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Endspurt am Schlachthof: Neubau-Bühne frei

Von Hendrik Jung. Fotos Heinrich Völkel und Andrea Diefenbach.

Endspurt für das Schlachthof-Team. Mitte November soll das erste Konzert in der neuen Halle stattfinden. Mit jedem Tag steigt die Vorfreude darauf. Doch der Kulturpark wird danach noch mindestens anderthalb Jahre lang Baustelle bleiben. Zwischen Schlachthof und Wasserturm herrscht reger Betrieb. Besonders präsent ist der Presslufthammer, mit dem vor dem Eingang zur alten Halle der Boden aufgebrochen wird. Im Büro des sozio-kulturellen Zentrums und der GmbH, die das benachbarte Lokal 60/40 betreibt, sind trotzdem die Fenster offen. Man hat sich einfach an das Szenario gewöhnt.
„Im Prinzip wird seit dem Jahr 2000 gebaut, abgerissen und Dreck gemacht“, betont Gerhard Schulz, Vorstandsmitglied des Vereins und Geschäftsführer der GmbH. „2005 haben wir das 60/40 aufgemacht und hatten noch keinen staubfreien Sommer“, fügt er mit Blick auf den Biergarten hinzu. Das wird mit Sicherheit noch eine Weile so bleiben. Denn wenn die neue Halle fertig ist, steht die Sanierung des benachbarten Wasserturms an. Bis die abgeschlossen ist, kann auch das alte Gebäude nicht abgerissen werden.

Im November wird zwar die nach wie vor 2.000 Besucher fassende, neue Halle samt Hofköchen, Proberäumen, Künstlerwerkstätten, Technik, Lager und Werkstatt umziehen. Doch Räucherkammer, 60/40 und Büros werden erst im sanierten Turm ein neues Domizil finden. Beide Bauabschnitte zusammen sollen rund 11,5 Millionen Euro kosten. „An der Stelle hat sich entschieden, wie die Stadt zum Schlachthof steht. Man hätte auch sagen können: Wie schade, das war’s“, blickt Gerhard Schulz auf den Zeitpunkt zurück, als der Beschluss zur Investition gefallen ist. Durch den Einsturz der Eishalle in Bad Reichenhall Anfang 2006 war die Kommune in Zugzwang geraten: Die anschließende Untersuchung des Schlachthofs durch den TÜV hatte dringenden Handlungsbedarf aufgezeigt. „Alles was seit 2002 hier passiert ist, war zu viel für die Halle. Von der Anlieferung bis zur Toilette. Das ging nur, weil wir das durch gutes Essen, gute Technik und eine gute Crew ausgeglichen haben“, betont Gerhard Schulz. Das Engagement des Teams konnte jedoch nicht darüber hinweg täuschen, dass man den Veranstaltungsbetrieb fünf Jahren lang ohne richtige Stromversorgung, nur mit Hilfe von Aggregaten aufrecht erhalten hat.

Deichkind trat wütend die Türen ein

„Bei einem Konzert von Deichkind ist zehn bis 15 Mal der Strom ausgefallen. Da die CD mit der Hintergrundmusik aus einem einzigen Track bestand, mussten sie jedes Mal wieder von vorne anfangen“, erinnert sich Carsten „Strubbel“ Schack, im Vorstand für das Booking zuständig und ebenfalls Geschäftsführer der GmbH. „Die haben nachher in der Backstage eine Tür eingetreten“, fügt er hinzu. Trotzdem bleibt die Band dem Veranstalter gewogen und kommt am 21. November zu einem bereits ausverkauften Konzert zurück. Auch das Publikum ist dem Schlachthof über die Jahre treu geblieben. „Das Verrückte ist: Ich freue mich schon auf schlechtes Wetter. Weil es in Zukunft nicht mehr rein regnet, die Toiletten nicht mehr einfrieren und die Leute vor der Halle nicht mehr nass werden“, lacht Gerhard Schulz. Die widrigen Umstände haben das Team aber auch weiter gebracht. Aus der gut einjährigen Bauphase, in der die Zahl großer Veranstaltungen deutlich herunter gefahren werden musste, gehe man ebenfalls gestärkt hervor. Zwischenzeitlich habe das im Kollektiv geführte Kulturzentrum die Hälfte seiner 24 Festangestellten und 70 Aushilfen verloren. Wenn man jetzt aus dem Stand wieder auf vollen Veranstaltungsbetrieb umstelle, werde man zahlenmäßig in etwa wieder die gleiche Stärke haben. Das Know-How sei jedoch gestiegen. „Die neuen Mitarbeiter verfügen über ein Studium oder eine Ausbildung im Veranstaltungsbereich und die alten haben Fortbildungen besucht“, betont Carsten Schack. Nun gilt es der neuen Halle den alten Geist einzuhauchen. Erinnerungsstücke aus 15 Jahren wie die Whiskeyflasche von Lemmy, die Strumpfhose von Nina Hagen oder die Unterhosen der Hives, die in deren Grundstein versenkt worden sind, sollen dabei helfen.

www.schlachthof-wiesbaden.de