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Lebenswege: Jan-Filip Ťupa – Ein Universalgelehrter der Musik / „Panakustika“-Auftakt am 5.10. im Museumssaal

Von Tim Gorbauch. Fotos Samira Schulz.

Musik war schon immer da. Sein Vater war Geiger, fest angestellt beim Opernorchester in Gelsenkirchen. Im Wohnzimmer thronte damals ein altes Tonbandgerät, ein Mittel der Selbstkontrolle, mit dem der Vater immer wieder das, was er zu Hause probte, aufnahm und abhörte. Mit 5 bekommt Jan-Filip Ťupa ein Cello. Es ist tatsächlich Liebe auf den ersten Blick, der Sound, die unendlichen Klangfarben. Aber bevor er den Plan fasst, Musiker zu werden, hat er als kleines Kind eine andere Idee: Universalgelehrter will er sein, belesen in Alchimie, Astronomie, Mathematik, Metaphysik. Seine Mutter musste ihm, 6 Jahre alt, mühsam erklären, dass dieser Beruf heute nicht mehr existiere.

Der offene Blick des universell Interessierten ist bis heute geblieben. Vielleicht ist diese Offenheit sogar das, was Jan-Filip Ťupa vor allem auszeichnet. Zumindest denkt der 36-Jährige Musik nicht hermetisch, sondern von vielen Seiten her. Als Spieler, aber auch als Organisator und Kurator. „Panakustika“ heißt die schöne Konzertreihe, die Ťupa in diesem Herbst und Winter nun schon zum vierten Mal veranstaltet. Fünf ganz besondere Konzerte sind das, „Konzerte für Querhörer“, wie Ťupa sagt, die verschiedene musikalische Szenen miteinander verbinden, die sonst allzu oft berührungslos nebeneinander existieren. Neue Musik, frei improvisierte, Pop, Jazz.

Mitreißen zu ungeahnten Ufern

„Die Idee von Panakustika ist wirklich“, erklärt Ťupa, „zu einem Thema möglichst vielfältige Anknüpfungspunkte zu schaffen, so dass neugierige Menschen einen Anker finden können und dann mitgerissen werden – zu neuen, anderen Ufern gewissermaßen, zu anderen Inhalten, die sie sonst von sich aus nicht kennengelernt hätten.“ Es ist nicht so, dass er Musik schon als Kind in dieser Vielfalt kennenlernte, eher den Kanon der klassischen Musik. Und auch später im Cellostudium bei Raphael Wallfisch in London waren da vor allem Bach, Beethoven, Brahms, Dvorák, die große, alte Cello-Literatur. Zeitgenössische Musik war ein Pflichtfach.

Erst mit Anfang 20 ändert sich das. Ťupa entdeckt zunächst die klassische Moderne für sich, Xenakis, Bernd Alois Zimmermann, Boulez – Säulenheilige noch heute für ihn. Er studiert bei der Ensemble Modern Akademie. Ein Zufall führt ihn damals, Mitte der Nuller Jahre, nach Wiesbaden, wo er heute noch mit seiner Frau und seinen zwei kleinen Kindern wohnt.

Offenbarung im Kunsthaus-Keller

Als ihm eines Abends langweilig ist, geht er auf ein offenes Improvisationskonzert der Kooperative New Jazz, die seit vielen Jahren (und noch immer) die Nische der frei improvisierten Musik wunderbar pflegt und hütet. „Dann war ich in diesem Keller im Kunsthaus und dachte, das kann nicht wahr sein. Beim zweiten Mal hab ich mitgespielt, ich war da 24 oder 25, das war ein toller Adrenalinmoment“, erinnert er sich: „Ich war klassisch ausgebildeter Cellist, mit drei  Abschlüssen – und da saßen diese Menschen und haben solch unglaubliche Musik gemacht, die ganz anders war, als alles, was ich kannte.“ In der Kooperative findet Ťupa querdenkende Mitstreiter. Bald wächst die Idee, eine Konzertreihe ins Leben zu rufen, die Verknüpfungen schafft und Ťupas eigene Interessensvielfalt spiegelt. Panakustika! Das klingt jetzt so leicht und so selbstverständlich. Ist es aber nicht.

Je spezieller Musik wird, desto hermetischer wird oft auch die Szene. Man muss nur vor Jahren einmal bei den Tagungen oder Festivals in Darmstadt oder Donaueschingen gewesen sein, den Hochburgen der Neuen Musik in Deutschland. Man bleibt unter sich. Und will es eigentlich auch.

„Analoge Zombies“ zum Auftakt

Ťupa dagegen setzt auf Austausch. Und auf die große, schöne, integrative Kraft der Neugier. „Neugier“, sagt er, „gehört dazu. Das ist sicher eine Bedingung für einen Hörer, der da hinkommt. Aber mehr nicht.“ „Let the Good Times Roll“ ist das Motto der 4. „Panakustika“-Saison. Fünf Konzerte im schönen Vortragssaal des Wiesbadener Museums gehen auf verschiedenen Wegen dem Mythos und dem ganz eigenen Sound der alten Aufnahme- und Abspielmedien nach: Kassette, Tonband, Vinyl. „Analoge Zombies“ nennt sie der Komponist Thomas Venk, der im Zentrum des Auftaktkonzerts am Donnerstag, 5. Oktober, steht. Venks liebstes Instrument: eine ganze Batterie kleiner, alter Kassettenrekorder.

www.janfiliptupa.com 

www.panakustika.de

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Analoge Zombies beim Auftaktkonzert – Donnerstag, 5.10., Museum Wiesbaden

Im Eröffnungskonzert der diesjährigen, von sensor präsentierten Panakustika-Konzerte erweckt der Freiburger Komponist und Performer Thomas Wenk  um 19.30 Uhr im Museum Wiesbaden (vorher um 19 Uhr findet eine Diskussion statt) diverse High-End-Modelle von portablen Kassettenrecordern der 1980er-Jahre zu neuem Leben. „Analoge Zombies“ tauft er seine liebevoll umsorgten Gerätschaften, deren jeweilige Eigenheiten er intelligent und gewitzt in Kompositionen und virtuosen Improvisationen verarbeitet. Als groovender Gegenspieler scratcht und wirbelt Alexis Malbert aka „tapetronic“ seine skurrilen Kassettenmutationen über die Magnetköpfe. www.panakustika.de