Interview: Dirk Fellinghauer. Fotos: Kevin Schmitz, Stella Musshafen & Mika Frommherz.
„Die Jugend“ ist wieder gefragt. Es wird viel geredet und geschrieben und spekuliert über „die Jugend“. Mit der Jugend, für die Jugend und durch die Jugend selbst wird das 1. Wiesbadener Impact Festival am 5. Juli gestaltet. Das musikalische Programm gestaltet die Frankfurter Indie-Band Sun´s Sons. Im sensor-Interview spricht deren Sänger Lasse Kuhl (23) über den „Impact“ als Antrieb fürs Musik machen, über Künstler und Haltung, über Hoffnung und Hoffnungslosigkeit und darüber, wie engagiert „die Jugend“ heute ist – und was bei Menschen seiner Generation zum Verdruss führt.
„Es soll ein Format werden, bei dem die Sprache der Jugend gesprochen wird“, sagt Alrun Schößler von der initiierenden Wiesbaden Stiftung über das Impact Festival, das, mit sensor als Medienpartner, am 5. Juli erstmals im Heimathafen im Alten Gericht stattfindet. 16- bis 25-Jährige haben in inspirierender Umgebung einen Tag lang das Sagen. 40 kostenfreie Tickets gibt es – Infos und Anmeldung auf www.wiesbadenstiftung.de
Wer dabei ist, bekommt Impulse – zum Beispiel von Levi Teufel, der mit 16 sein eigenes „Impact“-Unternehmen gründete – , Kreativ-Workshops und Austausch und Vernetzung. Jugendlichen soll Lust darauf gemacht werden, sich einzubringen in die Gesellschaft. Themen sind unter anderem Demokratie, Engagement und KI, Ernährung und Klima und „Wiesbaden mitgestalten“. Zum Abschluss gibt es ein Konzert mit der angesagten jungen Band Sun´s Sons – und hier vorab das sensor-Interview mit Sänger Lasse Kuhl:
Euer Konzert am 5. Juli im Wiesbadener Heimathafen im Alten Gericht wird der Abschluss des 1. Wiesbadener Impact Festivals sein. Worauf darf sich das Publikum gefasst machen?
Ich würde sagen, auf den passenden Soundtrack für so ein besonderes Event! Wir bringen einen Mix aus intimen, aber auch tanzbaren Songs mit, die das Festival bestimmt schön abrunden.
Wie wichtig ist es euch, als Band „Impact“ zu erzielen? Wo und wie gelingt es euch?
Sehr wichtig. Das ist eine unserer größten Antriebsquellen. Wir haben schon auf diversen Demos und politischen Veranstaltungen gespielt und haben dabei immer wieder gemerkt, wie empowernd Musik sein kann. Das gilt aber auch im kleinen Rahmen: Es bedeutet uns total viel, wenn wir Nachrichten bekommen, in denen uns Menschen erzählen, dass unsere Songs sie beispielsweise durch schwere Zeiten begleitet haben – vor allem weil wir selbst Personen sind, die schon immer viel Kraft aus Musik schöpfen konnten.
Versteht ihr euch als politische Band?
Schon. Ich glaube, wir leben mittlerweile zum Glück in einer Zeit, in der die allermeisten Artists in irgendeiner Form Haltung zeigen – was super ist! Vor ein paar Jahren war das noch anders. Wir trauen uns aber erst seit unseren ersten richtig politischen Songtexten und Auftritten bei Demos, uns als politische Band zu bezeichnen.
Ihr seid schon bei Fridays for Future aufgetreten und beim CSD. Für welche Anliegen würdet ihr noch auftreten?
Diese beide Themenkomplexe liegen uns schon sehr am Herzen. Wir haben uns in der Vergangenheit aber zum Beispiel auch schon gegen den Rechtsruck und gegen die Kriminalisierung von Seenotrettung stark gemacht. Veranstaltungen, die sich diesen Problemen widmen, würden wir auch jederzeit mit einem Auftritt unterstützen.
Mit eurer Musik schwankt ihr laut Selbstbeschreibung zwischen Hoffnung und Hoffnungslosigkeit. Wenn du aktuell auf die Welt schaust: Was macht dir Hoffnung, wo hast du die Hoffnung verloren?
