Text & Fotos: Maximilian Wegener.
Junge Menschen auf der ganzen Welt gehen nach Vorbild der Schwedin Greta Thunberg auf die Straße. Auch in Wiesbaden und Mainz lassen sie für ihr Anliegen den Unterricht sausen – das nächste Mal an diesem Freitag. Um die Streiks entbrennt auch Streit: Dürfen die Schüler das?
Ein Freitag im Februar, kurz nach 10 Uhr, in Mainz vor dem Rabanus-Maurus-Gymnasium. Oben ziehen Flugzeuge ihre Kondensstreifen durch den wolkenlosen blauen Himmel, während unten junge Menschen lautstark gegen den Klimawandel, für einen schnelleren Kohleausstieg und eine ökologischere Zukunft demonstrieren. „Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr unsere Zukunft klaut!“ ist einer der Rufe, die am meisten skandiert werden. Ganz emissionsfrei geht es aber auch hier nicht ab: Hinter der provisorischen Bühne tuckert ein kleiner Benzingenerator sich hin, der die Lautsprecheranlage mit Strom versorgt. Ob der mit Biosprit läuft?
Hunderte junger Leute hatten sich schon kurz vor 10 Uhr vor dem Mainzer Hauptbahnhof versammelt, um gemeinsam unter dem Motto „Fridays for Future. Streik fürs Klima – Wir streiken, bis ihr handelt!“ zu demonstrieren. Diese Bewegung von Bildungsstreiks für besseres Klima gewinnt international und auch deutschlandweit zunehmend an Fahrt – inspiriert von der 16-jährigen Klimaaktivistin Greta Thunberg aus Schweden, die seit August 2018 freitags gegen die Klimaerwärmung protestiert anstatt zur Schule zu gehen. Das „stärkste Mädchen der Welt“ gilt mittlerweile als Ikone der Klima-Bewegung, wurde nun sogar für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen. Greta ist auch auf den hiesigen Demos präsent: als Bild und in Zitaten auf den überwiegend von Hand geschriebenen und bunt gemalten Pappschildern und Transparenten. Protest zeigt sich hier kreativ, humorvoll, aber durchaus auch ernst.
Die Botschaft: Ihr sollt in Panik geraten
„Ich will, dass ihr in Panik geratet“, hatte Greta Thunberg auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos an die versammelte Wirtschaftselite appelliert: „Verhaltet euch, als stünde euer Haus in Flammen. Denn das tut es“. Diese und ähnliche Botschaften transportieren die jungen Leute auf ihren Schildern und Transparenten, in Rufen und bei den Redebeiträgen. Sie wollen Klimagerechtigkeit, und sie wollen sie sofort: Den Kohleausstieg deutlich vor 2038, mehr erneuerbare Energien, eine Förderung des öffentlichen Personennahverkehrs, weniger Plastik und mehr Nachhaltigkeit in der Wirtschaft. Die Politik tue nichts für das Klima und müsse nun endlich handeln, so die allgemeine Forderung.
Fragt man die jungen Demonstranten nach ihren eigenen Beiträgen zur Rettung der Welt, geben viele an, auch selbst Verantwortung zu übernehmen. Sie nennen vegetarische oder vegane Ernährung, Verzicht auf Plastik, Nutzung von Fahrrad und ÖPNV und den Kauf von regionalen und saisonalen Produkten. Ein Totalverzicht beispielsweise auf Flugreisen oder importiertes Obst geht vielen der Befragten aber dann doch zu weit. Eine „Ökodiktatur“, wie sie der Kabarettist Hagen Rether einmal gefordert hat, sei nicht der richtige Weg. Ökologisch und klimatisch richtiges Verhalten, da sind sich die meisten einig, müsste durch positive Anreize und Subventionen erreicht werden, nicht durch Verbote und Druck von oben.
