Von Annika Posth. Fotos Tim Zinsius.
Jungs-Ding, das war einmal. Frauen erobern die Männerdomäne Skateboarding. Ganz vorne dabei: Aline Baliero, die ihre Passion auch beruflich auslebt.
„Beim Skaten bist du sehr mit dir selbst beschäftigt. Du bist Grenzen am Austesten, musst mutig sein“, weiß Aline Baliero. Skaten habe auch viel mit Überwindung zu tun: „Kopf ausschalten und sich selbst und seinem Können vertrauen“, lautet der Rat der 27-Jährigen. Sie ist leidenschaftliche Skaterin und Designerin. Zum Skaten kam die gebürtige Brasilianerin mit 13 Jahren durch ihren großen Bruder – „mein erstes Board habe ich von ihm bekommen“ – und war sofort Fan.
„Für mich war das damals noch ein Jungs-Ding, da habe ich den Schritt nicht geschafft, mich zu trauen“, erinnert sie sich: „Es war einfach eine gewisse Hemmschwelle da, deswegen war ich mehr Zuschauerin und Fan, mein Zimmer war voll mit Skatepostern“ Nach ihrem Abitur hat Alina dann immer mal wieder angefangen: „Dann war ich eine Zeit lang im Ausland, in Australien und zu Hause in Brasilien, und bin dort gefahren.“
Girlsnight in der Skatehalle
Als sie für ihr Kommunikationsdesign-Studium nach Wiesbaden kam, hat wieder ein paar Jahre gedauert, bis sie 2016 begonnen hat, regelmäßig zu skaten. „Parallel zum Studium habe ich angefangen, in der Skatehalle zu arbeiten“, berichtet sie: „Da sind dann auch viele Connections entstanden, auch durch die Girlsnight, die wir wieder aufgenommen haben. Und so ist das Netzwerk dann immer weiter gewachsen.“
Eine Jungs vs. Mädchen-Quote beim Skaten kann sie nicht festmachen, beobachtet aber: „Girls-Skating boomt im Moment extrem. Früher habe ich nur ganz selten Mädchen gesehen.“ Heute sei Skaten generell mehr im Kommen. „Wenn mehr Girls skaten und gesehen werden, dann fangen automatisch auch mehr mit dem Skaten an“, glaubt sie.
Skate-Spots Schlachthof und RMCC
Rund um Schlachthof und Kulturpark treffen sich viele Skater:innen, erzählt Aline. Wiesbaden habe außerdem viele Street-Spots, zum Beispiel auch am RheinMain CongressCenter RMCC. Sobald es wieder möglich ist, werde die Girlsnight wieder für alle Mädchen eine Anlaufstelle zum Skaten und Skaten lernen. Ansonsten bietet Aline auch an, die Mädchen untereinander zu verbinden, über Instagram @daughtersofskateboarding können Interessierte sie anschreiben. Neben ihrer Skateboard-Leidenschaft ist Aline freiberufliche Grafikdesignerin und Yogalehrerin, sogar Skateyoga bietet sie an. Wenn die Schulen aufmachen, möchte sie Kindern wieder Skateboarden näherbringen. Für den Sommer plant die in Zusammenarbeit mit anderen Skatern ein Event auch für Mädchen aus der Szene. Und sie hat ein eigenes Unternehmen gegründet.
„Daughters of Skateboarding“
Entstanden ist „Daughters of Skateboarding“ durch Alines Bachelorarbeit. Kaputten Skateboards haucht sie neues Leben ein. Aus den Skateboards werden Unikate: Ohrringe, Nagelfeilen aus dem Griptape und Ringe aus den Kugellagern. Sie verkauft ihren Schmuck zurzeit über, ihre Internetseite, über Instagram und in der Skatehalle in der Murnaustraße. Für die Zukunft wünscht sich Aline, dass sie von dem Verkauf leben kann.
Was bedeutet ihr persönlich das Skateboarden? „Die Kreativität macht mir besonders Spaß. Einerseits das auf dem Brett stehen, den Asphalt spüren, das Kribbeln in den Fußsohlen. Und was du alles machen kannst: sein eigenes Set-up herstellen. Du merkst ziemlich schnell, was zu dir passt.“ Außerdem könne man sich künstlerisch ausleben – und das überall: „Egal in welcher Stadt du bist, du hast durch das Skateboarden immer eine Connection. Du hast den gleichen Lifestyle und hats direkt eine Vertrauensbasis.“ Skateboarden bedeutet auch viel Freiheit für sie: „Mittlerweile komme ich über jede Bordsteinkante, und das macht so einen Spaß. Darum geht es letztlich überall, Hindernisse zu überwinden.
Friedlich feministisch
Zum Thema Feminismus sagt die Skaterin: „Ich finde es sehr gut, dass wir Frauen uns dafür einsetzen, dass Gleichberechtigung kommt, dass das Patriarchat gestürzt wird.“ Für sie schwinge dabei oft mit, dass es eine Art Kampf sei. „Ich finde Feminismus sehr wichtig. Aber sobald es in diesem Kampf und gegeneinander geht, möchte ich mich zurückziehen. Das ist nicht der Vibe, den ich fahren möchte.“ Ihr Drive ist das Miteinander: „Ich kann den Leuten nur zeigen, dass es geht: dass wir zusammen das machen können, was wir lieben: Skaten.“