Was mir immer wieder Hoffnung gibt, ist, Menschen zu sehen, die für Gerechtigkeit kämpfen. Ich habe mich beispielsweise sehr über die Nachricht gefreut, dass Fridays for Future mit einem breiten Bündnis aus Partner*innen ein zweites Mal gegen die Bundesregierung klagt.
Ich habe aber leider die Hoffnung verloren, dass der Nah-Ost-Konflikt nach dem Angriff der Hamas ohne die vermeidbare Ermordung weiterer Unschuldiger gelöst wird. Dafür ist es jetzt zu spät und das grausame Vorgehen der israelischen Armee im Gaza-Streifen macht mich einfach nur sprachlos.
In Wiesbaden seid ihr schon zweimal aufgetreten – im Rahmen der „Kleinode im Westend“ auf der hier & jetzt-Terrasse und bei Fridays for Future. Welche Erinnerungen hast du an diese Auftritte?
Das waren beides sehr schöne, kleine, intime Konzerte. Wir haben aber tatsächlich noch ein drittes Mal in Wiesbaden gespielt, und zwar beim Youth Culture Festival auf der Schlachthof-Wiese. Das war definitiv auch eins unserer Festival-Highlights 2022.
Welchen Eindruck macht Wiesbaden auf dich?
Ich verbinde mit Wiesbaden tatsächlich zwei Welten: Zum einen die riesigen alten Pracht-Bauten, die auf mich eher einschüchternd und schnöselig wirken. Und zum anderen die tolle Kulturszene, die ich wirklich sehr zu schätzen weiß.
(Wo/für und wie) engagiert ihr euch jenseits der Band?
Alle Bandmitglieder, die finanziell dazu in der Lage sind, spenden monatlich einen Teil ihres Gehaltes an gemeinnützige Organisationen. Das ist natürlich unspektakulär, aber es hilft nun mal. Abgesehen davon, arbeiten die meisten von uns nebenher in pädagogischen Berufen. Dort ist der „Impact“ nochmal deutlich sichtbarer.
Was ist euer Eindruck. Wie engagiert ist „die Jugend“ heute?
Ehrlich gesagt, habe ich schon das Gefühl, dass dich die Jugend momentan durch die zunehmend besorgniserregende Lage der Welt wieder sehr politisiert. Natürlich lebt man auch in seiner Bubble, aber Fridays for Future hat ja gezeigt, wieviel Rückgrat die breite Masse der jungen Generation eigentlich hat.
Was motiviert junge Leute zum Engagement, und woran hapert es, wenn junge Menschen sich nicht engagieren?
Ich denke, dass die Regierung momentan stark an Glaubwürdigkeit verliert, weil die Klimaversprechen nicht ausreichend erfüllt werden. Das führt zu einem demotivierenden Vertrauensverlust, der im schlimmsten Fall in einer lähmenden Politikverdrossenheit mündet. Gleichzeitig bin ich mir sicher, dass beispielsweise defizitorientierte Berichterstattung dazu führt, dass wir die Hoffnung auf eine positive Entwicklung verlieren. Manchmal hilft es, sich vor Augen zu führen, wieviel bereits erreicht worden ist.
Das Hauptprogramm des Impact Festivals besteht aus diversen Impulsvorträgen. Von wem hast du schon mal einen Impuls erhalten, der dich für dein Leben geprägt hat?
Ich habe mich vor vielen Jahren mal mit einem etablierten Musiker unterhalten und als ich auf seine Frage, ob ich die Musik zu meinem Beruf machen wolle, mit „Naja, ich weiß, dass es unrealistisch ist…“ antwortete, unterbrach er mich und sagte „Unrealistisch ist es gar nicht. Es ist einfach nur sehr harte Arbeit“. Und dieser Satz hat mein Verhältnis zur Selbstwirksamkeit tatsächlich nachhaltig geprägt.
In den ersten Jahren habt ihr mit sun´s sons mega viele Auftritte in Rhein-Main gespielt, zuletzt seid ihr auch verstärkt bundesweit aufgetreten. Wie kam es dazu und was wollt ihr als Band erreichen?
