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Familienband(e): Einfach berühren – Die Gebrüder Stöbener bilden die Band My Friend The Immigrant

Von Nadinie Kuhnigk. Fotos Daniel Sax.

Obwohl das jüngste Bandmitglied erst 21 ist, steht nächstes Jahr schon das zehnjährige „Dienstjubiläum“ ins Haus: Angefangen hat das, was heute die Band My Friend The Immigrant ist, bereits 2008. Die vier Stöbener-Brüder Jonathan, 29, Christoph, 25, Johannes, 23, und David, 21, bilden die Indie- Alternative-Band, die in Wiesbaden heimisch geworden ist. Hier wohnen die vier Jungs, die eigentlich aus der Pfalz stammen, hier haben sie im Schlachthof ihren Proberaum. Vier Brüder, und dann ist da noch Rinat Rashapov. Der namensgebende „Immigrant“ der Band, der aus der Ukraine stammt, lebt mittlerweile der Liebe wegen in Kanada. Zu wichtigen Gigs und Aufnahmen kommt der 27-Jährige aber immer wieder gerne zu seiner Band zurück.

Zurück zu den Anfangen: Das jüngste Familien- und Bandmitglied David war erst 12 und lernte, da in der Band ein Bass fehlte, kurzerhand dieses Instrument. Jonathan spielt Schlagzeug, Christoph Keyboard, und Johannes sorgt für passende Gitarrenklänge. „Durch diese Kombi können wir unsere Musik und unsere Message perfekt rüberbringen“, berichten sie. Den Gesang teilen sich drei der Brüder untereinander auf. Den Großteil allerdings übernimmt der Älteste.

„Es ist natürlich toll, mit seinen Geschwistern zusammen Musik zu machen und so besondere Momente zu erleben“, berichtet Jonathan – und sagt im selben Atemzug: „Einfach ist es aber nicht immer.“ Das ergebe sich alleine schon daraus, dass sich alle so gut kennen. Natürlich sei das oft ein Vorteil, weil alle genau wissen, wie die anderen ticken. Es kann aber auch ein Nachteil sein, da allen genau bewusst ist, wie sie die anderen reizen können. „Wir gehen uns oft auch echt ziemlich auf die Nerven und brauchen dann erst mal Pause voneinander“, gibt das Quartett, das sich Woche für Woche als Band trifft, zu. Als nächstes steht anstatt Pause erst mal ein gemeinsamer Familienurlaub mit allen Vieren samt Eltern auf dem Programm. „Wir haben uns echt vorgenommen, die Musik aus den zwei Wochen rauszulassen und sie zumindest in der Zeit von der Familie zu trennen. Mal sehen, ob wir das hinbekommen“, überlegen die Jungs schmunzelnd.

Zusammenhalt ist alles

„Ohne den Zusammenhalt und Rückhalt  zwischen uns Brüdern, aber auch mit unseren Eltern hätten wir es nie so weit geschafft“, erzählen die Geschwister, wie wichtig die Familienbande für die Familienband war und ist. Die Eltern Stöbener unterstützten die musikalischen Ambitionen ihrer Söhne von früh auf. Teilweise wurde bis zu fünf, sechs Stunden pro Tag unterm Dachboden geprobt. Und das hat sich nach eigenen Aussagen gerade am Anfang alles andere als gut angehört: „Beschwert haben sie sich nie“,  sind die jungen Männer heute noch dankbar für die Toleranz.

Auch wenn alle Vier mittlerweile studieren: Alle können sich gut vorstellen, hauptberuflich Musik zu machen. Ein finanzielles Problem bereitete das erste offizielle Album der Band und die Finanzierung ihres Videos der ersten Auskopplung „Wooden Heartbeat“. Obwohl sie bereits selbst einiges zusammen gespart hatten, reichte das Geld nicht aus. Die Lösung: Crowdfunding. Die Band bot im Internet Verschiedenes an, von signierten CDs und einem Wohnzimmerkonzert über einen kompletten Gig oder ein selbst gekochtes Essen mit den Musikern. Anstatt der anvisierten 6000 Euro kamen sogar 7291 Euro zusammen, die dann direkt investiert wurden.

Video, Album und große Pläne

Besonders stolz ist die Band auf ihr so entstandenes Video zu der Single „Wooden Heartbeat“. Dieses wurde gemeinsam mit den beiden Filmemachern Daniel Saxx und Daniel Knussmann produziert und erzählt eine ganz eigene kleine Geschichte. Als Hauptdarstellerin holten sie sich die 89 jährige Marie-Louise Heming mit ins Boot. Sie konnten die agile Bewohnerin der Kursana Seniorenvilla begeistern, bei Dreharbeiten unter anderem in Dotzheim, im Bahnholz, in der Einkaufspassage im Schelmengraben oder auch im Fahrstuhl im Mauritius-Parkhaus vor der Kamera zu stehen. „Es ist, als hätten wir eine neue Oma in Wiesbaden,“ sagen die Gebrüder Stöbener nach der intensiven Zusammenarbeit. In dem Song geht um die Themen Vertreibung, die Gier des Menschen nach immer mehr, um Massenkonsum und Umweltzerstörung. Das Video erzählt die Geschichte anhand der alten Dame, der zu Beginn des Videos genau dieses Dilemma bewusst wird. Am Ende überträgt sie diese Gedanken auf die jüngere Generation, die sich hinsetzt und den Song schreibt und die „Story“ dann somit weiterträgt.

„Wir schreiben über das, was uns bewegt. Wenn die Themen, die sich auf dem aktuellen Album generell viel mit dem Leben und der Existenz an sich befassen, jemanden ansprechen, stört uns das natürlich nicht“, beantworten beziehungsweise verneinen My Friend The Immigrant die Frage nach ihrer Zielgruppe: „Einen klassischen `Vermittlungsgedanken´ oder `wen wollen wir erreichen´-Fokus haben wir nicht. Wir wollen einfach berühren und vielleicht sogar zum Nachdenken bewegen.“ Dazu bietet ihr im April erschienenes Album „About Life, Death and Trees“ reichlich Gelegenheit. Demnächst stehen einige Gigs in der näheren Umgebung an, im Herbst und nächstes Frühjahr Touren durch ganz Deutschland. Mindestens: „Besonders cool wäre eine Tour mit Rinat durch Kanada. Dann wären wir auch mal bei ihm. Wir peilen das auf jeden Fall in der nächsten Zeit an“, erzählt Jonathan.

My Friend The Immigrant live: 15. Juli Lindenfest Geisenheim (14 Uhr) und Luftschloss Sommerfest Halle 45 Mainz, 11. August Reflecta Festival Planke Nord Mainz, 29. August Schlosskeller Darmstadt. www.myfriendtheimmigrant.de