Zeitpunkt der Demos erhöht den Druck
Während der Mainzer Demo-Zug noch unterwegs war, begann um 12 Uhr dann auch am Wiesbadener Hauptbahnhof ein „Fridays for Future“-Schulstreik. Abgesprochen hätten sich die Organisatoren nicht, berichtet Dominik Lawetzky, Mit-Organisator der Wiesbadener Demo. Es sei aber vorstellbar, dies in Zukunft zu ändern.
Die Schüler-Demos finden nicht umsonst zur Unterrichtszeit statt – genau wie der Schulstreik der Vorbildfigur Greta. Schule zu schwänzen ist Teil des Konzepts, denn es geht um Provokation und Aufmerksamkeit. Hessens Kultusminister Alexander Lorz hat dazu klar Stellung bezogen: „Das Engagement der Schüler für den Klimaschutz rechtfertigt nicht das Fernbleiben vom Unterricht“. Zugleich räumt Lorz aber ein, dass die Demos womöglich gerade deshalb solche Aufmerksamkeit genießen, weil die Schüler dafür der Schule fern bleiben.
Das glaubt auch Klaus Peter Hammer, der Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Rheinland-Pfalz: „Die Schülerinnen und Schüler müssen sich schon die Frage stellen, ob man so etwas dauerhaft während der Schulzeit machen kann. Es gibt nun einmal die Schulpflicht. So bekommen sie aber wahrscheinlich deutlich mehr Aufmerksamkeit, als wenn sie nachmittags oder am Wochenende demonstrieren würden.“ Die Demonstrationen an sich befürwortet er: „Wir sehen hier eine junge Generation, die sich politisch einbringt und engagiert. Diese jungen Leute machen sich ernste Sorgen um ihre Zukunft. Sie wollen Druck erzeugen, und das kann ich verstehen und begrüße ich.“
Demokratie heißt, sich aktiv einzubringen
Ähnlich äußert sich auch Manon Tuckfeld, Vorsitzende des Gesamtpersonalrats des Lehrerinnen und Lehrer für den Rheingau-Taunus-Kreis und die Landeshauptstadt Wiesbaden: „Diese Streiks sind ein Ausdruck von politischer Teilnahme, die wir sehr begrüßen.“ Politik lernen bedeute mehr, als bloß Theorie im Unterricht. „Demokratie zu lernen heißt, sich aktiv einzubringen. Es ist ein ‚Anliegen von Schule, dass Schüler aufgeklärte und emanzipierte Bürger werden. Man sollte sich freuen, dass die Jugend sich wieder politisch engagiert.“ Die Gefahr, dass Schüler solche Demos als Vorwand zu benutzten, die Schule schwänzen zu können, sei natürlich gegeben. Man solle das aber nicht überbewerten.
Streikrecht neu verhandeln
„Streiks sind bei uns gesellschaftlich fest verankert als Mittel, seine Interessen demokratisch durchsetzen zu können“, sagt Tuckfeld. Das gelte in ihren Augen auch für die Jugend, weshalb sich ihr Verband für ein Streikrecht für Schüler einsetzt. Klaus Peter Hammer sieht das etwas anders: „Streiks für außerbetriebliche Themen wie beispielsweise Klimaschutz sind bei uns in Deutschland so nicht vorgesehen. Was uns fehlt, ist ein Generalstreikrecht“. Das Streikrecht müsse neu verhandelt werden, so Hammer. Die Schülerstreiks seien dafür ein guter Katalysator. Und sie beeindrucken auch die alte Generation. Bei der Kundgebung in Wiesbaden lauschte auch die 81-jährige Fernsehreporter-Legende Wolf von Lojewski interessiert. Und zu einem sensor-Onlinebeitrag schrieb ein Rentner: „Ich will dazu beitragen Ort und Zeitpunkt der wöchentlichen Demos bekanntzumachen und Rentner/Ruheständler dazu einzuladen. Ruft mich an.“
Fridays for Future-Schulstreik für das Klima am 15. März in Wiesbaden, Beginn 12 Uhr Hauptbahnhof, Demonstrationszug durch die Innenstadt, Abschlusskundgebung vor dem Landtag. Infos und Updates: https://www.instagram.com/ssrwiesbaden/ und https://www.instagram.com/fffwiesbaden/ ///
„Fridays for Future“ – Persönliche Stellungnahme des Stadtelternbeirats-Vorsitzenden David Böhne
„Am 15.03.2019 werden wieder internationale Klimastreiks unter dem Motto “Fridays for Future” stattfinden. An den Protesten werden sich voraussichtlich über 200 deutsche Städte beteiligen. Auch Schüler aus Wiesbaden sind aufgerufen, sich um 12:00 Uhr am Hauptbahnhof zu versammeln.
