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„Drama erhält wichtig Stimme“ – Theaterbiennale endet heute mit Vorstellungen und Party

 

 

 

Da kommt fast ein wenig Wehmut auf: Mit den Aufführungen der Stücke VATER MUTTER GEISTERBAHN (Deutschland), SPIELPLATZ TÂRGOVIŞTE (Rumänien – um 16 und 21 Uhr im Kleinen Haus) und BJÖRN AUS ÖXL (Island – um 19.30 Uhr in der Wartburg), Preisverleihungen, Arbeitspräsentationen der Foren und einer großen Abschlussparty ab 22.30 Uhr in der besonderen Atmosphäre des Festivalzelts am Warmen Damm geht heute die 11. Edition der Theaterbiennale NEUE STÜCKE AUS EUROPA in Wiesbaden und Mainz nach elf ereignis. und begegnungsreichen und inspirierenden Tagen und Nächten zu Ende. 7800 Zuschauer besuchten Tagen die vor 20 Jahren gegründete Theaterbiennale, die als wichtigstes Schaufenster der zeitgenössischen europäischen Dramatik gilt.

NEUE STÜCKE AUS EUROPA am heutigen Sonntag, 24. Juni 2012 zu Ende. Die 11. Edition der Theaterbiennale des international größten Festivals europäischer Dramatik zeigte 31 Produktionen aus 25 Ländern Europas in 54 Vorstellungen. Durch ihre Stückeauswahl ließen Festivalgründer Manfred Beilharz sowie die weiteren Mitglieder der Künstlerischen Leitung – Tankred Dorst, Ursula Ehler und Maya Schöffel – die ästhetische Vielfalt zeitgenössischer Dramatik aus ganz Europa erfahrbar werden. Die 41 Paten des Festivals, namhafte Dramatikerinnen und Dramatiker aus den jeweiligen europäischen Ländern, halfen mit Empfehlungen bei der Auswahl der Gastspiele. Alle Vorstellungen wurden in der Originalsprache gezeigt und für das Publikum simultan ins Deutsche übersetzt.

Europa auf der Bühne

„In einer enger zusammenrückenden Welt scheint das Theater ein Ort regionaler Selbstverortung zu werden. Bei der Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte erhält das Drama eine wichtige Stimme“, so Manfred Beilharz auf dem abschließenden Pressegespräch. Viele der geladenen Inszenierungen erzählten als Spiegel der Gesellschaft von aktuellen Themen und unterschiedlichen gesellschaftlichen Positionen innerhalb Europas. Sie fungierten als Ort des kollektiven Gedächtnisses einer bestimmten Region und dienten nicht selten der Aufarbeitung kollektiver Traumata. In diesen Zusammenhang gehörte die phänomenale Aufführung THE BLUE BOY aus Irland, die sich im Kleinen Haus auf eine performative Weise mit dem Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche beschäftigte.

Zu den bemerkenswerten Gastspielen der Biennale zählten unter anderem CIRCO AMBULANTE von Andrej Mogutschij & Maxim Isajew aus Russland, das türkische Stück SȖRNAME 2010. EIN FEST FÜR SÜHENDAN von Yiğit Sertdemir sowie IMMER NOCH STURM, für das Peter Handke kurz vorher mit dem Mühlheimer Dramatiker-Preis 2012 ausgezeichnet wurde. Mit HPYERMNESIE von Selma Spahić war eine bisher erstmalige Koproduktion zwischen Bosnien-Herzegowina, Serbien und dem Kosovo zu Gast.

Im Biennale-Programm 2012 zeichnete sich insbesondere ab: Das Kollektiv ist nicht mehr wegzudenken aus der Dramenproduktion Europas. Seien es Stückentwicklung durch das Ensemble auf der Probe, seien es Autoren, die im Duo schreiben, oder eine kongeniale Zusammenarbeit von Librettist und Komponist – die theatralen Produktionsbedingungen Europas tendieren zum Kollektiv. Neben Altmeistern dieser Arbeitsweise wie Alvis Hermanis (SCHWARZE MILCH aus Lettland) und sehr etablierten Formen der Zusammenarbeit wie bei Josse de Pauw und Jan Kuijken (DIE GEHÄNGTEN aus Belgien) zeigte das diesjährige Programm auch die jüngste Generation von Teamarbeitern. So beispielsweise ricci/forte aus Italien (GRIMMLESS) oder das slowakische Ensemble rund um Dušan Vicen (STECHER UND LUTSCHER).

Preise verliehen

Im Rahmen des Festivals wurden zwei Preise verliehen. Der Übersetzerpreis des Festivals, den der Wiesbadener Kurier für die beste literarische Stückeübersetzung auslobt, ist mit 1.000 Euro dotiert. Dr. Viola Bolduan (Ressortleiterin des Feuilletons des Wiesbadener Kuriers) übergab den Preis an Matthias Knoll für die Übersetzung des Stücks SCHWARZE MILCH von Alvis Hermanis aus dem Lettischen. In diesem Jahr wurde zum ersten Mal der Publikumspreis verliehen. Die Biennale-Besucher wählten MÖRDER (RU) von Alexander Moltschanow (Regie: Dmitrij Jegorow) zu ihrem Lieblingsstück – dicht gefolgt von ICH HASSE DIE WAHRHEIT aus Slowenien (Autor/ Regie: Oliver Frljić) und RÜCKSTOSS (BG) von Zachary Karabashliev (Regie: Stayko Murdzhev).

Diskussionen für den Kontext

Ein umfangreiches Rahmenprogramm stellte die geladenen Produktionen in einen Kontext. Podiumsdiskussionen setzten sich mit dem Schreibprozess und der Stückentwicklung auseinander (Warum schreibst du?), aber auch mit dem Schreiben und Theaterschaffen in einem spezifisch europäischen Kontext (Das Grundrecht der Kunstfreiheit in den Ländern der EU). Das 20-jährige Bestehen der Theaterbiennale, bei der bis heute 310 zeitgenössische europäische Stücke gezeigt wurden, bot die Gelegenheit, zurückzublicken und über fundamentale Veränderungen in Kunst und Gesellschaft in Europa seit 1992 zu reflektieren (20 JAHRE NEUE STÜCKE AUS EUROPA – Was ist neu, was ist ein Stück, was ist Europa). Kurz vor den Wahlen in Griechenland las der griechische Pate Georgios Markaris aus seinem politischen Kriminalroman „Faule Kredite“.  Die  Biennale war nicht nur eine Bühne europäischer Theatervielfalt, sondern  auch ein Arbeitstreffen für junge Nachwuchskünstler unter professioneller Anleitung. 20 junge Autorinnen und Autoren erarbeiteten im FORUM JUNGER AUTOREN EUROPAS Texte, die als Nachtwanderung (Einrichtung: Teresa Reiber) dem Publikum präsentiert wurden.    Der newplays-blog.de begleitete die Theaterbiennale schon ab der ersten Programmpressekonferenz im Januar.

Bilanz

Die Platzausnutzung für alle Vorstellungen lag in Wiesbaden bei knapp 70 %. Insgesamt besuchten 7800 Zuschauer die Vorstellungen und Sonderveran-staltungen des Festivals. Zu Gast waren Festivalkuratoren und Theaterleiter sowie über 70 Journalisten aus ganz Europa. 80 Dramatikerinnen und Dramatiker reisten an und beteiligten sich in theoretischen Diskursen, Lesungen und Vorträgen an der Theaterbiennale oder wurden in Autorenporträts vorgestellt.