiesbaden trauert um Doris Eisenbach, die am 5. März verstarb, wie heute bekannt wurde. Ihre Bühne war eine besondere mobile Verkaufstheke, sie war in ihren verlässlichen abendlichen Vorstellungen Regisseurin und Hauptdarstellerin in einem. Über Jahrzehnte versorgte sie das Publikum vor Vorstellungen und in den Pausen in den Foyers mit Süßigkeiten und manch anderem. „Wir verneigen uns vor der Grand Dame des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden“, schreibt dieses in einem Nachruf auf die „entzückende Dame“:

Im Mai 1956 hatte sie unter der Intendanz von Friedrich Schramm ihre Tätigkeit am Staatstheater begonnen und versorgte seither mit einer schier unglaublichen Regelmäßigkeit die Zuschauerinnen und Zuschauer vor jeder Vorstellung an ihrer mobilen, nierenförmigen Theke aus Messing und Plexiglas mit den leckersten Köstlichkeiten. Immer elegant gekleidet, begleitete sie von ihrem Pausenstand aus viele Generationen von Menschen bei ihren Theaterbesuchen. Das Publikum liebte ihre Süßigkeiten – aber vor allem liebte es Frau Eisenbach.

Immer eine Anekdote parat

Diese entzückende Dame, die kein Blatt vor dem Mund nahm, stets eine schöne Anekdote parat hatte und jede Inszenierung zu kommentieren wusste, wurde zu einer festen Größe am Staatstheater. Obwohl sie es selbst nie hören mochte, so war sie es: eine zeitgeschichtliche Institution seit nahezu 64 Jahren.

»Publikum und Theatermitarbeiter verehrten sie gleichermaßen. Wir werden ihren Witz, ihre Schlagfertigkeit und ihren Charme sehr vermissen.« (Uwe Eric Laufenberg | Intendant)

Geboren vor Beginn des Zweiten Weltkrieges in Essen – ihr Geburtsdatum vermag niemand recht zu kennen, denn es war stets ihr wohlgehütetes Geheimnis – verschlug es sie mit ihrer Familie nach Königsberg und von dort nach Dresden und Pommern. Eigentlich stammt die Familie aus Hessen, wo Doris Eisenbach Anfang der siebziger Jahre über Umwege von Rheinland-Pfalz über Bayern wieder zu ihrer Mutter nach Wiesbaden gelangte.

Erst im Auftrag von Sarotti, später selbstständig

Hier war sie zunächst als Platzanweiserin in einem Kino beschäftigt, bevor sie von der Firma Sarotti den Auftrag erhielt, den Pausenstand zu betreiben. Gegen Ende der siebziger Jahre machte sie sich von der Firma unabhängig, übernahm die nostalgische Messingtheke und wurde selbständig.

Wer sich ihre Theke aber genauer ansah, fand in einer kleineren Ecke einige Dias aus alten Zeiten befestigt – und wunderte sich. Die wenigsten wissen, dass Frau Eisenbach sechs Semester Kunstgeschichte studierte und tagsüber in ihrer theaterfreien Zeit gerne kunsthistorische Vorträge hielt. Sie kannte jeden Winkel des Theaters, konnte zu jeder Malerei, zu jeder Figur etwas erzählen und somit dem altehrwürdig-kaiserlichen Gemäuer die schönsten Geschichten entlocken. Ihre Leidenschaft für das Theater war bedingungslos.

Doris Eisenbach in ihrem Element und im Gespräch – in Eduardo Mayorgas Videoporträt „Zu Besuch bei … Doris Eisenbach, der Süßigkeitenverkäuferin“ aus dem Jahr 2015: