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Jahrestag des rassistischen Anschlags von Hanau: Auch Wiesbaden gedenkt heute der Opfer /Ruf nach Aufklärung

Am späten Abend des 19. Februar 2020 wurden Fatih Saraçoğlu, Gökhan Gültekin, Ferhat Unvar, Hamza Kurtović, Kaloyan Velkov, Mercedes Kierpacz, Said Nesar Hashemi, Sedat Gürbüz und Vili-Viorel Păun in Hanau Opfer eines rechtsextremistisch und rassistisch motivierten Mörders, der anschließend auch seine eigene Mutter und sich selbst erschoss. Die Tat war der vorläufige Höhepunkt einer Serie von rechtsterroristischen Anschlägen, die die bundesdeutsche Öffentlichkeit erschütterte. Zum heutigen Jahrestag findet das zentrale Gedenken in Hanau statt. Es gibt aber auch rund hundert Mahnwachen, Demos und Kundgebungen in ganz Deutschland, auch in Wiesbaden: #Hanauistüberall.

Wiesbaden gedenkt den Opfern des rechtsextremistischen Anschlages 

„Nicht zuletzt aufgrund der räumlichen Nähe zwischen unseren Städten hat uns dieser Anschlag im vergangenen Februar auch in Wiesbaden traurig, bestürzt und fassungslos gemacht“, so Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende und Integrationsdezernent Christoph Manjura. „Wir gedenken heute den ermordeten Menschen, sind in Gedanken bei ihren Familien und fühlen mit ihnen.“

Unter dem Hashtag #hanauistüberall wird derzeit in den sozialen Medien vor dem wieder erstarkenden Rechtsextremismus in Deutschland gewarnt. „Beobachtung und Verfolgung rechtsextremistisch motivierter Gruppen oder Einzeltäter sind Aufgaben der Sicherheitsbehörden. Hier können wir als Kommune wenig leisten. Nichtsdestotrotz sehe ich uns in einer wichtigen Rolle, wenn es darum geht, Netzwerke zu initiieren und Projekte im Präventionsbereich anzustoßen“, betont Manjura und erinnert an die 2014 gegründete Plattform Extremismus. Demokratische Bildung und Erziehung seien gemeinsam mit entsprechenden Präventionsangeboten die besten Werkzeuge, um nachhaltig extremistischen und menschenverachtenden Haltungen vorzubeugen: „Mit der Arbeit des politischen Bildungsträgers Spiegelbild sowie der jährlich stattfindenden Veranstaltungsreihe „WIR in Wiesbaden“ und den „Internationalen Wochen gegen Rassismus“ zeigt unsere Stadt ganz deutlich, dass Hass und Hetze hier keinen Platz haben.“

Gedenken am Dernschen Gelände und Luisenplatz

Auf dem Dernschen Gelände findet heute um 16 Uhr eine Gedenkveranstaltung statt, zu der unter anderem Bündnis gegen Rechts, Arbeitskreis Umwelt (AKU), Die Linke, Anarchistisches Kollektiv, BCF (Black Community Foundation), Schlachthof und Sabot aufrufen. Bei der Kundgebung wird es Redebeiträge geben.

Als stilles Gedenken halten die Wiesbadener Omas gegen Rechts am Luisenplatz von 18 bis 19 Uhr eine Mahnwache ab: „Alle Bürger der Stadt, die für die genannten Ziele und die Einhaltung der Menschenrechte ein Zeichen setzen wollen, sind zu diesem stillen Gedenken herzlich eingeladen.“