Das Ziel ist es auf jeden Fall, in ganz Deutschland und letztendlich auch international Konzerte zu spielen. Durch die Zusammenarbeit mit einer Frankfurter Booking-Agentur hatten wir im März erstmals die Möglichkeit als Support-Band für zwei britische Acts eine Tour mit neun Shows in ganz Deutschland zu spielen. Und tatsächlich arbeiten wir auch gerade daran, uns dieses Jahr noch den Traum einer ersten Tour im europäischen Ausland zu erfüllen.
Euer Debütalbum „An Odyssey“ bezeichnet ihr als „größer, satter, mutiger“. Woher nehmt ihr euren Mut?
Dieses Zitat kommt aus unserem Pressetext, den wir nicht selbst geschrieben haben. Das ist also keine Eigenbezeichnung, aber wir nehmen die Beschreibung als großes Lob wahr. Ich glaube, der Mut ist ein Resultat von Erfahrung. Wir sind zwar eine junge Band, aber haben ja vor unserem Debütalbum schon zwei EPs veröffentlicht. Das hat uns in einer Position gebracht, aus der heraus wir uns dann getraut haben, auf dem Album experimenteller zu schreiben und weniger darüber nachzudenken, was andere Menschen von den Songs erwarten.
Und was ist dein Tipp, wenn eine:n der Mut verlässt?
Etwas ganz anderes machen und es danach wieder versuchen. Sowohl kreative, als auch politische Arbeit haben so viel mit Selbstarbeit zu tun. Wenn man die Hoffnung verliert, ist eine Form des Ausgleichs super wichtig.
Mit 23 Jahren bist du noch ziemlich jung. Wie genau und wie weit reichend sind deine Vorstellungen von deiner persönlichen Zukunft?
Zu weit in die Zukunft zu planen, gibt mir viel mehr Unbehagen als Sicherheit. Ich überlege mir immer, was mich in den nächsten ein bis zwei Jahren glücklich machen würde und setze mir dann für diesen Zeitraum Ziele.
Managt ihr euch als Band eigentlich bisher selbst?
Wir arbeiten mit verschiedenen Agenturen für Bereiche wie Booking, Promo, oder Vertrieb zusammen, aber das Management regeln wir untereinander. Dafür haben wir jede Woche Orga-Meetings um das Wichtigste zu fünft zu besprechen. Daneben hat aber jeder noch individuelle Aufgabenbereiche. Kyle macht zum Beispiel die alles Rechtliche, Felix ist die Booking-Ansprechperson und ich kümmere mich um die Social-Media-Accounts.
Welches sind eure wichtigsten Kanäle, um auf euch aufmerksam zu machen und Publikum zu erreichen?
Neben Festival-Shows und Support-Touren sind das natürlich auch die sozialen Medien. Auf Instagram halten wir unsere bestehende Hörer*innenschaft auf dem Laufenden, auf YouTube veröffentlichen wir die großen Videoprojekte und TikTok nutzen wir in erster Linie um Leute zu erreichen, die noch nie von uns gehört haben.
Worauf freust du dich in diesem Sommer?
Auf die Konzerte! Seit der Tour im März freuen wir uns mehr denn je auf unsere Auftritte, weil wir so gut eingespielt sind und so viel Spaß auf der Bühne haben. Und wenn alles gut läuft, werden wir im Sommer auch tatsächlich das erste Mal im Ausland spielen. Das wird sicherlich auch ein Highlight.
Letzte Frage: „Sollte Deutschland im Viertelfinale stehen, schauen wir gemeinsam das Spiel“, steht im Programm zum Impact Festival. Verfolgst du die laufende Fußball-EM?
Nein, wäre das erste EM-Spiel, das ich sehen würde, hahaha. Allerdings kommt man ja eigentlich kaum drum rum, einige Ergebnisse mitzubekommen. Wir spielen ja kommende Woche sogar selbst auf der Fanmeile in Frankfurt. Und es gibt ein paar politische Debatten, die rund um die EM geführt werden, die ich sehr interessant finde.