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„Ein gutes Eis muss reifen!“ Zu Besuch in einer besonderen Wiesbadener Eisküche

Von Sabine Eyert-Kobler. Fotos Nele Prinz

Es nieselt leicht, und eigentlich ist gar kein Wetter zum Eisschlemmen, denke ich an jenem Maimorgen auf dem Weg zu Eis Santini. Als ich aber den kleinen schmucken Laden am Bismarckring 14, Ecke Goebenstraße, erreicht habe, bin ich sofort umgestimmt. Innen überraschen die vielen venezianischen Masken, die mich von den Wänden anzublicken scheinen. In der Ecke lehnt der Bugbeschlag einer Gondel. Das ist ein etwa 22 Kilogramm schwerer Metallschweif, der ursprünglich als Gegengewicht zum Gondoliere diente.

In der Kulisse der Lagunenstadt

„Heute erkennt man an diesem, aus welchem Stadtteil Venedigs die Fahrer stammen“, erklärt mir der Inhaber Stefano Santini. Daneben lehnt eine Forcola, eine hölzerne Gabel, mit der der Gondoliere das Ruder führt. Ein weiterer Blickfang ist das farbenprächtige Wandgemälde einer stilisierten Gondel direkt gegenüber dem Eingang. Sofort tauche ich ein in die märchenhafte Kulisse der Lagunenstadt. „Meine Frau Tai ist für die Gestaltung des Ladens zuständig“, so der 58-Jährige. „Sogar unsere Deckenlampen sind aus hochwertigem Muranoglas.“ So weit, so spannend und beeindruckend. Aber eigentlich bin ich gekommen, um zu entdecken, was der Kundschaft verborgen bleibt …

Über Australien und Schwabing nach Wiesbaden

Dass das Paar in Wiesbaden „gestrandet“ ist, verdanken Fans besonderen Eisgenusses einem Zufall. Kennengelernt haben sich die Beiden nämlich in Australien. Dort wollten sie auch eine Eisdiele eröffnen. „Leider habe ich dafür kein Visum erhalten“, erklärt der Namensgeber des Wiesbadener Eiscafés. Nach einer Zwischenstation in München-Schwabing nun also Wiesbaden. Den Standort am Bismarckring entdeckt hatte sein Vater. „Die Lage ist super. Hier gibt es viel nette Laufkundschaft.“

Opas Eiscafé an der Rialtobrücke

Während wir die Treppe zum Produktionsraum hinuntergehen, entdecke ich an den Wänden viele Erinnerungsfotos aus vergangenen Zeiten. Erstmals Eis geleckt hat Santini tatsächlich in Venedig. Dort besaß sein Großvater ein kleines Eiscafé direkt am Fuße der Rialtobrücke am Campo San Bartolomeo. Weitere Fotos zeigen Schauspieler:innen aus Schwabinger Zeiten. Im Untergeschoss angekommen, empfängt uns das monotone Brummen der verschiedenen Eismaschinen. Hier sorgt ein ausgeklügeltes System dafür, dass zum Herunterkühlen immer das gleiche Wasser verwendet wird.

Vom Koch zum Eiskreateur

„Ich mache bereits seit 36 Jahren Eis“, erläutert der Herr der faszinierenden Eisküche: „Ursprünglich habe ich mal Koch gelernt und die Hotelfachschule in Venedig besucht. Während der Ausbildung habe ich gemerkt, wie viel Spaß es mir bereitet, Eis herzustellen.“ Auf die Qualität der überwiegend biologischen Zutaten für die vielen leckeren Eissorten legt Santini größten Wert: „Ich bereite alles selbst zu. Von den kandierten Orangenschalen über die gebrannten Mandeln und gerösteten Pistazien bis hin zur Erdbeer- und Mangosoße. Bei mir kommt keine Paste ins Eis!“, betont er.

Wie köstlich das Ergebnis seiner Tüfteleien schmeckt, davon darf ich mich gleich selbst überzeugen. Doch zunächst zeigt der Eismacher mir, wie er das Vanilleeis vollendet. „Ein gutes Eis braucht seine Zeit und muss reifen. Auch wenn sich das zunächst ungewöhnlich anhört. Auf zehn Liter Biovollmilch gebe ich zehn Vanillestangen, die ich ganz klein zerhacke, damit sich das Aroma besonders gut entfaltet“, verrät er mir sein Rezept.

Der Preis der kostbaren Rohostoffe

Allein die Kosten für die letztere Zutat sind immens: „Aktuell liegt der Preis für das Kilo zwischen 500 bis 700 Euro. Wir haben vor einigen Jahren aber auch schon über 1200 Euro gezahlt.“ Zunächst wird die Milch mit dem Vollei angerührt. „Nach der hochwertigen Biomilch habe ich lange gesucht, bis ich endlich im Allgäu fündig wurde.“ Anschließend fügt er Zucker und die Vanilleschoten hinzu. Danach wird die Masse über Nacht gekühlt.

Nach dem Reifeprozess lässt Santini das Vanilleeis durch einem Sieb laufen, um die Vanilleschoten-Stückchen zu entfernen. Anschließend geht es für die Creme auf dem schnellsten Wege in den Eisfroster. Aus dieser Menge werden später umgerechnet rund 400 der heißbegehrten Eiskugeln. Natürlich stellt Santini auch viele vegane Varianten her.

Dem Chef schmeckt alles, außer Zimt

„Ich mag eigentlich alle Eissorten, bis auf die mit Zimtgeschmack. Das Gewürz schmeckt meiner Meinung nach nur als Prise in ‚Carne in umido‘“, meint er lachend. Wir gehen zurück in den Verkaufsraum, in dem mittlerweile zahlreiche Stammkunden auf ihre Eiskreationen warten und oft auch Schlangen vor dem Eingang bilden. Einige von ihnen haben es sich bereits auf der schönen Terrasse mit Blick auf die Goebenstraße gemütlich gemacht. Dort gibt es Platz für bis zu 24 Gäste. Geöffnet ist täglich von 12 bis 20 Uhr, bei schönem Wetter und entsprechendem Betrieb auch länger.

Gräuliches Eis – köstlich!

„Was möchten Sie probieren?“, fragt mich Tai. Ich entscheide mich zunächst für gerösteten Sesam, weil ich die gräuliche Farbe so ungewöhnlich finde. Es schmeckt einfach köstlich. Sie reicht mir einen weiteren Löffel mit Orangensorbet.  Dann noch einen namens „Kao Niew Ma Muang“. Das ist Kokoseis mit Mangosoße und gedämpften Klebereis. Und zum Abschluss: Schokoeis. Eine gewöhnliche Sorte, außergewöhnlich gut zubereitet. Was für ein genüsslicher Schulterblick an diesem vernieselten Tag.