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Geschäft des Monats: Galatea Ziss – Atelier für Bekleidung, Kaiser-Friedrich-Ring 8

Von Anja Baumgart-Pietsch. Fotos Kostyantyn Simkin.

Dass ihr Name gut nach Wiesbaden passt, haben ihre Eltern gar nicht geahnt. „Ich bin in Wuppertal geboren“, erzählt Galatea Ziss. „Als ich ein Jahr alt war, zogen wir nach Wiesbaden. Meine Eltern waren ganz baff, dass es hier eine Galatea-Anlage gibt.“ Der Name der jungen Modedesignerin ist ebenso ein Unikat wie die Stücke ihrer Kollektion. Galatea Ziss residiert mit ihrem Atelier direkt gegenüber der Ringkirche, hat also eine wundervolle Aussicht – aber drinnen ist es genauso schön und stilvoll.

Nostalgisches Ambiente, zeitgemäß-zeitlose Mode

Den hohen Raum mit Stuckdecke hat sie mit Antiquitäten möbliert, eine antike Registrierkasse und ein schwarzes Telefon mit Hörer und Wählscheibe passen ins optische Konzept. Aber die Blusen, Hosen, Kostüme und Mäntel von Galatea Ziss sind alles andere als nostalgisch: Klar und zurückhaltend im Design, verspielt in Details oder Stoffmustern und vor allem handwerklich perfekt verarbeitet präsentiert sich gerade die Sommerkollektion. Galatea Ziss produziert nicht nur alles bis zum letzten Nadelstich komplett selbst, sondern entwirft sogar die Stoffmuster gemeinsam mit ihrem Freund und lässt die Stoffe eigens drucken.

Jedes Unikat ein Stück fürs Leben

So kann sich jede Trägerin absolut sicher sein, ein Unikat zu tragen. Die zweimal im Jahr erscheinenden Kollektionen zu je acht Outfits sollen auch eher als Inspiration für eigene, maßangefertigte Wünsche sein, sagt die Wiesbadenerin. „Die Kollektion verkaufe ich dann nach der Saison als Sample Sale. Aber eigentlich mache ich am liebsten ganz maßgefertigte Stücke.“ Auch mal für Herren, aber in der Hauptsache für Damen. Zwischen Herstellerin und Kundin entsteht dann eine durchaus enge Beziehung, denn mit Konzeptgespräch und mehreren Anproben vergeht einige Zeit, bis das Stück dann tatsächlich den Weg auf den Körper der Kundin findet. Das ist dann aber auch ein Stück fürs Leben, sagt Galatea Ziss, die diese „Beziehungsarbeit“ als Hauptcharakteristikum ihres Jobs sieht.

Paris, London, Bismarckring

Dass sie mit Stoffen und Mode arbeiten wollte, wusste sie schon immer. Sie durchlief aber europaweit ganz unterschiedliche Stationen, bis sie in ihrem eigenen Atelier, also am Ziel ihrer Wünsche angekommen war. 2015 feierte sie Eröffnung. Diverse Praktika, unter anderem beim britischen Enfant terrible Vivienne Westwood, aber auch am Wiesbadener Staatstheater oder in Pariser Modeateliers, vermittelten ihr alle erdenklichen Aspekte der Branche. Dass sie nicht in der Industrie arbeiten wollte, aber auch nicht in einer reinen Kostümschneiderei, kristallisierte sich bald heraus.

„Da blieb eigentlich nur noch übrig, sich selbstständig zu machen“, sagt die quirlige Wiesbadenerin – beim Interview hinter einer schicken Corona-Maske versteckt, die sie gerade auch anfertigt und verkauft – fünf Euro gehen an die Seenotrettungs-Organisation „Seawatch“. Wie ihre anderen Kleidungsstücke auch, ist die Maske aus Naturstoff gefertigt. Galatea Ziss achtet sehr auf Nachhaltigkeit in der Produktion, verwendet, wo es geht, Biobaumwolle oder Seide. Und da sie ihre Kleidung auf Maß anfertigt, ist es auch nicht nötig, wie bei industrieller Produktion einfach einen Elasthananteil hineinzumischen, damit sich der Stoff dehnt. Nur so könne man es sonst erreichen, dass Kleider „von der Stange“ an unterschiedlichen Körpern auch halbwegs passen, weiß die Fachfrau.  Dass die Konfektionsgrößen oft einem Lotteriespiel gleichen, weiß jede Frau.

Ü42-Models  

Galatea Ziss entwirft ihre Kollektion, entgegen sonstiger Praxis, nicht in „Size Zero“, sondern lässt bei den Shootings „immer ein Model mit mindestens Größe 42“ fotografieren. Das nimmt die – meist auch nicht mehr blutjungen – Kundinnen schon von vorneherein positiv ein. Maßschneidern lässt sich dann ja sowieso alles in der gewünschten größeren oder kleineren Größe. Die Stoffmuster übrigens sind wirklich originell: Gerade hängen diverse Stücke mit einem Wiesbaden-Motiv, collagiert aus alten Postkarten, auf der Stange. Da sieht man dann nicht nur die schönen alten Häuser in handkolorierter Optik, sondern auch ein Schulkind mit der hier üblichen riesigen Schulbrezel. Aber auch Käfer und Schmetterlinge krabbeln bei Galatea Ziss über Schärpen, Tücher und Kleider.