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„Man muss ein Teil sein von dem Ganzen“ – Legende und Lexikon der Wiesbadener Nacht: DJ FM erzählt

Interview und Protokoll: Dirk Fellinghauer. Fotos Arne Landwehr, privat.

Wohl wenige kennen das Wiesbadener Nachtleben so lange und so gut wie „FM“. Frank Marco Ullmann ist DJ-Legende und wandelndes Lexikon des Ausgeh- und Partygeschehens in der Kurstadt. Er erinnert sich genau an „gute (und wilde) alte Zeiten“. Dem 50-Jährigen entgeht aber auch nicht, was sich heute tut in der Wiesbadener Nacht – oder eben auch, was sich nicht (mehr) tut. Nachdem unser 2×5-Interview mit FM nach der Veröffentlichung geradezu gigantische Resonanz ausgelöst hat (mit Kommentaren à la „Wenn „FM“ auf dem Flyer stand, war das immer die Garantie für eine gelungene Party“), erzählt der Szene-Insider hier nochmal in aller Ausführlichkeit, sehr offen und persönlich, von seinem Weg und von legendären Zeiten des vor allem elektronischen Partygeschehens in Wiesbaden und der Region. Taucht ein und lasst euch fallen in die Afterhour des eigentlichen Interviews …

Schon mit 10 fing es an

Ich habe angefangen, Platten zu sammeln, schon seit ich 10 bin. Mir war immer wichtig, das, was ich cool fand, an andere  weiterzugeben. Mit 15 habe ich schon Tapes verkauft in Frankfurt an Klamottenläden und auch an Privatleute. Da habe ich Audiokassetten aufgenommen und bin dann mit dem Zug rübergefahren. Als 15-Jähriger habe ich schon ungefähr tausend Platten gehabt. Da ging das gerade los mit der Entwicklung – die 80er-Schiene hat sich in die EBM-Schiene heraus entwickelt, und aus dieser ist dann irgendwann die Technoschiene entsprungen. Da war ich so früh dabei, dass ich es schon entdeckt hatte, bevor es die meisten noch nicht gekannt oder verstanden hatte-

Erweckung im Omen: Das Sven-Väth-Ding als Initialzündung

Um mich als DJ zu etablieren, musste ich den klassischen Weg gehen. Angefangen hat das bei mir alles im Nachtcafé, dem EG, da war der Betreiber Michael Alberti mein Mentor, der auch selbst lange Jahre als DJ , u.a. im Aoxomoxoa, und Gastronom aktiv war in Wiesbaden. Mit 15-16 hatte es mich schon ins Omen und Dorian Gray gezogen am Wochenende. Das was dort abging, hatte mich stark infiziert. Ich war immer ein Nerd in der Richtung – und ich war so stolz, dass ich reinkam. Damals sah ich immer älter aus. Da saß ich an den Boxen im „Gray“ und habe dem Torsten Fenslau zugehört. Und dann kam dieses Sven Väth-Ding, im Omen. Das war die Initialzündung.

„Ganz normal Disko“!

In Wiesbaden hab‘ ich als erste Club-Station dann zunächst im Flanell auf der Wilhelmstraße aufgelegt. Dort habe ich auch immer eher „Normalo“-Musik gespielt, also querbeet – der Geschäftsführer, Bernd Schlosser zu jener Zeit, hat zu mir immer so schön gesagt:  Ey, ganz normal Disko! Mach‘ doch nicht immer so Einflüsse, sondern ganz normal Disko! Da lachen wir heute noch drüber. Ich habe da schon, 1992/93, angefangen mit House-Einflüssen.

