Gastbeitrag von Andrzej Klamt. Illustration Jan Pieper. Wie die Stadt Wiesbaden und ihre Bürger Klima- und Verkehrspolitik im Sinne des US-Präsidenten betreiben.
Es gibt wohl kaum eine politische Persönlichkeit, die derzeit so verachtet wird wie Donald Trump – auch in unserer Stadt. Besonders im akademisch gebildeten Milieu, das unsere Gesellschaft und Kultur bestimmt, gilt die Politik des chauvinistischen alten Mannes aus New York als Ausdruck all dessen, was wir nicht akzeptieren und tolerieren können. Und ganz selbstverständlich beklagt, wer etwas auf sich hält, seinen Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen. Doch sieht man einmal mit ehrlichem Blick auf die Klimabilanz dieser Stadt, ist Wiesbaden weiter von Paris als vom Rosengarten des Weißen Hauses entfernt. Was Donald Trump in seiner einzigartigen Art über Klima-, Umwelt- und Verkehrspolitik von sich gibt, wird in Wiesbaden längst nach Kräften umzusetzen versucht.
Hier in unserer Stadt scheint wie in einer Dornröschen-Welt das Verkehrsideal der 70er Jahre des 20. Jahrhunderts zu gelten: die Vision einer autogerechten Stadt. Fußgänger und Radfahrer kommen darin bestenfalls als Störfaktor oder lästige Randfiguren vor, durchwegs Vorfahrt hat die alles beherrschende motorisierte Klasse. Die Autoabgas- und Feinstaub-Belastung in unserer Stadt überschreitet die zum Schutz der Gesundheit festgelegten Grenzwerte seit Jahren. Wer bei windfreier Wetterlage am ersten Ring oder an der Rheinstraße tief durchatmen möchte, sollte lieber ein Atemschutzgerät tragen.
Verkehrswende sieht definitiv anders aus
Die rund 66.000 Fahrzeuge, die alleine durch den ersten Ring die Stadt passieren, belasten Anwohner, nicht-motorisierte Bürger und die Umwelt gleichermaßen. Radwege sind seit Jahrzehnten Mangelware, ein zügiger Ausbau des Radwegenetzes ist trotz eines neuen von den Grünen nominierten Verkehrsdezernenten nicht in Sicht. Die Stadt wird auch in diesem Jahr den Siegtreffer erzielen – im Ranking der fahrradfeindlichsten Großstädte Deutschlands. Fahrrad-Infrastruktur mit Radwegen in der ganzen Stadt, wie sie in unseren Nachbarstädten Mainz, Darmstadt und Frankfurt mittlerweile Normalität sind, gelten in Wiesbaden auch im 21. Jahrhundert als illusionäre Wunschträume unbelehrbarer Weltverbesserer. Verkehrswende sieht definitiv anders aus. Auch gegen die begrüßenswerte Einführung einer Citybahn formiert sich bereits massiver Widerstand. Einzig erkennbarer Lichtblick ist der ESWE-Beschluss, alle Dieselbusse auf Elektroantrieb umzurüsten.
Solange die Kesslers und Diers dieser Stadt, die unter Modernität offenbar eine weitere Expansion des Autoverkehrs verstehen und den Verlust jedes einzelnen Parkplatzes zugunsten von Fußgängern- und Radwegen wie eine Kriegserklärung an die Autobürger bekämpfen, solange einfallslose Dinosaurier dieser Güteklasse die Verkehrspolitik der Stadt bestimmen, wird jeder Wunsch nach Veränderung unter einem Blechhaufen begraben bleiben.
Doch nicht nur vor dem Rathaus stehen die Ampeln für die Verkehrswende auf rot. Paradox: Die übergroße Mehrheit der Wiesbadener/innen verachtet Trumps rückwärtsgewandte Klimapolitik und seine Abkehr vom Pariser Abkommen. Und fährt doch am liebsten mit dem Auto durch und in die Stadt, wo die Stellflächen in den neu errichteten Parkhäusern erweitert werden müssen, um Platz für die vielen Großraumlimousinen zu schaffen. Wiesbaden hat die höchsten Zulassungszahlen für Zweitwagen in Deutschland und Tausende besonders sprithungrige und abgasintensive SUVs.
Das kommt einer einseitigen Kündigung des Klimaabkommen gleich. Die Mehrheit der hiesigen Bürger und politisch Verantwortlichen verhält sich so, als gäbe es Erderwärmung und Klimawandel nicht – jedenfalls nicht in Wiesbaden.
Andrzej Klamt, Jahrgang 1964, seit 23 Jahren in Wiesbaden, ist Filmregisseur und Geschäftsführer der von ihm 1994 gegründeten Halbtotal Filmproduktion.
Ein wunderbarer Vergleich zwischen Trump und Kessler (Leiter der Wiesbadener Stadtplanung (CDU)), der die große weite Welt ins kleine Spiesbaden holt.
Erst beim letzten Ausschuss für Planung hatte Kessler keine Antwort zu den Fragen rund um die Planungen für die parkenden PKWS im neuen Quartier „Alte Post“ (Welfenstraße).