Auf dem Neroberg wurde vor einigen Tagen, naheliegenderweise im Zusammenhang mit dem Jahrestag, ein weithin sichtbarer Schriftzug „Kein Vergessen“ angebracht. Die Polizei teilt heute dazu mit: „Innerhalb der vergangenen Tage haben Unbekannte in Wiesbaden auf dem Neroberg und bei Rüdesheim jeweils eine Weinbergsmauer in großen Buchstaben mit einem Schriftzug beschmiert. Der durch die aufgebrachte Farbe entstandene Sachschaden wird auf mehrere Tausend Euro geschätzt. Es wurden Strafanzeigen gegen Unbekannt wegen Sachbeschädigung erstattet und die Ermittlungen aufgenommen. Wegen der Größe und der Art der beiden Schriftzüge ist es wahrscheinlich, dass die Vorbereitung der Tat und das Aufbringen der Farbe mit einigem Aufwand und Vorbereitung verbunden waren. Zeugen und Hinweisgeber werden gebeten, sich mit der Wiesbadener Kriminalpolizei unter der Telefonnummer (0611) 345-0 in Verbindung zu setzen.“

Angehörige und Überlebende dokumentieren „Kette des Versagens“

Fragen zu den Hintergründen des Attentats und dem Umgang der Behörden damit sind  bis heute nicht aufgeklärt. Vor wenigen Tagen legten die Angehörigen, Überlebenden und die Initiative 19. Februar die Ergebnisse ihrer Recherche offen. Sie zeichnen die, wie sie es nennen, „Kette des Versagens“ nach: „Wir klagen an und klären auf! Wir fordern politische Konsequenzen!“ – nachzulesen hier oder nachzuschauen und zu -hören hier:

Gedenken in Hanau – Liveübertragung

„Wir gedenken gemeinsam der Opfer. Sie sind und werden niemals vergessen.“ Zum ersten Jahrestag des Anschlags von Hanau werden Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der Ministerpräsident Volker Bouffier und Hanaus Oberbürgermeister Claus Kaminsky gemeinsam heute in einer Gedenkfeier des Landes Hessen und der Stadt Hanau an die neun Opfer der Tat erinnern.

„Unser oberstes Ziel ist es, gemeinsam fortwährend gegen Hass und Hetze zu kämpfen und uns den Feinden unserer Demokratie entschieden entgegenzustellen. In unserer Gesellschaft darf kein Platz für Menschen sein, die Gewalt und Rassismus verbreiten – der schreckliche Anschlag von Hanau wird uns immer Mahnung dafür sein“, sagen Ministerpräsident Volker Bouffier und Hanaus Oberbürgermeister Claus Kaminsky. „Die Erinnerung an die Opfer lebt in den Herzen ihrer Familien und Freunde. Deren Schmerz um ihren Verlust ist heute so groß wie am ersten Tag und wird niemals vorübergehen. Wir stehen an der Seite der Angehörigen und zeigen, dass es immer unsere oberste Priorität ist, sie zu unterstützen und nicht alleine zu lassen“, so Bouffier.

Die Gedenkfeier wird mit rund 50 geladenen Gästen im Congress Park Hanau stattfinden. Neben einem kurzen Film, der sich den Ereignissen des 19. Februar 2020 widmet, sind auch persönliche Videoansprachen der Opferfamilien geplant. Symbolisch und in Erinnerung an jedes der neun Opfer wird eine freistehende und beleuchtete Namenssäule auf der Bühne stehen. Zum Ende der Gedenkfeier werden um 19.02 Uhr alle Glocken der Stadt läuten.

Eintracht Frankfurt trägt Gedenk-Trikots

Die Kicker von Fußball-Bundesligist Eintracht Frankfurt werden vor dem Heimspiel gegen Bayern München beim Aufwärmen besondere Trikots tragen – mit Porträts der ermordeten Menschen von Hanau und ihren Namen“. Eintracht-Präsident Peter Fischer gegenüber „hr Sport“. „Wir reden hier nicht von Zahlen, sondern von Menschen, die bestialisch ermordet worden sind. Denen geben wir wieder Namen und Gesicht.“

Die Gedenkveranstaltung wird live im HR-Fernsehen übertragen. Auf www.hanau-steht-zusammen.de/Gedenktag wird die Gedenkfeier im Rahmen einer Sondersendung (als Livestream) übertragen, die bereits um 17.30 Uhr beginnt.

Materialien zum Download, etwa als Plakate/Transparente für Kundgebungen, sind hier zu finden.

(apo/Bilder Initiative 19. Februar)