Dann kam der Plattenladen, Boy Records Wiesbaden. Das weiß ich noch genau, wie die gesagt haben: Wir haben jetzt eine neue Schiene, das heißt Techno-House. Das kommt jetzt langsam in Deutschland.>

Illegal im Wald, staunend bei den Großen

Wir hatten da schon die ersten illegalen Partys in der Stadt, auch im Wald, mit ein paar Weggefährten – unter anderem auch André Galluzzi. Dann gab es die ersten Ansätze in der Wartburg, mit den 20-Stunden-Raves, und da habe ich dann mal reinschnuppern können bei den Großen: Westbam, Sven Väth, Hell … Da durfte ich nachmittags spielen. Die Großen haben nachts gespielt, und ich stand als kleiner Junge immer dabei.

Auf meinem Weg als DJ hatte ich verschiedene Stationen. Unter anderem war ich mal an einer kleinen Musikbar beteiligt in der Wilhelmstraße, dem Mojos. Dann gab es das Plantage unten in der Wartburg, da habe ich auch aufgelegt. Die haben jeden Tag einen anderen DJ gehabt zu dieser Zeit.

Donnerstags war er nie da

Ich hatte ursprünglich eine Ausbildung als Industriekaufmann angefangen und abgebrochen. Genau zu der Zeit, 1991, fing es an mit dem Flanell-Mittwoch. Immer donnerstags war ich dann krank oder zu spät. Dann haben die im Betrieb gefragt, was ist denn da donnerstags los? Ich hab‘ mich immer quergestellt, wenn ich Befehle bekommen habe, die für mich keinen Sinn gemacht haben, ich konnte nie unter Obrigkeiten arbeiten. Ich habe 1996 angefangen, selbstständig zu werden – dann habe ich auch die Ausbildung abgebrochen und konnte direkt einsteigen, da hatte ich natürlich Glück.

Von Indie zu Techno

Irgendwann hat das Flanell zugemacht, und ich war irgendwie froh aus diesem „Ain’t Nobody-Rapper’s Delight-Sex Machine*-Schema rauszukommen. Dann kam der Dijk vom Basement auf mich zu. Der Schlüsselmoment war für mich, als er fragte: Wollen wir hier Techno aufbauen? Das war ja eigentlich ein Indie-Laden, das Basement, da war die klassische Schlachthof-Szene. Die beiden Jungs, die das Basement gemacht haben, waren sehr unterschiedlich. Der eine, selbst Rockmusiker, wollte die Indie-Musik, und der Dijk sagte, nee, nee, ich seh‘ da Potenzial für Techno.

Das Basement als Wiesbadener Omen

Raoul Baum hat dann im Basement eine AIDS Benefit Party gemacht 1994, damit ging alles los – Raoul und ich haben dann das Basement quasi zum Technoladen gemacht. Zuerst einmal im Monat samstags, dann hieß es jeden Samstag, bis es dann nach nicht allzu langer Zeit auch freitags tatsächlich quasi zur elektronischen feindlichen Übernahme kam. Ab da war das Basement quasi das Wiesbadener Omen. Wild. Rough. DER Techno-Laden n der Kurstadt. Immer voll, egal, wer aufgelegt hat.

Das ist das, wovon die Leute heute träumen – du hast eine Musikschiene, und die Leute kommen nur wegen der Musik, egal wer auflegt. Da kann spielen wer will, es sind immer entsprechend Leute im Laden. Da brauchst du keine Gast-DJs, das hat sich erst danach entwickelt, damit man den Leuten etwas bieten konnte.

Hot Spot Park Café

Vorher, also 1992-1993, ging es im Park Café ja schon los, auch mit Frosch, auch einer meiner Mentoren – im Prinzip habe ich Frosch, also Lothar Sacher, und Michael Alberti meinen Weg zum DJ quasi zu verdanken. Ich hatte ja nicht das Selbstbewusstsein, ich war da 19, 20, 21. Ich dachte zwar schon, ich hab‘ ein gutes Feeling, aber das musste bestätigt werden. Das war mir immer ganz wichtig. Ich musste immer Publikum haben.

So ab 1993 war das Park Cafe der Hotspot für die ganz Großen. Da haben sie alle gespielt – Paul van Dyke, Sven Väth, Westbam, Carl Cox. Da durften wir dann auch irgendwann das Warm-up gemacht, der Raoul und ich. Daraus ist es dann weitergewachsen.

