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Kinos mit Charakter

Von André Werner. Fotos Kai Pelka.

Wer suchet, der findet: die cineastischen Trutzburgen gegen seelenlose Multiplexfabriken.  Auch in unserer  Stadt finden Filmfreunde Abspielstätten mit exquisitem Programm, charmantem Ambiente und leidenschaftlichen Machern. Unser Autor kennt und liebt sie alle. Bis auf eine.  

Als ich vor fünf Jahren nach Wiesbaden gezogen bin, wusste ich drei Sachen über diese Stadt: Ich lebe die nächsten zwei Jahre dort. Die Häuser sind wunderschön. Und: Es gibt Kinos, in denen eine Vormittagsvorstellung noch Matinée heißt.

 
Ich weiß noch, als ich das erste Mal mit einem guten Freund, eher zufällig, ins Caligari gestolpert bin. Wow! Eine Lobby ähnlich dem Red Room aus „Twin Peaks“, eine zweite Zuschauerempore und ein Vorführraum, der mehr Theater- als Kinosaal ist. Genauso beeindruckend wie das Interieur ist das abwechslungsreiche und liebevoll zusammengestellte Programm. Es ist diese Mischung aus Arthouse, Spartenfestival, aber eben auch mal ein Brett wie „Fight Club“, die mich immer wieder hierher treiben wird. Und  bei weitem nicht nur mich. Lange Schlangen an der Kasse sind hier keine Seltenheit.

www.wiesbaden.de/caligari

Innenstadt, genauer Mauritiusstraße 3a. Ein kleiner Empfangsraum, hinter dem Tresen ein grauhaariger, manchmal ein wenig mürrisch dreinschauender Mann. Es ist derselbe Typ, den man später voller kindlicher Vorfreude aus dem Projektionsraum strahlen sieht: Manfred Kranich, gebürtiger Schauspieler und bekennender und kennender Filmfreund. Mit dem Walhalla Bambi Kino betreiben er und sein Team einen kleinen, sehr feinen und eigenen Ort für aktuelle Independent-Produktionen. Genau so muss ein Programmkino sein: gemütlich, authentisch, kompetent.

http://www.walhalla-studio.de/bambi/

Apropos kompetent: Seit Mai 2009 gibt es auch noch das Murnau Filmtheater.  In gemütlicher Runde (100 Plätze) gewährt hier die Friedrich Murnau Stiftung Einblick in eine der einzigartigsten Filmsammlungen Deutschlands. In direkter Nachbarschaft zu Schlachthof und Kreativfabrik gelegen, ist es ein Mekka für Liebhaber von Klassikern der Filmgeschichte. Aber auch ausgesuchte aktuelle Werke laufen, in Zukunft auch der „sensor-Film des Monats“, Auftakt ist am 15.2. mit „Life of Pi – Schiffbruch mit Tiger“ in 3D. Altes wie Neues wird meist thematisch in Reihen eingeordnet. Vor wenigen Tagen lief hier ein Film von Kurt Gerron, Titel „Kind, ich freu mich auf dein Kommen“. Genau so sieht’s aus!

www.murnau-filmtheater.de
 
Eine gemütliche Decke im Gepäck, eine Bratwurst in der einen und ein kühles Bier in der anderen Hand: Das ist Bilderwerfer-Freiluftkino in Wiesbaden. Seit nunmehr 15 Jahren genießen wir die Filmperlen der vergangenen Jahre unterm Sternenhimmel der Reisinger Anlagen. Im Sommer 2012, drei Tage nach dem Finale der Saison, dann die traurige Nachricht: Initiator Ronald Meynen stirbt im Alter von nur 53 Jahren. Mein Herz wird wehmütig, denke ich an die vielen schönen Filmabende, die er mir mit seinem Verein Bilderwerfer geschenkt hat. „Wie es ohne Ronald weitergeht mit dem Open-Air Kino, wissen wir momentan noch nicht genau, aber wir machen in seinem Sinne weiter. Im Frühjahr 2013 werden wir uns zusammensetzen und das Ergebnis bekanntgeben“, ließen die Macher Anfang Dezember wissen. Liebes Bilderwerfer-Team, bitte bleibt weiterhin ein Teil der bunten Wiesbadener Bewegtbildszene.

www.bilderwerfer.de

Nächster Halt: Wiesbaden Ost. Nach fünf Jahren Wiesbaden gibt es nur eine Adresse, die mir immer noch fehlt: „Filme im Schloss“. Im Vorführraum der Deutschen Film- und Medienbewertung im Biebricher Schloss werden seit 1984 nur und ausschließlich unverfälschte Originalfassungen gezeigt. Darunter viele Erst- und Uraufführungen. Ein echter Geheimtipp.

www.filme-im-schloss.de

Welches ist Eurer Lieblingskino in Wiesbaden?

(Alle Fotos sind im Walhalla Bambi Kino entstanden)