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Geschäft des Monats: „Loftwerk – Goldschmiede, Genuss und Kunst“, Langgasse 20

Von Anja Baumgart-Pietsch. Fotos Kai Pelka

Was für ein unglaublicher Raum. Mitten in der Fußgängerzone  – aber im ersten Stock und daher nicht auf Anhieb für „Laufkunden“ sichtbar – liegt seit Februar 2017 Anja Roetheles „Loftwerk“. Manche werden sich noch an eine Klamotten-Kette erinnern, die hier vor vielen Jahren Jeans und T-Shirts auf zwei Stockwerken verkaufte, dann gab es aber sieben Jahre Leerstand. Bis die Goldschmiedin auftauchte, die ganz gezielt einen Raum im ersten Stock suchte, um ihre Preziosen dort herzustellen und in langen, persönlichen Kundengesprächen mit Termin zu verkaufen.

„Ich habe mich sofort in diesen Raum verliebt“, schildert die gebürtige Berlinerin ihren ersten Eindruck. Schwarze, verzierte Metallsäulen, eine große Fensterfront und viel Platz ließen sie an einer Berliner Hinterhof-Etage denken – und das Potenzial in dem damaligen Rohbauzustand erkennen. Und die Goldschmiedin hat aus dem Raum genau das Schmuckstück gemacht, in dem sie ihre eigenen Schmuckstücke so präsentieren kann, wie diese es verdienen. Ganz hinten steht ihr Tisch, an dem sie so arbeitet, wie Goldschmiede es seit Jahrhunderten tun: Ein Beruf, in dem echtes Handwerk noch groß geschrieben wird.

Goldschmiede als Eventlocation  

Die Etage ist zusätzlich noch Theaterbühne, Lounge, Küche, Meetingplace und Tanzboden: Elegant und multifunktionell nutzbar, präsentiert sich das „Loftwerk“ als „Erlebnisraum für alle Sinne“. Und Anja Roethele, die zuvor ihre Werkstatt im eigenen Haus in Eppstein auf viel kleinerem Fuß betrieben hatte, ist von ihrem eigenen Erfolg überwältigt: Gerade hat sie eine Assistentin für das Veranstaltungsmanagement eingestellt.

Für ihre unterschiedlichsten Events nutzt Roethele ihr Netzwerk, zu dem beispielsweise Experten für Wein, Gin, Süßes oder Käse gehören. Die Kulinarik spielt eine große Rolle: Käseverkostung und Gin-Lounge, Pralinenworkshop oder Weihnachtsmarkt fanden schon statt. Das Loftwerk bietet aber auch Platz für Kunstausstellungen, Modenschauen oder „Gesamtkunstwerke“ wie den „Pink Day“ mit unterschiedlichsten Aktionen und Ausstellern hauptsächlich für Frauen.

Keine Scheue vor ungewöhnlichen Materialien

Gerade ist das neue Programm für den Herbst erschienen – wiederum voller Angebot für Genussmenschen jeder Couleur. Anja Roethele hat sich einen großen Traum erfüllt – ohne zu wissen, ob es klappen würde. Der Sprung ins kalte Wasser, von der Handwerkerin mit kleiner Werkstatt zur „Eventmanagerin“, hat sich vollauf gelohnt. Auch Azubi Lars Hegny ist unverzichtbarer Mitarbeiter, „schon der vierte Lehrling, den ich ausbilde“, sagt die Chefin, die seit 2000 selbst Meisterin ist. Vier Schmuckkollektionen hat sie im Programm. An die günstigste, den Silberschmuck, darf auch der Azubi ran und eigene Entwürfe verwirklichen. Eine weitere Kollektion nutzt ein ganz und gar ungewöhnliches Material: Küchenfronten. Tatsächlich: Das Material der Schranktüren in bunten Farben passt gut zu den eingelassenen Diamanten und anderen edlen Steinen. Anja Roethele fräst und sägt ihre Ringe und Armreifen direkt aus dem Material heraus. Sie kann sich auch eine Zusammenarbeit mit einem Autohersteller vorstellen. „Warum nicht einen Ring mit dem gleichen Farbton wie das Auto?“

Kreatives Bekenntnis zur Fußgängerzone

Roethele ist extrem kreativ – das zahlt sich bei ihrem gelungenen Projekt aus, obwohl es ein großes Wagnis war, denn natürlich war es nicht gerade billig, den Raum so aufwendig zu renovieren. Aber offensichtlich hat Wiesbaden genau auf so etwas gewartet. Die Kunden stehen bei den Veranstaltungen Schlange. Das wertet auch die oft gescholtene Fußgängerzone auf, in die Anja Roethele ausgesprochen gerne mit ihrem Geschäft gezogen ist. „Meckern bringt nichts, man muss was tun.“ Und natürlich ist es auch für die Goldschmiedin eine hervorragende Plattform, um ihre Schmuckstücke anzubieten. Diese werden meist nach Kundenwunsch gefertigt – und mit dem Gold, das die Kunden mitbringen. „Die Brosche der Oma zum Beispiel schmelze ich ein, und genau aus diesem Gold entsteht dann ein mit dem Kunden gemeinsam entworfenes Stück. Da ist dann auch der ideelle Wert noch da“, sagt Roethele. Und da sie – wie alle Goldschmiede – jedes übriggebliebene Stückchen Goldstaub aufhebt und weiterverwendet, lässt sich sogar von einer Art „Upcycling“ auf hohem Niveau sprechen. „Ich kaufe kaum neues Gold“, sagt Anja Roethele.

https://www.loftwerk-roethele.de/