Über Wiesbaden hinaus

Später fing ich an, im Palazzo in Bingen aufzulegen, dann kamen die Residencies im MTW Offenbach. Thomas Koch vom GROOVE Magazin aus Frankfurt hatte in Offenbach im MTW die SPECTRUM Reihe samstags angefangen auszurichten. Da war ich der einzige Wiesbadener Resident. Es war schon so, dass aus Wiesbaden kaum einer ernstgenommen wurde zu der Zeit, das habe ich dann versucht zu ändern.

Da gab es eine Motivation, die mich extrem angetrieben hatte. Ich nähre mich von Bestätigung als DJ. Deswegen bin ich kein Studiomusiker. Ich brauche für alles, was ich leidenschaftlich mache – das sind nicht viele Sachen – aber für die wenigen Sachen brauche ich Bestätigung. Nur dann kann ich Energie reinsetzen.

Als es in Frankfurt losging, da habe ich einen ganz guten Zugang gehabt zur dortigen Szene. Ich war bespielsweise regelmäßig im Robert Johnson als Clubgänger.  Leider ist es mir verwehrt geblieben, dort zu spielen. Dank Frosch durfte ich zweimal im Dorian Gray spielen und in der hr Clubnight zwei, drei Mal – beim Franksen und sogar mal in der ‚Haupt’Clubnight beim Heinz Felber als Gast-DJ. Zweimal habe ich auch für Cocoon gespielt, im U60 war ich später dann auch Resident.

Dann hast du natürlich auch irgendwann Leute von außerhalb, die fragen, willst du mal hier spielen – so kam ich zu Auftritten im Osten und auch mal im Ausland.

Stage statt Studio

Irgendwann aber war der Punkt erreicht, wo es aufgehört hat. Dann hast du hier alle Channels bespielt und quasi in jedem Laden aufgelegt, auch in Mainz usw – und dann musstest du eigentlich produzieren. Wenn du dann nicht ins Studio gehst, dann bleibst du unweigerlich auf der Stelle. Dafür war und bin ich allerdings leider nicht der Typ.

Ich saß schon im Studio mit Leuten, aber das war halt nichts für mich. Ich brauchte immer die Stage – wenn auch nicht als Kasper, sondern eher als ruhigerer Performer. Ich konnte mich nie nächtelang ins Studio hocken und die Geräte angucken und sagen, ja, so ist ist gut, mach da mal ein bisschen nach vorne … da brauchst du ’ne Stunde, bis überhaupt eine Spur steht . Dafür fehlt mir die Geduld leider.

Viele haben mir immer gesagt, du hättest weggemusst. Na, die anderen sind dann alle weg – der Galluzzi …, der Raoul ist nach Miami – da musste ja einer hier die Fahne hochhalten. Ich hatte immer so eine Hassliebe zu der Stadt. Ich wollte die Stadt ja nie wirklich verlassen, ich habe sie immer geliebt, auch heute noch. Ich wohne ja auch schön im Grünen, oben im Tennebachtal, alles vor der Tür ist grün. Das war immer wichtig für mich, diese Oase.

Techno mit Seele

Ich habe immer versucht, einen eigenen Style irgendwie reinzukriegen. Techno mit Seele, mit Herz, mit Geschichte. Wir haben schon ganz früh in ganz langen Sets gespielt, also sechs bis zehn Stunden, oft im Basement bis mittags. Da geht es darum, mit den Leuten in allen Facetten zu wachsen in dieser Zeit. Man muss ein Teil sein von dem Ganzen.

Ich war immer schon eher undergroundig unterwegs. Klar hätte ich es anders machen können, um mehr Geld zu verdienen, noch kommerzieller. Das sagen mir heute noch Leute, du hättest nicht so idealistisch, nicht so künstlerisch sein dürfen, es gibt ja andere Kollegen, die auch auf Hochzeiten spielen und so was. Dann könnte ich aber nicht wirklich authentisch in den Spiegel schauen.

