Kapert die Wiesbadener Leuchttürme,
liebe sensor-Leserinnen und –Leser! Leuchttürme in Wiesbaden? Hat da jemand die äußerst extreme Hitze dieses genialen Sommers nicht vertragen, mögen Sie jetzt denken. Ich meine natürlich die baulichen und kulturellen Leuchttürme in der Stadt; die Orte, Gebäude und Einrichtungen, die „herausragen“. Aber wer definiert eigentlich, was in einer Stadt herausragt? Und wie? Zu den Leuchttürmen in unserer Stadt zählt man gemeinhin zum Beispiel das Staatstheater, das Museum, das RheinMain CongressCenter, kurz RMCC. Ohne Zweifel wichtige und bedeutende und unverzichtbare Orte und Einrichtungen, in die sehr viel – im Vergleich zu vielen anderen Orten seeeeehr viel – öffentliches Geld gepulvert wird. Steuergeld. Unser Geld. In aller Regel gut angelegtes Geld, keine Frage.
Aber: Das, wofür unser Geld ausgegeben wird, sollte uns auch selbstverständlich gehören. Nun kann nicht jeder Bürger dieser Stadt einen Generalschlüssel für das Staatstheater, das Museum oder das RMCC bekommen. Aber es gibt auch andere Möglichkeiten. Man kann die Menschen unserer Stadt – erst recht die jungen, die bislang eher nicht im Fokus der Aushängeschild-Einrichtungen stehen, obwohl doch gerade Ihnen die Zukunft, auch unserer Stadt, gehört – nur ermuntern: Ergreift Besitz von den Leuchttürmen dieser Stadt!
Verbieten verboten!
Beispiel RMCC. Innen hui, kein Zweifel. Und außen? Sicher nicht pfui, aber: Da geht noch mehr. Da sind Flächen, die Bewohner dieser Stadt erobern könnten – und sollten. Treppen, auf denen man sich treffen kann. Ohne Konsumzwang, dafür mit selbst mitgebrachten Getränken, Snacks, vielleicht sogar Gitarren, Banjos und Cajons. Wenn dazu noch – vereinzelt sieht man sie schon – Skater und BMX-Radler auf dem weitläufigen Areal ihre Tricks üben und zeigen, kann aus dem, was die Betreiber als „innovativstes Veranstaltungszentrum Deutschlands“ auf dem umkämpften Markt etablieren wollen, auch eines der coolsten werden. Das kann Wiesbadenern Spaß machen und Gäste der Stadt beeindrucken. Verbieten verboten! Waren Sie schon mal in Barcelona? Schauen Sie mal, was dort vor dem Kunstmuseum MACBA abgeht!
Apropos: Auch Kunst am Bau könnte zu einer Belebung und Atmosphäre rund um den gigantischen RMCC-Komplex beitragen. Der Entwurf ist schon da, er stammt von der international renommierten Künstlerin Monica Bonvicini und hat, wie so gerne in Wiesbaden unter Ausschluss der Öffentlichkeit, einen Jurywettbewerb gewonnen: eine auf den ersten Laienblick ziemlich abgefahrene begehbare, ergo belebbare, Pyramide. Zu gut offenbar für die Wiesbadener Welt, denn die Umsetzung wurde vorerst torpediert und steht nun in den Sternen. Eine Anzeigetafel für kommende RMCC-Veranstaltungen könne es doch stattdessen auch tun, soll ernsthaft ins Feld geführt worden sein, und außerdem gebe es doch schon gegenüber eine Goethe-Skulptur vorm Museum. In Wiesbaden, soviel steht fest, warten definitiv nicht nur Leuchttürme darauf, gekapert zu werden.
Ein/e Nachtbürgermeister/in für Wiesbaden? Die Chancen stehen gut
Ein Kaper-Komplize für mehr Leben in der Stadt könnte auch ein Wiesbadener Nachtbürgermeister werden. Einen solchen fordert jetzt das Jugendparlament – und stößt mit der Initiative auf offene Ohren. Schon in der nächsten Sitzung der Stadtverordnetenversammlung am 6. September wird das Thema debattiert und final entschieden. Die Signale deuten auf grünes Licht für das Vorhaben, wie unsere Nachfrage nach dem Stand der Disussionsdinge beim Vorsitzenden des Stadtjugendparlaments, Silas Gottwald, ergab: „In allen Fraktionen, in denen wir unser Projekt bisher vorgestellt haben, wurde unser Projekt mit großem Interesse und positiver Grundhaltung aufgenommen. Ich bin mir sicher, dass Wiesbaden bald eine/n Nachtbürgermeister/in haben wird.
Kaper-Vorbild Wiesbaden Biennale
Wie gut das mit dem Kapern klappen kann, macht – noch bis zum 2. September – die von sensor präsentierte „Wiesbaden Biennale“ vor. Das Kuratorenduo Maria Magdalena Ludewig/Martin Hammer mischt, in Komplizenschaft mit Künstlern aus der ganzen Welt und Akteuren aus der ganzen Stadt, gerade Wiesbaden ordentlich auf und verpasst dem altehrwürdigen Staatstheater und unserer ganzen, auch manchmal arg altehrwürdig daher kommenden, Stadt vieles, was man hier nicht für möglich gehalten hätte. Diskussionen allemal. Und ein völlig neues Wiesbaden-Gefühl. „Bad News“? Great News! Mehr davon, bitte. Gerne viel viel mehr! (Gerade die Tage hörte ich, wie eine junge Wiesbadenerin ziemlich euphorisch ihre Idee für eine nette kleine kulturelle Guerilla-Aktion in Wiesbaden formulierte. Als ihr Gegenüber etwas zögerlich darauf reagierte, meinte sie: „Hey, es ist Biennale. Da geht in Wiesbaden einfach alles!“)
Dirk Fellinghauer, sensor-Eroberer
Übrigens: Am Donnerstag, 27. September, kapere ich die EXILBar in der Nerostraße 24 – als Moderator der Premiere von „Nur Bar! Eine Runde Tresentalk“: Ein Gast. Ein Gespräch. Eine Stunde. Ab 21 Uhr, Baröffnung ab 19 Uhr. Wer mir auf dem Barhocker gegenüber sitzen wird, weiß ich zur Stunde selbst noch nicht. Sie erfahren es rechtzeitig auf www.sensor-wiesbaden.de – kommen Sie rum, kapern Sie mit!
Klasse Idee!! Wir haben viele schöne Plätze, die einfach mehr „belebt“ werden müssen – mit Kindern, Sport, Kunst oder einfach nur beim gemeinsamen Schwätzen, Essen, Trinken…. Aber bitte ohne anschließende Müllberge wie vorm Staatstheater oder auf dem Platz der Deutschen Einheit. Denn es sind überall ausreichend Mülleimer vorhanden. Also: Richtige Kaper-Piraten achten darauf, dass auch die nächste Crew noch Spaß an ihrem Platz hat. Ich will zum Beispiel schon ewig mal Boule auf dem Luisenplatz spielen. Zur Biennale geht einfach alles 😉