Bereits zu den Klimastreiks vor vier Wochen hatte Kultusminister Lorz sich geäußert: „Das Engagement der Schüler für den Klimaschutz rechtfertigt nicht das Fernbleiben vom Unterricht“, erklärte Kultusminister Prof. Dr. R. Alexander Lorz heute im Hessischen Landtag anlässlich einer aktuellen Stunde zu den freitäglichen Schülerdemonstrationen. Er habe großen Respekt vor dem politischen Engagement von Schülerinnen und Schülern. Und sicherlich hätten die Demonstrationen „Fridays for Future“ und die Tatsache, dass diese während der Unterrichtszeit stattfanden, eine große und vielleicht genau deshalb größere mediale Aufmerksamkeit auf sich gezogen.
Insofern können wir feststellen: „Ziel erreicht!“ Doch dabei handele es sich um einen kalkulierten Regelverstoß, dessen Konsequenzen auch zu tragen seien. […] Gleichzeitig plädierte Lorz für eine Portion Gelassenheit. Er vertraue voll und ganz auf die pädagogische Erfahrung der Schulleitungen und Lehrkräfte, mit Fingerspitzengefühl zu reagieren. Die Schülerinnen und Schüler müssten nicht sofort mit der ganzen Härte aller Sanktionen rechnen.”
Der Aufschrei in den sozialen Medien und die Berichterstattung über das Fernbleiben vom Unterricht ist vernehmbar. Klagen von Wiesbadener Eltern sind jedenfalls zum Stadtelternbeirat noch nicht vorgedrungen. Dabei ist Unterrichtsausfall sonst eines der am häufigsten von Eltern beklagten Probleme.
Wer sich aber ernsthaft Sorgen um Unterrichtsausfall macht, sollte sich statt mit demonstrierenden Schülern eher mit dem dramatischen Lehrermangel, insbesondere an Grundschulen beschäftigen. – Ein Thema übrigens, das Kultusminister Lorz eher klein redet, während die Landesschülervertretung Daten zu ausgefallenen Schulstunden liefert, die das Kultusministerium nicht mal erheben kann.
Schüler, die – vielleicht sogar in der Schule – gelernt haben, sich politisch engagieren, für ihre Ziele einzutreten und dafür sogar Sanktionen in Kauf nehmen, haben vermutlich mehr für ihr Leben gelernt, als an einem durchschnittlichen Freitagnachmittag in der Schule zu vermitteln gewesen wäre.
Sollte es Schulleiter oder Lehrer geben, die das vom Kultusminister erwartete Fingerspitzengefühl vermissen lassen, werde ich mich gerne für die betroffenen Schüler einsetzen.
David Böhne, StEB Wiesbaden, Vorsitzender“
Fridays for Future klingt doch eigentlich recht neutral in Bezug auf die Teilnehmerklientel, was hält eigentlich die älteren Generationen davon ab, sich an diesen Demonstrationen zu beteiligen, schließlich sind wir alle betroffen.
Es geht immerhin um unser aller Zukunft und die unserer Nachkommen. Hier wäre doch Solidarität in jedem Falle angebracht. Zumindest die nicht oder nicht mehr arbeitende Bevölkerung (Senioren) könnte sich diese Zeit nehmen, ohne mit Konsequenzen zu rechnen.
Die Älteren sind auch schon dabei:
http://www.parentsforfuture.de