Von Anja Baumgart-Pietsch. Fotos Kai Pelka.
„Am Wochenende machen wir Käsespätzle für sieben Personen“, sagt die Kundin. Mehr Informationen braucht Till Biebricher nicht. Er schneidet genau die richtige Menge zweier Käsesorten mit dem Beil ab, reicht der kleinen Tochter noch ein Stück zum Probieren rüber. Der nächste Kunde will vier Sorten, „aber nur aus dem Allgäu“. Auch er bekommt, was er will und darf probieren. Till Biebrichers „Bergkäse Station“ ist ein Treffpunkt für Käse-Gourmets und das schon seit fast zehn Jahren. 2006 eröffnete der Schreiner den kleinen „Sennereiverkauf“-Laden in der Dotzheimer Straße, den er natürlich auch eigenhändig ausstattete. Mit dunklen Hölzern, einer gelben Kühltheke in Form eines Käselaibs, mit kleinen Guckfenstern, in denen eine Käseecke schwebt und eine kleine Berglandschaft glitzert. Gegenüber ist sogar ein Mini-Aquarium eingebaut.
Die goldene Lackierung der Guckfenster ist mittlerweile ein wenig abgeblättert, und die anfänglich per Knopfdruck zuschaltbaren Alpen-Geräusche funktionieren nicht mehr. Sonst klappt aber absolut alles: Die „Bergkäse Station“ ist fest etabliert und ermöglicht dem alleinerziehenden Vater einen Tagesablauf ganz nach seinen Bedürfnissen und seinem Geschmack. Er kann sich um seinen Sohn kümmern und steht abends von 17 bis 20 Uhr im Laden, wo die Kunden nicht bloß eben mal reinhuschen. Gesellige Schwätzchen, längst nicht nur über Käse, gehören dazu. Freitags hat die „Bergkäse Station“ von 10 bis 20 Uhr, samstags von 10 bis 18 Uhr geöffnet.
Direktimport vom Bruder im Allgäu
Angefangen hatte Till Biebricher mit wenigen Sorten Bergkäse, die sein Bruder Jan im Allgäu herstellt. Der ist in der Bergkäserei Steibis Käsemeister und ermöglicht den „Direktimport“ aus Bayern nach Wiesbaden. „Aber mittlerweile gibt es bis zu vierzig unterschiedliche Sorten“, erklärt der Inhaber, „auch aus Frankreich, Italien, der Schweiz.“ Und sogar einen Holländer hat er im Angebot. Alle sind etwas Besonderes, keine Massenware, viele Bioprodukte. „Hier kann man auch alle Käserinden mitessen, wenn man mag“, erklärt der Experte hinter der Theke, der mit knallgelber Schürze und Mütze seine eigene Corporate Identity pflegt. Und wenn es eine Käserinde wie die des Allgäuer Blütenkäses ist, die schon optisch besticht und dazu einen tollen Kräutergeschmack liefert, dann lässt man sich das mit dem „Rinde mitessen“ nicht zweimal sagen.
Till Biebricher hat sein Angebot über die Jahre nur sortenmäßig erweitert. Käse bleibt seine Kernkompetenz. Es gibt nur sehr wenige andere Produkte: Eine Senfsorte, eine Hartwurstsorte, Butter, Honig – natürlich aus Gebirgsblüten – und den „weltbesten Joghurt“, wie der Chef selbst schwärmt. Das goutieren anspruchsvolle Stammkunden, die mittlerweile für bestimmte Spezialitäten sogar aus Frankfurt anreisen. Aber auch für Studenten hat der Inhaber ein Herz, hat bestimmte Sorten immer noch zu den Preisen von 2006 im Angebot und gewährt in manchen Monaten – auch im März – zehn Prozent Nachlass bei Vorlage des Studentenausweises. Sein Geschäft hat er nie verlegen wollen. Es passt ins Viertel, an der lebhaften Schnittstelle zwischen Westend und Rheingauviertel. Die Miete ist konkurrenzlos günstig, mittlerweile kann Till Biebricher sogar Kundenparkplätze im Hof anbieten. Warum also umziehen? Die große Käseecke auf Rädern vor dem Laden wird daher ein Blickfang bleiben.
Manchmal veranstaltet Till Biebricher auch ein Raclettefest vor seinem Laden. Er liefert Käse an Restaurants, bietet Geschenkgutscheine an und ist eigentlich rundum zufrieden mit seinem Leben zwischen Bergkäse und Emmentaler, zwischen Ziegenfrischkäse und Vanillejoghurt. Längst hat er die Schreinereiarbeit aufgegeben, die zu Anfang der Grund war, warum er erst ab 17 Uhr öffnete. Das sei nicht mehr nötig, im Gegenteil: Wer ein Geschäft hat, der brauche auch viel Zeit für Buchhaltung und Bestellung, für Steuern und allerlei andere administrative Dinge. Die Zeit könne er sich jetzt nehmen. Und auch Zeit für die Kunden, denen er verspricht: „Ich finde für jeden seinen Lieblingskäse“. Er kenne langsam alle Arten von „Falten im Gesicht“ – die ihm verraten, ob das Probierstückchen gerade schmeckt oder eben doch gar nicht.