Bald ist es soweit. Noch ein paar Mal schlafen und dann eröffnet der Schlachthof seine neue Halle. Und dann auch noch mit Frau Doktor, der süßesten Versuchung, seit es Skamusik gibt. Ich freue mich! Aber nicht allen geht es so wie mir. Leider. Viele trauern immer noch der alten Halle nach.
Ich höre schon jetzt die Kommentare: „Das ist nicht mehr der Schlachthof. Früher hatte der aber mehr Flair.“ Mag sein. Flair hat die alte Halle. Keine Frage. Aber sie ist auch zugig, hat eine schlechte Akustik und für die Menschen, die darin arbeiten mussten, war es zum Teil eine Zumutung. Ich weiß, wovon ich spreche. Einigen von euch habe ich bestimmt schon einmal einen Drink über die Theke gereicht. Warum also nicht Friede, Freude, Eierkuchen und sich freuen, dass in Wiesbaden etwas Neues entsteht und es wieder einen Ort gibt, indem nationale und internationale Topacts sich die Klinke in die Hand geben werden?
Wahrscheinlich wegen Wehmut. Viele haben dort ihr erstes oder zumindest ihr erstes größeres Konzert besucht und bald wird dieser Ort plattgemacht. Ich habe auch in der alten Halle mein erstes großes Konzert erlebt. Doch deshalb in Trauerstarre verfallen, weil das Gebäude bald Geschichte ist? Nein!
Der Schlachthof meiner Jugend hat schon lange nichts mehr mit dem heutigen Schlachthof zu tun. Genau genommen starb der Schlachthof meiner Jugend, als zur Jahrtausendwende damit begonnen wurde, die umstehenden Fabrikgebäude abzureißen.
Ich weiß noch, als ich als 16-jähriges Landei dem Schlachthof meinen ersten Besuch abstattete. Ich stieg aus der Bahn, lief die Gartenfeldstraße entlang und betrat eine Welt, die ich so zuvor nur aus Filmen kannte. Ein Areal, gefühlt halb so groß wie das Kaff, aus dem ich stamme, voll mit unzähligen verfallenen, leer stehenden Hallen. Irgendwo weiter hinten loderte ein Feuer aus einer Metalltonne. Und Menschen mit bunten Haaren standen davor – solche, vor denen Eltern ihre Kinder immer warnen. Voll Bronx, ey! Und ich mittendrin.
Danach zog es mich immer wieder an diesen Ort zurück. Einfach die Nachmittage verplempern, den Sprayern dabei zusehen, wie sie grauen Beton in Kunst verwandeln und der Enge des Dorfes wenigstens für einige Stunden entfliehen. Mit dem Abriss war damit Schluss.
Später kamen die Wiese, die Jongleure und Didgeridoo-Spieler. Die guten Konzerte und Partys blieben. Das wird auch in der neuen Halle so sein. Es liegt an Euch, was ihr daraus macht.
Das Leben besteht aus Wandel. Ob man will oder nicht. Es bringt nichts, dem Alten hinterher zu trauern. Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne. Ich habe mich verändert. Der Schlachthof hat sich verändert. Ich habe ihn immer noch gerne. Wir sehen uns am 16. November.