Das Vinyl-Hindernis

Das ging ja auch jahrelang gut so mit meinem Weg. Aber irgendwann kippt es. Dann kam die neue Generation, dann ging e mit Vinyl nicht mehr. Ich habe immer Vinyl aufgelegt. Aber irgendwann ging es los; á la: oh, du brauchst einen Plattenspieler zum Auflegen? Das müssen wir erst mal checken, außer dir legt ja kaum jemand mit Plattenspieler auf … Das ist absurd – wenn du heute nicht Headliner oder Second Headliner bist, dann holen die keinen Plattenspieler für dich. Deswegen spiele ich jetzt auch nicht mehr Vinyl. Du kannst es ja nicht mehr bezahlen.

Scheiß-Woche? Geile Nacht!

Eines der schönsten Komplimente für mich war, als mal einer gesagt hat – auch wenn Leute irgendwie Stress hatten, und du legst bestimmte Tracks auf, und dann ist wieder alles in Ordnung und alle haben sich wieder lieb. Das ist im Prinzip meine Aufgabe schon von jeher gewesen, das möglich zu machen: Die Woche war Scheiße? Ich sorge dafür, dass du jetzt eine geile Nacht hast!

Tanzen lassen statt selber Tanzen

Ich war tatsächlich einer, der selbst so gut wie nie getanzt hat. Manchmal so ein bisschen aus Spaß, aber in der Regel bewege ich mich nur beim Auflegen. Aber auch jetzt nicht so ausladend und springend, sondern ich gehe im Beat mit und kommuniziere mit den Leuten. Aber ich bin keiner, der jetzt schwitzend von der Tanzfläche kommt. Ich bin nicht der klassische Tänzer. Ich bringe gerne zum Tanzen.

Für mich war es wichtig, dass die Leute aus dem Basement rausgehen und begeistert sind, dass sie so eine geile Nacht hatten.

Es ist immer dieser Weg raus aus dem Alltag, alles fallenzulassen. Ich hatte das Glück, dass ich genau in diese Zeit kam. 1992 habe ich erkannt – das ist deine Musik, Techno, das kann man hier aufbauen durch den großen Einfluss von Frankfurt und Umgebung. Das ist explodiert. Du hast einfach nur „, Techno“ auf einen Flyer geschrieben, irgend‘ ne Bar drunter, Datum – und der Laden war voll.

Auf die Crowd kommt es an

Das ging ein paar Jahre so, dann war es overloaded. Da musste ja irgendwann ein Punkt kommen, wo es nicht mehr weitergeht.

Aber ich bin immer hier geblieben und habe versucht, kleine Slots zu bedienen. Das hat auch lange noch gut funktioniert, bis ich vor ein paar Jahren gemerkt habe, das läuft nicht mehr. Dann wurde über Gagen diskutiert – dabei war ich nie einer, der große Gagen verlangt hat. Ich wollte auch nie groß weg. Für mich war das nie wichtig, international großen Raum zu bespielen, sondern für mich war – und ist noch – immer extrem wichtig, dass ich eine Crowd um mich herum habe, die mich hosted. Am liebsten sind mir 150, 200 Leute im Laden, von denen ich dann 100 kenne.

Sonst ist mir das zu anonym. Ich lege auch heute gerne noch auf Privatpartys auf – hier auf einem Geburtstag, da auf einer Gartenparty. Oder auch schon mal im neuen Badhaus 1520 – ein schöner Club übrigens.

 Was geht in der jungen Szene?

