Von Dirk Fellinghauer (Text und Foto)
1.) Künstler*innen und Kulturschaffende sind auch in Wiesbaden von der momentanen Krise besonders gebeutelt und fallen durch viele Hilfs- und Rettungsraster. 2.) Die Suche nach einem „Folklore-Nachfolge-Festival“, für das zweckgebunden im städtischen Haushalt 200.000 Euro reserviert sind, verlief bislang – auch fünf Jahre seit dem letzten „Folklore“-Festival – vergeblich. Nun will der Schlachthof 1.) und 2.) zusammenführen – mit dem vor wenigen Tagen hier angekündigten „CORON-Arts Festival“ (Arbeitstitel) und einer so kühnen wie genial und zielführend klingenden Idee. Wie diese aussieht, verrieten Schlachthof-Vorstand Gerhard Schulz und Kulturdezernent Axel Imholz heute auf einer digitalen Pressekonferenz.
Die Idee: Ein neues, lokal oder regional ausgerichtetes Festival für den Sommer 2021 planen, für das Künstler*innen und Kulturschaffende schon heute Gagen erhalten – als Soforthilfe in aktueller Corona-Not, als Signal der Hoffnung, Aufmerksamkeit und Wertschätzung. Ein Ausnahmezustand-Festival, das aber gleichzeitig der Startpunkt für die Etablierung eines dauerhaften „Folklore-Nachfolge“-Festivals werden soll.
Krise als Thema der Kunst und Kultur – Kunst und Kultur zur Bewältigung der Krise
Vorkasse für kulturelle Leistungen – eine Idee, die Künstler*innen aus Wiesbaden (und Umgebung) direkt zugute kommen soll, grundsätzlich übrigens aus allen Sparten von Musik und Kunst über Theater, Fotografie, Vorträge, DJs, Graffiti, Performance und anderes – und mit thematischer Ausrichtung: „Künstlerische Verarbeitung von Krisen und gesellschaftlichen Reaktionen darauf“. Und es ist eine Idee, die über die Stadt hinaus Aufmerksamkeit erregen und im besten Fall Schule machen könnte. In Wiesbaden könnte das Festival an einem Wochenende im Sommer 2021 steigen, denkbar sei es bereits Ende Mai oder in Richtung Juni oder Juli.
200.000 Euro plus x
Bestritten werden sollen Festival und Vorschuss-Gagen mit den reservierten 200.000 Euro, die sofort ausgezahlt werden sollen, aber nicht ausreichen werden. Wo die weiteren Mittel – man kann wohl von in etwa nochmal der gleichen Summe ausgehen – herkommen, müsse noch eruiert werden, bekannten heute Schulz und Imholz. In Frage kämen zum Beispiel „übrig gebliebene“ Projektmittel, die nicht abgerufen werden. Möglich wären auch Bemühungen um Drittmittel oder auch vielleicht ja auch ein weiteres oder erweitertes Crowdfunding gezielt für dieses Festival. Mit seinem aktuellen „Schlachthof retten helfen“-Crowdfunding, das unabhängig von der frisch geborenen Festivalidee läuft, kamen bis heute bereits 117.000 Euro zusammen.
Entscheidung noch vor der Sommerpause
Was die neue Idee angeht: Zuallererst mal muss die Freigabe der 200.000-„Folklore-Euro“ für die „CORON-Arts“-Idee beschlossen werden – von der Stadtverordnetenversammlung, die nach Stand der Planung am 2. Juli wieder tagen soll. „Wir sollten einen Neustart wagen – Ich bin bereit dazu“, stellte heute der Kulturdezernent klar, verwies aber auch, dass die Entscheidung bei den Stadtverordneten liegt. Auch der Kulturbeirat sollte in die Diskussion einbezogen werden.
Zurück zu den Wurzeln-Spirit und Rock´n´Roll auf allen Ebenen
Geben diese grünes Licht, muss und kann es sehr schnell gehen. Die Ausschreibung respektive Auswahl der Künstler, die Rede ist von einer Hausnummer von vielleicht 25 Acts, solle dann zeitnah erfolgen. Anders könnte man ja auch nicht den angestrebten „Soforthilfe“-Effekt erzielen. Wie genau das Auswahlverfahren vonstatten gehen soll, sei aber noch völlig offen, betonte Gerhard Schulz.
Überhaupt legte er Wert auf die Feststellung, dass alles im Moment erst eine Projektskizze sei mit noch vielen offenen Fragen. Aber genau dies mache den Reiz des Vorhabens aus, durch das mit seinem unfertigen Mut zur Lücke-Ansatz und der Inkaufnahme von Risiken und Unwägbarkeiten – sei es, dass einzelne Künstler am Ende die bereits bezahlte Leistung nicht abliefern können oder dass im nächsten Sommer immer noch keine Veranstaltungen dieser Art möglich sind – der Geist der Schlachthof- wie auch der Folklore-Anfangstage weht. Dazu zählt auch ein „Low-Fi-„Ansatz in Sachen Technik und Aufwand: „Das Geld, das man nicht in die Technik stecken muss, kann man den Künstlern zahlen.“ Das Festival soll auch ein klares Statement für die Unverzichtbarkeit der Kultur setzen.
„Das wird Rock´n´Roll auf allen Ebenen“, sagte Gerhard Schulz heute und meinte den Weg wie das Ziel – ein eintrittsfreies Wochenendfestival, das – darin ist er sich mit dem Kulturdezernenten einig – wenn alles gut läuft der „Einstieg“ in eine nachhaltige Perspektive für ein neues Wiesbaden-Festival sein soll. Dieses würde auf den Trümmern von „Folklore“ aufbauen, sich aber gleichzeitig von diesem, und von den immer wieder geäußerten Vergleichen, endgültig emanzipieren mit einem völlig anderen Charakter und als etwas ganz Neues und nie Dagewesenes.
Im bisher überschaubaren Kreis der Eingeweihten stieß die Grundidee durchweg auf begeisterte Resonanz. Das Ganze ist übrigens keinesfalls eine Schnapsidee. Sie entstand bei einem Glas Rotwein!
finde ich eine gute Idee
Wäre toll für die Künstler. Nicht nur Rock n’Roll ein Weltmusikfestival a la Rudolstadt nur regional. In Wiesbaden leben und arbeiten soviel Nationalitäten. Ich lebe seit 11 Jahren in Wiesbaden und gebe höchstens 1 Konzert mit meinem Mann ansonsten sind wir nur überregional tätig das finde ich traurig.
Mit „Rock´n´Roll“ meinte Gerhard Schulz eher, dass das Ganze eine „wilde“ Sache werden dürfte, weil es so neu, „ungeübt“, sicher auch an vielen Stellen improvisiert etc. ist und werden wird, also eher der „Spirit“ als die musikalische Ausrichtung. Die soll sehr offen sein und das Festival sich überhaupt nicht nur auf Musik beschränken, sondern offen für alle Sparten sein.
Toi toi toi für eure eigene Musik!