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Jazzstadt Wiesbaden auf der Leinwand: Dokumentarfilm spannt Bogen über 80 Jahre – Heute Premiere im Caligari mit All Star Band

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Von Hendrik Jung, Fotos Ivgenia Knobloch/Szenenfotos

Mitten in der Nazi-Zeit treffen sich die zumeist jugendlichen Swing-Fans Wiesbadens im legendären „Hot Club“ des Park Cafés. Mit „Heil Hot’ler“ sollen sie sich begrüßt haben. Es existieren aber auch Erinnerungen daran, dass die Schergen der Gestapo die „jungen Wilden“ in der Wilhelmstraße abgeholt und ihnen im Gestapo-Hauptquartier in der Paulinenstraße einen für Nazis standesgemäßen Haarschnitt verpasst haben sollen. Diese Phase der Swing-Ära ist die einzige Passage von „Jazz in Wiesbaden“, die über Texttafeln geschildert wird. Ansonsten wird die Geschichte ohne Kommentar, nur durch Interviews mit Zeitzeugen, erzählt.

Ein Musikfilm ist es daher nicht. Aber natürlich gibt es Ausschnitte zu hören. Einige hat Harald Kuntze bei heute noch aktiven Musikern im Proberaum aufgezeichnet, manche von Tonträgern eingespielt. Der Südwestrundfunk hat für kleines Geld psychedelische Fernseh-Aufnahmen der Krautrock-Band Xhol Caravan beigesteuert. Zu den eigens eingespielten Momentschöpfungen gehört die Improvisation des Klarinettisten Dietrich Geldern für Hans-Jürgen Anderle. Schließlich war es die Initiative und Recherche des glühenden Jazz-Fans, die das Projekt einst ins Rollen gebracht hatte. Nach seinem Tod hat es eine Weile brach gelegen. Doch dann hat sich Harald Kuntze dazu entschieden, den Film alleine zu Ende zu bringen. Schließlich hatte man bereits Interviews im Kasten wie mit dem mittlerweile verstorbenen Paul Kuhn oder dem Jazz-House-Betreiber Albert Butz.

600 Stunden Rohmaterial, 111 Minuten Film

Am Ende waren es Interviews mit fast 30 Protagonisten und 600 Stunden Rohmaterial, die zu einem 111-minütigen Zeitzeugenfilm geformt wurden. „Da steckt viel Herzblut und Freizeit drin. Ich bin froh, dass er jetzt fertig ist“, sagt der 60-jährige Filmemacher. Dreharbeiten mit einer Swing-Tanz-Gruppe in historisch authentischer Kleidung sind genauso eingeflossen wie historische Fotos aus dem Stadtarchiv oder Cartoons von Volker Kriegel. Aber auch das Jugendbild eines bartlosen Tom Woll, bis heute sehr präsentes Musiker-Urgestein, ist zu entdecken.

Andere Zeiten, andere Grooves

Vor allem aber lebt der Film von den Einblicken, die von den Protagonisten der Wiesbadener Jazz-Szene vermittelt werden. Da erinnert sich Bill Ramsey, der lange Zeit in Wiesbaden lebte, an eine Platten-Aufnahme im Hinterhaus in der Karlstraße. Da wird berichtet, wie Paolo Fornara spontan ein Konzert mit Baden Powell im Nero organisiert, als er mitbekommt, dass dieser gerade beim Taunussteiner Gitarrenbauer Dieter Hopf weilt. Auf ähnliche Weise kam es auch 1962 zu einem Auftritt des legendären John Lee Hooker im Jazz-House in der Nerostraße. Hooker und seine Kollegen kamen 1962 für einen Auftritt beim American Folk Blues Festival nach Frankfurt. Schon am Flughafen haben Wiesbadener Musiker sie damals mit einem Ständchen begrüßt. Und sie nach ihrem Auftritt gefragt, ob sie nicht Lust hätten, in einem kleinen Club zu spielen, dem damaligen Jazz-House und heutigen Gestüt Renz, wo seit knapp einem Jahr als Reminiszenz an die Vergangenheit jeden Donnerstag Jazz-Musik gespielt wird.

Jazz-Größen kommen auch heute noch in die Stadt

Dass auch heute noch Jazz-Größen nach Wiesbaden kommen, ist Veranstaltern wie Peter Schilbach, der von sensor präsentierten Veranstaltungsreihe Jazz im Hof sowie „Jazz-Architekt“ Raimund Knösche zu verdanken. Saxofonist Paolo Fornara sorgt dafür, dass im Thalhaus auch der talentierte Nachwuchs aus der Region Auftrittsmöglichkeiten erhält. Die Kooperative New Jazz Wiesbaden und das Just Music Festival wiederum sorgen dafür, dass auch zeitgenössischer Jazz seinen Platz in der Landeshauptstadt findet. Aktuelle Akteure der Musikszene wie Andreas Hertel, Gert Zimanowski oder die Bigband der Leibnizschule haben ebenso Auftritt im Film wie die Juristenband sowie Reinhard Diegel oder Lutz Rathsfeld mit ihren Formationen. Zahlreiche beteiligte Musiker haben bereits angekündigt, dass sie sich anlässlich der Filmpremiere am 7. Oktober um 20 Uhr im Caligari zu einer All Star Band zusammen finden wollen. Und auch Harald Kuntze lässt die Musik nicht ganz los. Sein nächstes Filmprojekt setzt sich mit drei Wiesbadener Instrumentenbauern auseinander.

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