Die Szene hier ist mittlerweile sehr überschaubar. Die neue Generation ist anders ausgerichtet. Dann kam auch noch Corona und hat dem Ganzen nochmal einen harten Schlag versetzt. Man kann froh sein, wenn es immer wieder Ansätze gibt. Es gibt durchaus wieder eine jüngere Szene, was ich so mitkriege -Rouven Faust z.B. ist sehr aktiv, was ich auch toll finde, dass es so Leute noch gibt überhaupt, da existiert schon noch eine gute Szene. Die sind aber auch alle gebeutelt von Genehmigungsfragen und Auflagen. Das sind junge coole Leute, Anfang 20 bis Mitte 30, die „Heaven“-Szene zum Teil. Da gibt es gute Partys, mit Robert Johnson-DJs usw.. Wenn ich da auftauche, wird überlegt, ob ich jetzt wohl meine Tochter suche oder ob ich Zivi bin – „guck dir den an mit der Brille, so sehen die heutzutage aus, die machen so auf Ök“.

Ich lege ja ab und zu auch noch auf, vielleicht so einmal im Monat. Das sind aber eher kleinere Sachen – wie seit neuestem wieder mal, im früheren Schweinefuss. Da kommt natürlich auch das Ding dazu, wer kennt einen denn noch? Der Wahrheit muss man ins Auge sehen. Ich bin jetzt 50, da rücken ein paar andere nach, ein paar gehen es ernsthaft an. Da hat sich auch der Musikstyle verändert. Ich komme aus der Cocoon-Welt, ich bin Väth-Kind – also auch eher melodic, da geht es auch schon um etwas Musikalität.. Ich war immer froh, dass ich meinen eigenen Stil in Wiesbaden bringen konnte und bis heute dabei geblieben bin.

Die Kunst des Loslassens

Man muss auch irgendwie versuchen loszulassen, wenn es nicht mehr so viel Spaß macht. Irgendwann habe ich gemerkt, wenn ich aufgewacht bin am Wochenende – oh Scheiße, heute musst du auflegen! Dann geht es in die falsche Richtung. Und dann auch noch für kleine Gage – nee! Deswegen suche ich mir aus, wenn etwas kommt, und wenn nicht, ist es nicht mehr so, dass ich mich ärgere, wie früher, dass ich es annehmen musste.

Subkultur als Schmelztiegel

Es gab schon coole Ansätze in Wiesbaden. Das war beispielsweise früher geil auf den Reisinger Anlagen vor den Filmnächten, da habe ich jahrelang immer vor den Filmen gespielt. Eher chillig, also mehr im Ambiance Bereich.. Da waren dann teilweise 2000, 3000 Leute auf der Wiese.. Authentisch, real, Großstadt. Auch das Chopan, Cloeb Frisch – das ist Metropole, Schmelztiegel zwischen verschiedenen sozialen Strukturen. Alle sind eins über die Feierei! Genau das macht Pluralismus aus. Subkultur ist musikalisch eine wichtige Kultur. Wir waren immer randgruppenorientiert.

Warten auf Neues

Es geht immer irgendwie weiter!

Ich habe das Glück, dass ich die besten Zeiten erleben durfte, zwischen 1990 und 2010 – den Peak. Was in Zukunft passiert? Es muss ja wieder irgendwelche neuen Ansätze geben. Es geht ja immer irgendwie weiter. Die Frage ist, wie und wohin, gibt es Nachfrage für gewisse regelmäßige, undergroundige, elektronische Formate? In Wiesbaden wurde schon sehr viel Geld verbrannt.

Wer soll da übrigbleiben, der sagt – so, ich mache jetzt mal in Wiesbaden einen richtig geilen sexy Club auf, mit wenig Leuten, schönen undergroundigen warmen Techno? Da sagen die Leute, hast du sie noch alle, wo willst du das denn machen, in Nordenstadt im Industriegebiet oder wo? Da beißt sich die Katze in den Schwanz. In der Stadt kannst du es nicht machen, weil es torpediert wird – und draußen kommt kein Mensch, niemand! In dieser Schleife sitzen wir jetzt fest.

Die Entwicklung jetzt ist die Frage, wo geht die Reise hin? Im Schlachthof haben wir alle vier Wochen mal Techno, im Badhaus Club auch, das Wohnzimmer fährt gut auf der kommerzielleren Schiene – aber so richtig konsequent gibt es keinen Laden für eine neue Elektro- und Technokultur in Wiesbaden.

