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Gastgeber des Monats: Esswerkstatt, Niederwaldstraße

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Von Jan Gorbauch. Fotos Kai Pelka.

„Hier schmeckt Wiesbaden“ versprechen Andreas und Kerstin Petzold allen, die ihre Esswerkstatt besuchen. Esswerkstatt? „Das ist kein Restaurant“, betonen die Gastgeber. Sondern? Ihre ganz eigenen vier Wände – heimischer Herd, Kerzen, Bilder, Altbaugemütlichkeit. Fast folgerichtig auch keine Öffnungszeiten, keine Laufkundschaft, sondern regelmäßige Termine mit vorheriger Anmeldung und einem immer neuen Thema. „Kulinarische Vorlesungen“ freitags „auf eigene Gefahr und eigenes Risiko“, sowie der etwas kleinere Rahmen „& mittwochs“. Das Konzept ist dabei so simpel wie spannend: Die Freitagsveranstaltungen betten vier Gänge in einen unterhaltsamen Rahmen aus Historischem, Wissenswertem, Lustigem, Künstlerischem sowie Literarischem – alles im Einklang mit dem jeweiligen Thema des Abends. Das kann die einfache Kartoffel oder der luxuriöse Hummer  sein, und das seit nunmehr zehn Jahren, ohne dass sich ein Thema nennenswert wiederholt. Mittwochs gibt es zwar auch allerlei Heiteres, hier liegt der Fokus aber auf dem Beisammensein, auf dem Genießen eines Küchenklassikers, oft ganz bodenständig, in geselliger Runde ohne „Rahmenprogramm“.

Kochen als künstlerisch-soziales Projekt

Andres und Kerstin Petzold sind gerne Gastgeber, (be-)kochen gerne, aber damit ist es für das Paar noch lange nicht getan. Für den pensionierten aber passionierten 62-jährigen Kunstpädagogen sind die Abende vielmehr ein durch Kulinarisches getragenes künstlerisches und soziales Projekt: am Wohnzimmertisch finden sich maximal 14, immer wieder neu gemischte, einander größtenteils fremde Menschen mit unterschiedlichstem Hintergrund zusammen – ungewiss, was und wer sie erwartet, der Ausgang stets unbekannt.

Unser Besuch findet mittwochs statt. Es gibt Ossobuco, kein deutsches Alltagsgericht, vielmehr ein italienischer Klassiker. Die Petzolds werkeln emsig in der Küche am riesigen Herd, plaudern dabei interessiert mit ihren Gästen. Die Neugierde ist spürbar und das Beschnuppern im Stehen zwar gleich freundlich und locker, aber man kann noch erkennen, wer mit wem zur Tür hereinkam. Gleichzeitig beginnt aber auch unvermittelt das, was für Petzold die „Idee der sozialen Plastik“ ist, „die sich während des Prozesses verformt, auflöst und wieder neu definiert“ – ein Prozess, den man von außen sehr gut beobachten kann. Fremde finden zueinander und werden bei gutem Essen, gutem Wein und interessanten Gesprächen schnell vertraut, zu Bekannten. Das Ossobuco trägt seinen Teil dazu bei: zubereitet mit Leidenschaft, mit Liebe zum Produkt, mit Können und Geduld, genießt die Runde ein fantastisches Essen, eine aromatische Soße aus Tomaten und Kräutern und unvergleichbar mürbes, zartes Fleisch – nicht nur einmal werden die Schüsseln aufgefüllt.

Die Esswerkstatt ist eine Wiederbelebung der teils vergessenen Idee des Zusammen-Essens und -Seins, der Zeiten, als sich Großfamilien und Freunde regelmäßig zu gemeinsamen Mahlzeiten zusammenfanden. „Fremde?“, lacht ein Gast, als er auf den Abend angesprochen wird, „ja, Fremde zu Beginn, aber wirklich nur für wenige Minuten“.

 

Esswerkstatt

Feines zwischen Pinsel & Gabel

Niederwaldstraße 3

65187 Wiesbaden

Telefon 0611/ 85841 oder 0172 /610 77 62

reservierung@esswerkstatt.de

 

Rezept

„Traditionell wird Ossobuco aus Kalbshaxe gemacht, damit man Hohlknochen schneiden kann (Ossobuco frei übersetzt: „Knochen mit Loch“). In Mailand, dem Herzen der Ossobucokultur, wird man traditionell in den Osterias die Beinscheiben leicht mehlieren und in Olivenöl anrösten, würzen und mit Stücken aus Staudensellerie, Echalotten oder Zwiebeln, Karotten und enthäuteten Tomaten umlegen. Dann gießt man Kalbsfond und Weißwein an und lässt das Ganze im Schmortopf langsam schmoren, bis das Fleisch sich von den Knochen löst. Das kann je nach Dicke der Scheiben und Energieeffizienz des Backofens schon 2 bis 4 Stunden dauern. Wer sich mehr Zeit lassen kann, geht auf 120°und lässt es langsam angehen, was das Fleisch noch mürber und geschmacksintensiver werden lässt.

Das Highlight der Würzung liegt dann zusätzlich bei der Gremolata, einer Mischung aus frisch geschnittenen, glatten Petersilie, Bio-Zitronenzesten und Knoblauch, die kurz vor dem Servieren auf das warme Fleisch kommt und damit einen betörenden Duft verstreut. Frisches italienische Landbrot und ein fruchtiger nicht zu gerbstoffbetonter italienischer Roter oder ein frischer Weißer bringen die Gäste am Tisch zum kulinarischen Schmunzeln.“ (Andreas Petzold)