Wichtig ist aber die Zukunft. Und da weiß ich nicht so recht. Es muss was Neues, wird was Neues kommen, Clubkultur wird es immer geben, auch in der Landeshauptstadt, ganz klar. Aber wann jetzt welche Konzept wie kommen – ich bin gespannt.

Bodenständig mit Fernweh

Ich war immer sehr bodenständig. Ich war nie unterwegs groß, für längere Zeit im Ausland oder sowas. Das ist das, was mir noch fehlt, ich muss jetzt mal weg. So nice es hier auch ist teilweise, so langweilig ist es eben auch. Mit den Wintern habe ich ja immer so meine Probleme..

Ich bin absoluter Sommermensch, bei mir darf es auch heiß sein. So wenig Klamotten am Körper wie es geht, dann geht es mir gut. Da bin ich in Schlappen unterwegs oder laufe auch nachts bei uns oben mit dem Hund barfuß im Sommer. Da bin ich schon so ein leichter Hippie!

Ich würde gerne mal weiter weg. In Übersee war ich kaum, weil ich Probleme habe, lange irgendwo still zu sitzen. 8, 9, 10 Stunden Flüge sind ein Problem. Es gibt viele Orte, wo ich gerne hinwürde – nach Thailand, Bali, in den asiatischen Raum, Mexiko … es gibt sehr viele geile Plätze … meine Großtante wohnt in Australien. Neuseeland würde ich mir gerne anschauen. Aber da bist du ja 20 Stunden unterwegs, da bist du komplett am Ende, wenn du ankommst. Wenn überhaupt ginge das für mich nur 1.Klasse, und das kann man ja nicht bezahlen. Deswegen wird das nächste dann doch wieder Europa sein. Ich war ja auch zehnmal auf Ibiza, auf den Kanaren, ich liebe es, ich bin ein Inselfreund. Portugal ist auch ein Platz, wo ich so schnell wie möglich mal hinwill.

Und dann war da noch … die Geschichte mit den Flyern

Es gab ja noch die Geschichte mit den Flyern. Irgendwann habe ich diese ganze Promogeschichte aufgebaut – für unsere eigenen Partys, wir haben ja auch eigene Partys gemacht in Wiesbaden oder auch in Mainz, im Signalwerk zum Beispiel. Da haben wir unsere Flyer so verteilt,  dass sie überall zu sehen waren, auch in den ganzen Clubwear-Läden damals und alles. Und eines Tages kam dann (auch wieder) Frosch auf mich zu, der in dieser Zeit u.a. die dicken 90er Raves im Dorian Gray veranstaltet hatte, auf mich zu und fragte: Kannst du dir vorstellen, Flyer für andere zu verteilen gegen Geld, so als wären es deine eigenen. Da ging das los.

Ich habe dann auch Plakate geklebt, da konnte man ja überall noch wild plakatieren. Da hat die Hochbrücke Schwalbacher Straße noch gestanden. Wir sind nachts rumgefahren und haben alles mit Leim vollgeklebt. Daraus habe ich dann die Aufträge gekommen. Mit den Flyern ging das ja bis vor kurzem noch. Corona hat dem aber den Todesstoß gegeben. Da mache ich nur noch ganz wenig. Mal schauen, was kommt. Ich mache mir keine Panik.

Freunde – das ist wohl das Wichtigste

Wenn du verkrampfst oder eingeschüchtert wirst, dann verlierst du den Zugang zu Perspektiven und zur Energie. Wichtig ist es, klar und reflektiert zu sein und dich zu motivieren. Da hat jeder seine anderen Channels, wie er das hinkriegt. Bei mir ist es extrem die Musik, aber auch Filme, und auch Kochen. Das sind drei wichtige Sachen für mich. Und viel mit Menschen zusammen sein. Ich habe zum Glück einen sehr guten Freundeskreis mit guten Leuten. Das ist, glaube ich, immer das Wichtigste.